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WASSER/163: Argentinien - Wassermangel in der Provinz Córdoba (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. Dezember 2013

Argentinien: Wassermangel in der Provinz Córdoba - Anzeichen für künftigen Wasserkrieg

von Fabiana Frayssinet



Río Ceballos, Argentinien, 6. Dezember (IPS) - In der zentralargentinischen Provinz Córdoba bilden sich immer stärker die Vorzeichen für einen künftigen Wasserkrieg heraus. Aufgrund ausbleibender Niederschläge sinkt der Wasserstand der Talsperren, das kostbare Nass wird rationiert, und die Ressource zum Streitobjekt.

Das Problem ist in der gesamten Provinz erkennbar, besonders gravierend jedoch dort, wo die meisten Menschen leben: in der Provinzhauptstadt Córdoba, dem Gebiet der Sierras Chicas und im Süden von Punilla.

Der Stausee La Quebrada, der den 30.000 Einwohner zählenden Vorort von Córdoba, Río Ceballos, mit Wasser versorgt, hat den niedrigsten Stand seiner Geschichte erreicht. Die Stadtverwaltung sieht sich gezwungen, die Ressource zu rationieren. Zwei Mal die Woche kommt es zu einer Unterbrechung der Wasserversorgung für die Dauer von jeweils zwölf Stunden.

"Das ist eine Entwicklung, die wir alle kommen sahen", meint Omar Vergara, einer der Einwohner. In seinem Innenhof hat er zahlreiche Regentonnen aufgestellt. Mit dem Wasser gießt er seine Pflanzenkübel und putzt die Wohnung. Wie alle anderen Stadtbewohner nutzt er sein Brauchwasser mehrfach: etwa zur Reinigung seines Autos.

Sauberes Süßwasser darf nur noch getrunken und zum Kochen verwendet werden. Wer auf die Idee kommt, mit dem kostbaren Nass die Bürgersteige abzuspritzen, muss damit rechnen, von den Nachbarn angezeigt zu werden. In der Vorstadt, in die viele ehemalige Bewohner Córdobas wegen der sauberen Luft und besseren Lebensqualität gezogen sind, sorgen auch gefüllte Schwimmerbäder für Proteste.


Beschwerdetelefon

Eine rund um die Uhr erreichbare Telefon-Hotline nimmt die Anzeigen entgegen. Die Kooperative für Bautätigkeiten und Dienstleistungen von Río Cevallos ist für die Wasserversorgung der Haushalte verantwortlich und sensibilisiert die Menschen für einen sparsamen Umgang mit dem kostbaren Nass.

Wie ihr Geschäftsführer Miguel Martinesi gegenüber IPS berichtet, konnte der Wasserkonsum in Río Ceballos pro Kopf und Tag von 270 auf 170 Wasser gedrosselt werden, während er in Córdoba bei 400 liegt. "Wir kontrollieren ständig. Und auch die Nachbarn helfen mit. Sie halten andere an, sparsam mit dem wenigen Wasser zu haushalten."

"Seit 2005 ist die Situation kritisch", berichtet der Bürgermeister von Río Ceballos, Sergio Spicogna. Er führt die Wasserkrise auf das Ausbleiben von Niederschlägen und das explosionsartige Bevölkerungswachstum seit dem Bau einer neuen Autoschnellstraße von Río Cevallos nach Córdoba zurück.

Zuvor hatte der Stausee, der knapp sieben Kilometer von Río Ceballos entfernt ist, auch die insgesamt 40.000 Menschen zählenden Nachbargemeinden Unquillo und Mendiolaza mit Wasser versorgt. Das sei aber sehr problematisch gewesen, so der Bürgermeister. Doch dann wurden die beiden Ortschaften an den Stausee San Roque angeschlossen, der auch die Bewohner der Provinzhauptstadt mit Wasser versorgt. Die 30 Kilometer lange Wasserleitung soll bis Río Ceballos verlängert werden.

Die Provinzbehörden denken auch über Möglichkeiten nach, wie sie in der wasserklammen Provinzhauptstadt für mehr Wassersicherheit sorgen können. So denken sie darüber nach, Überschüsse des San-Roque-Stausees bis in die Sierras Chicas zu leiten. Doch die Umsetzung des Plans ist nach Ansicht von Spicogna viel zu kostspielig.

Ricardo Suárez vom Projekt für den Schutz und die Wiederaufforstung der Gebirge um Córdoba, einer lokalen Umweltorganisation, hält das Abzapfen des Wassers aus dem San Roque für problematisch. Auch wenn der Stausee größer ist als La Quebrada, befindet sich sein Wasserstand ebenso unter Normalniveau. Auch ist die zu versorgende Bevölkerung viel größer.


Die meisten Wälder abgeholzt

In der Provinz Córdoba gehen im Jahr durchschnittlich 779 Millimeter Regen nieder. Der gravierende Einschlag der Wälder, der nirgendwo höher ist, hat dazu geführt, dass mehr Regenwasser verdunstet. Vom einst zwölf Millionen Hektar großen Urwald, über den die Provinz noch Anfang des 20. Jahrhunderts verfügte, sind nur noch fünf Prozent übrig.

Ursprünglich war Córdoba eine halbaride Provinz gewesen. Jetzt droht ihr die Landverödung. "Wir wissen natürlich sehr gut, dass Wassermangel ein Charakteristikum für Wüstenbildung ist", betont Suárez.

"Zwischen 1998 und 2002 wurde in Córdoba täglich eine Fläche von der Größe von 67 Fußballfeldern vernichtet. Das war fatal", meint der Vorsitzende der Stiftung für Umweltschutz, Raúl Montenegro. Die von August bis September wütenden Feuer hätten 40.000 Hektar Land zerstört - in der Mehrheit Wälder und Bergwiesen. Die Brände und der Holzeinschlag hätten die Funktionsweisen der Wasserscheiden verschlechtert. "Die Wasserfabriken sind kollabiert."

Der radikalste Holzeinschlag fand in den 1990er Jahren statt und ging mit der Einführung transgener und extrem wasserintensiver Soja-, Mais-, Bauwoll- und anderer Saaten einher. "Für die Produktion von einem Kilo Sojagetreide sind 1.500 bis 2.000 Liter Wasser erforderlich. In ariden Gebieten sind es noch mehr", kritisiert Montenegro.

"Viele sind der Meinung, dass der größte Teil der Landfläche der Provinz für die Landwirtschaft, die Viehzucht und die Zucht exotischer Bäume verwendet werden kann und die staatlichen Nationalparks und Schutzgebiete ausreichen, um unsere Natur zu bewahren. Das ist aber komplett falsch", meint der Umweltschützer. "Es kann keine ökologische Stabilität ohne eine ausgewogene Koexistenz zwischen natürlichen und produktiven Ökosystemen geben."


Umfangreiche Wiederaufforstung gefordert

Suárez zufolge besteht die Lösung des Problems in einer umfangreichen Wiederaufforstung. "Der Stausee La Quebrada wird ansonsten austrocknen, auch weil das Gebiet in seinem Umfeld zu 85 Prozent entwaldet ist. Die Böden sind der Erosion fast vollständig ausgeliefert."

Suárez' Organisation hat mit Freiwilligen im Verlauf von 14 Jahren fast 40 Hektar Urwald wiederaufgeforstet. Er kritisiert den Mangel systematisch durchgeführter staatlicher Wiederaufforstungsprojekte. "Wäre es anders gewesen, wäre die Sierra heute ein großer Urwald." (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.cooprc.com.ar/
http://www.ipsnoticias.net/2013/12/en-la-sierra-argentina-crecen-senales-de-una-guerra-por-el-agua/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 6. Dezember 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Dezember 2013