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FORSCHUNG/366: Wälder als Quelle und Senke für Feinstaub (spektrum - Uni Bayreuth)


spektrum - Universität Bayreuth
Ausgabe 1, Mai 2011

Bananen im Fichtelgebirge
Wälder als Quelle und Senke für Feinstaub

von Andreas Held


Seit im Jahre 2005 mit der sogenannten Feinstaub-Richtlinie europaweit verschärfte Grenzwerte zur Überwachung der Luftqualität eingeführt wurden, wird immer wieder auch in der breiten Öffentlichkeit über die Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit durch erhöhte Feinstaubbelastungen diskutiert. Unter Feinstaub versteht man dabei luftgetragene Aerosolpartikel mit einem Durchmesser von weniger als 10 Mikrometern (PM10). Diese kleinen Tröpfchen und festen Teilchen schweben in der Luft und sind so klein, dass sie mehrere Tage in der Atmosphäre verbleiben können, bevor sie typischerweise durch Regen ausgewaschen werden. In der Vergangenheit sind in epidemiologischen Studien tatsächlich Zusammenhänge zwischen einer erhöhten Feinstaubbelastung und einer erhöhten Zahl an Atemwegserkrankungen oder Herz- und Kreislaufbeschwerden festgestellt worden. Aerosolpartikel belasten jedoch nicht nur die menschliche Gesundheit, sondern spielen auch eine wichtige Rolle für viele chemische Reaktionen in der Atmosphäre und sind von entscheidender Bedeutung für unser Klima. Im Gegensatz zu den Treibhausgasen, die zur globalen Klimaerwärmung beitragen, kühlen Aerosolpartikel tendenziell die Atmosphäre und wirken so dem globalen Erwärmungstrend entgegen. Allerdings sind die genauen Prozesse und Rückkopplungsmechanismen bisher nur unvollständig verstanden, so dass sich die tatsächliche abkühlende Wirkung nicht exakt beziffern lässt.

Entgegen der landläufigen Meinung, dass Feinstaub in erster Linie durch den Menschen verursacht wird, stammen grob geschätzt mehr als 85% der weltweit in die Atmosphäre eingetragenen Feinstaubmasse aus natürlichen Quellen. Neben den Ozeanen und Wüsten sind auch Wälder regional wichtige Quellen für Feinstaub.

Jedem ist der typische Nadelwaldduft während eines Waldspaziergangs vertraut. Dieser Duft ist eine komplexe Mischung verschiedenster chemischer Verbindungen, die von den Bäumen und anderen Pflanzen in die Luft abgegeben werden.

Die sogenannten leichtflüchtigen organischen Verbindungen, beispielsweise Terpene, werden in der Atmosphäre rasch oxidiert und reagieren zu Verbindungen, die unter geeigneten Bedingungen neue Aerosolpartikel bilden können. Dieser Prozess der Partikelneubildung aus natürlich freigesetzten organischen Verbindungen wurde schon vor Jahrhunderten beobachtet und beschrieben. So gaben zum Beispiel die Cherokee-Indianer den dicht bewaldeten Great Smoky Mountains den Namen Shalonage, Ort des blauen Nebels. Auch die Namen anderer Landschaften wie der Blue Ridge Mountains oder der Blue Mountains lassen darauf schließen, dass hier häufig bläulicher Dunst über den Wäldern liegt (Abb. 1). Vor etwa 50 Jahren wurde dieses Phänomen zum ersten Mal wissenschaftlich beschrieben. Nach der Oxidation leichtflüchtiger organischer Verbindungen, die von den Bäumen abgegeben werden, bildet sich ein bläulich schimmernder Nebel aus winzigen Aerosolpartikeln, an denen ganz besonders der blaue Anteil des Sonnenlichts gestreut wird.

In den letzten Jahrzehnten wurden einige wichtige Prozesse und chemische Reaktionen der Partikelneubildung in der Atmosphäre intensiv erforscht. Jedoch sind die sogenannten Nukleationsereignisse bis heute noch nicht vollständig verstanden und erklärt. Nahezu überall auf der Welt konnten Nukleationsereignisse über Wäldern beobachtet werden, bei denen natürliche Emissionen leichtflüchtiger organischer Verbindungen eine entscheidende Rolle spielen. Die neu gebildeten Partikel besitzen Durchmesser von wenigen Nanometern und wachsen im Laufe weniger Stunden rasch zu größeren Partikeln an. Das Partikelwachstum während eines typischen Neubildungsereignisses (Abb. 2) wird aufgrund seiner charakteristischen Entwicklung auch als "Nukleationsbanane" bezeichnet. Im Fichtelgebirge konnten bei ersten Messungen im Rahmen des BMBF-Verbundprojektes BEWA2000 an etwa jedem fünften Sommertag typische "Nukleationsbananen" beobachtet werden. Die ausgedehnten Nadelwaldflächen der Ostbayerischen und Thüringisch-Fränkischen Mittelgebirge setzen besonders bei Sonnenschein und warmen Temperaturen große Mengen leichtflüchtiger organischer Verbindungen frei, die zum Wachstum neu gebildeter Partikel beitragen. In einer Untersuchung der Universität Bayreuth wurde gezeigt, dass das beobachtete Partikelwachstum über dem Fichtelgebirge nur erklärt werden kann, wenn man einen beträchtlichen Beitrag von bis zu 90% durch natürlich freigesetzte organische Verbindungen annimmt.

Abb. 2: 'Nukleationsbanane': Entwicklung der Partikelgrößenverteilung während eines Partikelneubildungsereignisses am 03. Juli 2002 im Fichtelgebirge.(kenntlich gemacht durch Farbverteilung, eine helle Partie erinnert an die Form einer Banane) - © Andreas Held

Abb. 2: "Nukleationsbanane": Entwicklung der Partikelgrößenverteilung während eines Partikelneubildungsereignisses am 03. Juli 2002 im Fichtelgebirge.
© Andreas Held

Allerdings spielen Wälder neben ihrem Beitrag zur natürlichen Partikelneubildung und zum raschen Partikelwachstum auch eine wichtige Rolle bei der Entfernung von Feinstaub aus der Atmosphäre. So können in Nadelwäldern mit einem dichten Kronenraum und großer Nadeloberfläche luftgetragene Aerosolpartikel sehr effektiv aus der Atmosphäre ausgekämmt werden. Zudem ist der Austausch zwischen der Atmosphäre und der Boden- oder Pflanzenoberfläche über Wäldern im Allgemeinen stärker als über freien ebenen Flächen. Tatsächlich wurde auch im Fichtelgebirge häufig eine starke Deposition von Aerosolpartikeln, also eine Entfernung von Feinstaub aus der Atmosphäre, beobachtet und gemessen. Da diese Depositionsprozesse jedoch recht komplex sind und sehr stark von der Größe der einzelnen Partikel abhängen, sind aufwendige Messverfahren notwendig, um den partikulären Eintrag von Spurenstoffen in Wälder zuverlässig abschätzen zu können.

Die Untersuchungen der letzten Jahre deuten darauf hin, dass Wälder in den meisten Fällen eine Senke hinsichtlich der Partikelmasse sind, aber häufig eine regional bedeutende Quelle hinsichtlich der Partikelzahl. Da wir jedoch bis heute nicht vorhersagen können, wann wie viele neue Partikel durch natürliche Emissionen aus Wäldern gebildet werden, ist eine Abschätzung des Einflusses dieser Partikelquelle auf das Klima sehr schwierig. Um die bestehenden Wissenslücken zu schließen, bearbeiten wir an der Universität Bayreuth momentan eine Reihe von Projekten. So werden in verschiedenen Master- und Doktorarbeiten einzelne Aspekte der Partikelneubildung in Smogkammer-Simulationen (Abb. 3) detailliert im Labor untersucht. Mit einem neu angeschafften Partikelgrößen-Spektrometer sollen ab diesem Frühjahr im Fichtelgebirge regelmäßig natürliche Partikelneubildungsereignisse identifiziert und charakterisiert werden. Und schließlich wird aktuell im Rahmen einer Doktorarbeit eines der weltweit ersten Messinstrumente entwickelt, das in der Lage sein wird, die chemische Zusammensetzung der neugebildeten Aerosolpartikel direkt vor Ort zu analysieren. Von der direkten Bestimmung der beteiligten chemischen Verbindungen erhoffen wir uns weitreichende Einblicke in die Partikelneubildungsprozesse über Wäldern und einen großen Schritt in Richtung einer Vorhersagbarkeit dieser Ereignisse.

WebLink: www.bayceer.uni-bayreuth.de/atmos


Autor

Prof. Dr. Andreas Held

Seit 2009 betreibt Andreas Held als Juniorprofessor für Atmosphärische Chemie an der Universität Bayreuth experimentelle Aerosolforschung. Zentrale Fragestellungen der aktuellen Forschungsarbeiten sind die Quantifizierung des partikelgebundenen Stoffaustausches zwischen der Biosphäre und der Atmosphäre sowie die Identifizierung und Aufklärung von Prozessen, die zur sekundären Aerosolbildung in der Atmosphäre beitragen.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. 1: "Blauer Dunst" über den Great Smoky Mountains, USA. Foto: privat

Abb. 3: Partikelneubildung im Labor: Durch Oxidation natürlicher organischer Verbindungen entsteht unter kontrollierten Bedingungen eine Feinstaubwolke. Foto: Johannes Ofner


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Quelle:
spektrum, Ausgabe 1, Mai 2011, Seite 58-60
Herausgeber: Universität Bayreuth
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"spektrum" erscheint dreimal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. November 2011