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WASSER/202: Costa Rica - Giftiger Ananasanbau, Wasser in mehreren Gemeinden seit Jahren verseucht (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. Mai 2015

Costa Rica: Giftiger Ananasanbau - Wasser in mehreren Gemeinden seit Jahren verseucht

von Diego Arguedas Ortiz


Bild: © Semanario Universidad

In der Stadt Milano de Siquirres ist das Leitungswasser seit August 2007 verseucht
Bild: © Semanario Universidad

SAN JOSÉ (IPS) - Zwölf Jahre nach der Entdeckung von giftigen Rückständen im Leitungswasser von vier Kommunen an der costaricanischen Karibikküste sind rund 7.000 Menschen bis heute auf die unregelmäßigen Dienste von Wasserwagen angewiesen. Auslöser der Wasserversorgungskrise sind Pestizide, die auf den nahegelegenen Ananasplantagen zum Einsatz kommen.

Betroffen sind die Ortschaften Milano, El Cairo, La Francia und Lusiana etwa 100 Kilometer von der Hauptstadt San José entfernt. Die Menschen dort sitzen oftmals tagelang auf dem Trockenen, weil die Laster inzwischen nicht mehr täglich kommen. "Und wenn es anderswo einen Notfall gibt oder gerade Feiertag ist, warten wir manchmal bis zu vier Tage lang auf frisches Wasser", berichtet Xinia Briceño, Vorsitzende des kommunalen Wasserausschusses von Milano.

Seit August 2007 sind die Bewohner der Landgemeinden auf Wasserlieferungen angewiesen. Damals wurde im Aquifer von El Cairo das Pestizid Bromacil gefunden. Das Schädlingsbekämpfungsmittel wird auf den Ananasplantagen in Siquirres, einer Stadt mit 60.000 Einwohnern, in der Küstenprovinz Limón eingesetzt.

Briceño berichtet, dass die chemische Substanz auch weiterhin im Grundwasser gemessen wird. "Während der Trockenperioden nimmt der Grad der Kontaminierung ab. Doch sobald es anfängt zu regnen, werden die Chemikalien reaktiviert."

Die lokalen Behörden können der Bevölkerung in diesen Orten seit Jahren keine Versorgung mit sauberem Leitungswasser garantieren. Dies zeigt im Grunde, wie schwierig es für die Bürger des zentralamerikanischen Landes ist, ihre Rechte gegenüber den seit Jahrzehnten dort ansässigen Agrarkonzernen durchzusetzen.


Bisher keine Entschädigungen

Vor allem die Plantage 'La Babilonia', die von einer Tochterfirma des US-Fruchthandelskonzerns 'Fresh Del Monte' bewirtschaftet wird, steht im Verdacht, für die Verunreinigung des Grundwassers verantwortlich zu sein. Die Kosten für die Versorgung der Bevölkerung durch Tankwagen bleiben an den costaricanischen Behörden hängen. 2007 beschloss der staatliche Wasser- und Klärbetrieb 'AyA', die Gemeinden vorübergehend zu beliefern. Dabei ist es geblieben. Heute füllen die Bewohner der vier Orte drei Mal in der Woche ihre Wassercontainer auf.

In fast acht Jahren hat 'AyA' nach offiziellen Angaben mehr als drei Millionen US-Dollar für die Wasserlieferungen nach Milano, El Cairo, La Francia und Lusiana ausgegeben. Mit diesem Betrag hätte man auch eine neue Leitung zu einem anderen Aquifer in 11,7 Kilometer Entfernung legen können, meint Briceño.

Erstmals wurde die Verseuchung im Jahr 2003 nachgewiesen, als das Regionale Institut für die Erforschung toxischer Substanzen das Wasser untersuchte. Bei weiteren Studien wurde 2007 festgestellt, dass das Wasser für den menschlichen Konsum nicht mehr geeignet ist.


Schäden noch nicht taxiert

Der Oberste Gerichtshof des Landes forderte daraufhin das Gesundheitsministerium, AyA und andere Behörden auf, das Problem zu lösen. Entschädigungen von Seiten der Verursacher wurden bisher nicht gezahlt. Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Kosten der Verseuchung bislang nicht ermittelt wurden. Die Klagen, die 2010 bei einem Umweltgericht eingereicht wurden, sind daher noch anhängig.

Im März dieses Jahres wandten sich Briceño, Vertreter der anderen betroffenen Gemeinden und Delegierte des Zentrums für Umweltrecht und natürliche Ressourcen (Cedarena) an die in Washington ansässige Interamerikanische Menschenrechtskommission. "Das Gremium arbeitet bereits an einem Bericht über das Menschenrecht auf Wasser. Darin kommt auch unser Fall zur Sprache", sagt Soledad Castro vom Cedarena-Wassermanagementprogramm.

Die Wassernot in den vier costaricanischen Gemeinden hat auch internationale Organisationen auf den Plan gerufen. Das 'Water Integrity Network' (WIN) hält den costaricanischen Behörden zögerliches und undurchsichtiges Handeln vor. "Die staatlichen Labortests und die an die Gemeinden weitergegebenen Informationen sind nicht überprüfbar. Dabei ist unklar, ob geltende Regelungen eingehalten wurden", heißt es in dem 2014 von WIN veröffentlichten Bericht 'Integrity and the Human Right to Water in Central America'.


Exporteinnahmen in dreistelliger Millionenhöhe

Nach Angaben des costaricanischen Verbands der Ananasproduzenten und -exporteure (Canapep) von 2012 wird Ananas auf einer Fläche von rund 42.000 Hektar angebaut. Die Ausfuhren erbrachten im selben Jahr Einnahmen von etwa 780 Millionen Dollar. 48 Prozent der Exporte gingen demnach in die USA und der Rest in die Europäische Union.

Aus Sorge über mögliche Folgen des Ananasanbaus hatten die Gemeinden Guácimo und Pococí zeitweise eine Ausweitung der Produktion gestoppt. Das Moratorium wurde aber nach einer Klage von Canapep 2013 gerichtlich aufgehoben. (Ende/IPS/ck/28.05.2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/05/pineapple-industry-leaves-costa-rican-communities-high-and-dry/

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IPS-Tagesdienst vom 28. Mai 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Mai 2015

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