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WASSER/109: Brasilien - Neues Leben für alten Fluss durch Wiederbelebung der Zuflüsse (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. Dezember 2012

Brasilien: Neues Leben für alten Fluss - Rettung der Zuflüsse nutzt auch dem São Francisco

von Mario Osava


Eines der kleinen Staubecken am Fluss Dos Cochos - Bild: © Mario Osava/IPS

Eines der kleinen Staubecken am Fluss Dos Cochos
Bild: © Mario Osava/IPS

Januária, Brasilien, 10. Dezember (IPS) - Es ist lange her, dass José Geraldo Matos nur wenige Meter von seinem Haus entfernt fischen konnte. Große Traíra-Raubfische (Hoplias malabaricus) waren im Dos Cochos beheimatet, bis der Fluss zu einem Rinnsal verkam. Doch dank lokaler Initiativen hat das 38 Kilometer lange Gewässer im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais zumindest einen Teil der vor 30 Jahren vorhandenen Wassermenge wiedererlangt.

"Dieses Jahr hat der Fluss dort, wo ich wohne, lediglich 20 Tage lang kein Wasser geführt", freut sich Jaci Borges von der katholischen Hilfsorganisation Caritas, die das Umweltschutzprogramm finanziell unterstützt. "Davor war er auch schon einmal drei oder vier Monate ohne Wasser."

Der Dos Cochos ist einer von 36 Zuflüssen des São Francisco, des wichtigsten Wasserlieferanten des Nordostens Brasiliens, der jedoch seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts ein Drittel seines Wassers verloren hat. Neun mittlere und große Wasserkraftwerke werden mit dem Wasser des Stroms betrieben.

Der São Francisco speist sich hauptsächlich aus Zuflüssen aus Minas Gerais. Um den großen Fluss zu retten, müssen diese Zuflüsse wieder mit Wasser befüllt werden. Und das bedeutet: die Erosion verhindern. Darum bemühen sich die 300 Familien, die am Rande des Dos Cochos leben, seit 2001.


Staubecken fangen Sedimente auf

Sie gründeten zunächst die Vereinigung von Nutzern des Flusses Dos Cochos und überlegten gemeinsam, wie sie das Problem angehen könnten. 2004 begannen sie dann mit dem Bau von 850 sogenannten 'Barraginhas'. Das sind Mini-Staubecken am Rande von Straßen, um das Wasser aufzufangen, das bei Regen über die Straßen plätschert. Dadurch soll verhindert werden, dass die Sedimente bis zum nächsten Flussarm mit dem Regenwasser mitgespült werden.

Die Staubecken haben noch einen weiteren positiven Effekt: Sie befeuchten die angrenzende Erde und füllen die Grundwasserreserven in einer Region auf, in der es kaum regnet und lange Dürreperioden häufig sind.

Die Ursache dafür, dass die Flüsse immer weniger Wasser führen, liegt vor allem in der Bodenerosion. Minas Gerais ist der Bundesstaat mit den landesweit meisten Bergbauprojekten. Um die Fabriken, die notwendige Infrastruktur und Transportwege aufzubauen, werden seit Jahrzehnten Wälder abgeholzt. Dadurch fehlt der Erde Halt, und sie kann beispielsweise bei Regen leicht weggespült werden. Sedimente setzen sich auf dem Flussboden fest, sodass Flüsse an Tiefe verlieren und weniger Wasser mit sich führen können.

Auch für die Viehzucht werden Wälder abgeholzt. Die Tiere fressen darüber hinaus Pflanzen und tragen mit ihrem Dung zur weiteren Degradation der Flüsse bei. Auch Monokulturen sind ein Faktor für die Bodenerosion.


Aufforstung ohne neue Bäume zu pflanzen

Seit drei Jahren werden daher die Flussufer wieder aufgeforstet. Dafür mussten bisher nicht einmal neue Bäume gepflanzt werden. Allein ein Zaun, der die Nutztiere davon abhält, näher als 30 Meter an die Flüsse heranzutreten, hat bereits Erfolge gezeigt.

"Ich lebe gerne hier, aber es ist nicht einfach, zu überleben", sagt Matos, der gemeinsam mit seinen fünf Geschwistern 200 Hektar Land bewirtschaftet. Es regnet nur selten und unregelmäßig in dieser Gegend. "Wenn es mal drei Monate nicht regnet, dann verlieren wir die gesamte Ernte." Von seinen drei Söhnen ist einer bereits nach Januária, der nächstgrößeren Stadt, umgezogen, weil dort die Verdienstmöglichkeiten besser sind. Auch der zweite Sohn will gehen.

Die von den lokalen Initiativen gebauten Staubecken müssen erhalten werden. Doch daran hapert es. Beim letzten schweren Regen wurden die Deiche zerstört, die den Wasserlauf mäßigen sollten, aber schlecht konstruiert waren. Dadurch konnten die Barraginhas, die weiter unten am Flusslauf errichtet worden waren, den Wassermassen nicht standhalten und zerbrachen ebenfalls.


Vom Staat wenig Hilfe

Mit ihren Bemühungen, den Los Cochos wiederzubeleben, weisen die 300 Familien auch einen Weg zur Rettung des São Francisco. Die Zentralregierung hatte entsprechende Maßnahmen angekündigt, um den negativen Folgen gegenzusteuern, die durch die Umleitung des Flusses entstehen. Zwölf Millionen Menschen in vier Bundesstaaten im Nordosten des Landes sollen von dem höchst umstrittenen Wasserversorgungsprojekt profitieren.

Doch geschehen sei sehr wenig, kritisiert Roberto Malvezzi, Mitglied der Pastoralen Landkommission der Katholischen Kirche. Verschiedenen Studien zufolge hat der São Francisco seit Mitte des letzten Jahrhunderts ein Drittel seines Fließwassers verloren. Viele über- und unterirdische Zuflüsse laufen bereits in Minas Gerais trocken, wo die Mehrzahl entspringt.

"Viehzucht und Monokulturen sind die Hauptursachen dieser Tragödie", meint Apolon Heringuer-Lisboa vom Manuelzão-Projekt, das den Fluss Das Velhas zu regenerieren versucht. Diesem Zufluss ist wie vielen anderen auch zum Verhängnis geworden, dass er das Einzugsgebiet von Belo Horizonte durchquert. Er nimmt die industriellen und städtischen Abwässer der Hauptstadt von Minas Gerais auf, bevor er den São Francisco erreicht. (Ende/IPS/jt/2012)


Links:

http://mg.caritas.org.br/
http://www.manuelzao.ufmg.br/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=102018

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 10. Dezember 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Dezember 2012