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WASSER/028: Megastädte von Wassermangel und sozialen Unruhen bedroht (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. August 2011

Entwicklung: Megastädte von Wassermangel und sozialen Unruhen bedroht

Von Thalif Deen


Stockholm, 24. August (IPS) - Angesichts der rasant anwachsenden Stadtbevölkerung in Afrika, Asien und Lateinamerika und der Ausbildung von Megametropolen droht die Menschheit im Kampf um sauberes Trinkwasser zu unterliegen. So warnen Experten auf der Stockholmer Weltwasserwoche vom 21. bis 27. August, dass bis zum Jahr 2050 zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten leben werden, die mit der Entwicklung völlig überfordert sind.

Wie Anders Berntell, Exekutivdirektor des Internationalen Wasserinstituts (SIWI) in Stockholm, erklärte, kann sich die internationale Gemeinschaft eine solche Niederlage nicht leisten und muss unverzüglich gegensteuern. Wie er betonte, ist schon jetzt jeder vierte Stadtbewohner - 794 Millionen Menschen - sanitär unterversorgt.

In den Entwicklungsländern geht die Urbanisierung in der Regel mit Armut und der Ausweitung der städtischen Slums einher. Bereits im Jahr 2000 lebte fast ein Drittel der Städter in Armensiedlungen. Berntell zufolge ist insgesamt 141 Millionen Slumbewohnern der Zugang zu sauberem Trinkwasser versperrt. "Derzeit leben 800 Millionen Menschen in städtischen Armensiedlungen und wir wissen alle, dass dort die Gefahr besonders groß ist, dass Seuchen wie Diarrhöe, Malaria und Cholera ausbrechen."

Nach Angaben des UN-Bevölkerungsfonds wird die Zahl der Erdenbürger von derzeit mehr als sechs Milliarden bis Ende Oktober auf sieben Milliarden ansteigen. Eine zu Beginn der Stockholmer Wasserwoche veröffentlichte Umweltstudie des 'World Wildlife Fund' (WWF) geht davon aus, dass bis 2050 etwa 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben wird. Da es unwahrscheinlich ist, dass die Stadtbehörden infrastrukturell mithalten können, steht zu befürchten, dass viele Menschen ohne Zugang zu sauberem Wasser und sanitärer Grundversorgung bleiben.


Megastädte vor vielfältigen Problemen

Die möglichen Folgen zeigt die WWF-Studie 'Big Cities. Big Water. Big Challenges' anhand der "explodierenden Megastädte" Nairobi (3,5 Millionen Einwohner), Buenos Aires (12,8 Millionen), Kolkata (15,4 Millionen), Karachi (18 Millionen), Mexiko-Stadt (21,1 Millionen) und Schanghai (23 Millionen Menschen).

In der südpakistanischen Hafenstadt Karachi kostet verseuchtes Trinkwasser schon jetzt 30.000 Menschenleben im Jahr. Im indischen Kolkata, dem ehemaligen Kalkutta, wurden Fäkalien im Trink- und Arsen im Grundwasser nachgewiesen. Die chinesische Megastadt Schanghai, die einst keine Probleme mit der Wasserversorgung hatte, wird inzwischen von Wasserknappheit und -versalzung heimgesucht.

Mexiko-Stadt wiederum sackt aufgrund einer Übernutzung der Grundwasserreserven jedes Jahr um fünf bis zehn Zentimeter ab. Dadurch erhöht sich das Risiko, dass der innerstädtische See weite Teile der Metropole überflutet. Die Flüsse in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires sind zu stinkenden Kloaken verkommen. Zudem sind Millionen Einwohner nicht an das öffentliche Wasser- und Abwassersystem angeschlossen.

Die Behörden der kenianischen Hauptstadt Nairobi stehen vor dem Problem, dass ihnen die Kapazitäten fehlen, um die wachsende Nachfrage nach Wasser zu bedienen. 60 Prozent der Städter leben in wilden Siedlungen ohne Zugang zu Wasser und Sanitäranlagen. Somit sind die dort lebenden Menschen gezwungen, das kostbare Nass für teures Geld an Wasserkiosken zu kaufen. Die sanitäre Unterversorgung wiederum führt dazu, dass Fäkalien ungeklärt die Flüsse verschmutzen.


Verstädterung als Gefahr für Mensch und Natur

"Die rapide unkontrollierte Verstädterung ist definitiv eine Gefahr für die Ökosysteme, von denen wir abhängen", meinte die WWF-Frischwasserexpertin Anna Forslund auf der Weltwasserwoche in Stockholm. "Wir müssen für eine bessere Städteplanung, einen effizienten Wasserverbrauch und eine erhöhte Mitsprache der Zivilgesellschaft sorgen."

Wassermangel hat in einigen Teilen der Welt bereits zu sozialen Unruhen geführt. So kam es in Bolivien zwischen Januar 1999 und April 2000 wegen hoher Wasserpreise und einer Privatisierung der Wasserversorgung zu Wasserrevolten, die zahlreichen Menschen das Leben kosteten und 2005 und 2009 erneut aufflammten. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. August 2011