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STIMMEN/069: Für mehr Gendergerechtigkeit in den Klimaverhandlungen (frauen*solidarität)


frauen*solidarität - Nr. 142, 4/17

Nicht ohne uns!
Für mehr Gendergerechtigkeit in den Klimaverhandlungen

von Linda Ederberg


Klimawandel und Klimapolitik sind nicht zuletzt eine Frage von Gerechtigkeit - zwischen Nord und Süd -, aber auch von Geschlechterdisparitäten in jedem einzelnen Land, auch in Europa. Ohne die Gerechtigkeitsfrage anzugehen, ist eine echte Lösung der Klimaproblematik nicht möglich. GenderCC - Women for Climate Justice ist ein Netzwerk aus Organisationen, Expert_innen und Aktivist_innen aus aller Welt, die sich zusammengeschlossen haben, um gemeinsam für eine geschlechtergerechte Klimapolitik zu kämpfen.


Bei der Verursachung des Klimawandels bestehen vielfältige Wechselwirkungen mit individuellen Verhaltensweisen und gesellschaftlichen Strukturen. Einkommen, Herkunft, Alter und Geschlecht sind einige der Faktoren, die die Lebenssituationen und damit auch die Lebensstile und den CO2-Ausstoß von Menschen beeinflussen. Der Klimawandel wirkt sich auf die Geschlechter unterschiedlich aus. Diese Unterschiede zeigen sich z. B. in der Verfügbarkeit von Ressourcen wie Zeit und Geld, der Bewertung von Arbeit oder im politischen Einfluss. Obwohl dies international durchaus anerkannt ist, bleiben die Genderaspekte in klimapolitischen Maßnahmen und Programmen in der Regel unberücksichtigt.


Beteiligung von Frauen an Klimakonferenzen

Die erste UN-Klimakonferenz fand 1995 in Berlin statt. Parallel zur Klimakonferenz veranstaltete die lokale Organisation Frauen für Frieden und Ökologie ein internationales Frauenforum mit dem Titel "Solidarität im Gewächshaus", an der mehr als 200 Frauen aus 25 Ländern teilnahmen und ihre Ansichten zum Klimaschutz diskutierten. Ein Forderungskatalog wurde damals von den Delegierten erarbeitet, der leider heute noch relevant ist: mehr Teilhabe von Frauen in den UN-Klimaverhandlungen und die durchgängige Berücksichtigung von Genderaspekten im Klimaprozess, damit sich Geschlechterungerechtigkeiten durch den Klimawandel oder durch ungeeignete Klimaschutzmaßnahmen nicht noch verstärken.

Denn immer noch sind Frauen unterrepräsentiert: So waren bei der Klimakonferenz 2015 in Paris nur weniger als ein Fünftel der Delegierten Frauen. Doch seit der ersten Klimakonferenz wurden auch Fortschritte im Kampf für mehr Geschlechtergerechtigkeit erzielt: So haben sich die internationalen Aktivistinnen in der Women and Gender Constituency (WGC) zusammengeschlossen, um ihre Forderungen zu bündeln und koordiniert auftreten zu können. Seit 2011 ist die WGC als eine der offiziellen Beobachter_innengruppen innerhalb der Klimarahmenkonvention anerkannt und verfolgt die Verhandlungen direkt.


Erster Gender-Aktionsplan unter der Klimarahmenkonvention

Auf der vergangenen Vertragsstaatenkonferenz vom 5. bis 17. November 2017 in Bonn wurde endlich der erste Gender-Aktionsplan unter der Klimarahmenkonvention verhandelt: ein Meilenstein der langjährigen Bemühungen im Kampf für mehr Gendergerechtigkeit in der Klimapolitik. Der Gender-Aktionsplan soll die Vertragsstaaten zur nationalen Umsetzung von geschlechtergerechter Klimapolitik anhalten und die notwendigen finanziellen Mittel dafür bereitstellen.

Aber erst die zukünftige Implementierung auf nationaler Ebene wird zeigen, wie effektiv der Aktionsplan sein kann. Er muss alle bestehenden Beschlüsse mit Genderbezug bei der Umsetzung unterstützen. Er sollte die gleichberechtigte Partizipation von Frauen fördern sowie Wissen und Fähigkeiten von Delegierten, internationalen und nationalen Entscheidungsträger_innen verbessern. Und er kann nur wirksam sein, wenn ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden. Außerdem muss ein Koordinierungsmechanismus eingerichtet werden, der Synergien zwischen den UN-Organisationen, den nationalen und lokalen Regierungen sowie Frauen- und Gender-NGOs und Grassroots-Aktivist_innen ermöglicht. Indikatoren, Ziele und eine effektive Überwachung sollen die Effektivität des Gender-Aktionsplans gewährleisten.


Umsetzung von geschlechtergerechter Klimapolitik in Großstädten

So wie die Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Gender immer mehr internationale Beachtung finden, werden auch die spezifischen Herausforderungen, vor denen die Städte angesichts des Klimawandels stehen, zunehmend erkannt. Eine gut konzipierte Klimapolitik auf städtischer Ebene kann Geschlechterungerechtigkeiten beseitigen und nachhaltige Lösungen fördern. Die Initiative Gender in Urban Climate Change befasst sich derzeit mit dieser Schnittstelle von Stadtpolitik, Klima und Gender. Die Pilotstädte sind die Millionenstädte Mumbai und Delhi in Indien, Jakarta und Makassar in Indonesien und Johannesburg und Tshwane in Südafrika. In Großstädten akkumulieren sich die Herausforderungen für geschlechtergerechte Klimapolitik: Hier wird der Großteil der globalen CO2-Emissionen erzeugt, und die Auswirkungen des Klimawandels sind besonders deutlich spürbar, denn Menschen, die in Armut, auf engem Raum und ohne Zugang zu Grünflächen leben, leiden besonders stark unter den Folgen der Erderwärmung. Gleichzeitig haben kommunale Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen das Potenzial, soziale Ungerechtigkeiten aufzubrechen, wenn sie entsprechend gestaltet und umgesetzt werden.

Mit den Partner_innenorganisationen All India Women's Conference (AIWC) in Indien, Aksi! for gender, social and ecological justice und Solidaritas Perempuan in Indonesien sowie GenderCC Southern Africa in Südafrika werden Methoden, Strategien und praktische Ansätze für geschlechtergerechte Maßnahmen erarbeitet, z. B. für den Zugang von benachteiligten Frauen in informellen Siedlungen zu nachhaltigen Energie- und Verkehrsdienstleistungen. Damit werden die Grundlagen gelegt für die Umsetzung von klimapolitischen Strategien und Maßnahmen auf städtischer Ebene, die eine hohe Genderrelevanz haben, wie z. B. der Ausbau von sicherem und gut zugänglichem öffentlichem Nahverkehr, der sich an den Bedürfnissen und Verhaltensmustern von Frauen und Mädchen ausrichtet. Dabei übernehmen die lokalen Organisationen in den Projektländern die Führung.

"Wir wollen den Anstoß geben für eine breite, schlagkräftige Bewegung von Frauen, die es nicht mehr hinnehmen, bei klimapolitischen Entscheidungen übergangen zu werden", betont Dorah Marema, Leiterin von GenderCC Southern Africa. "Wir leiden am meisten unter den Folgen. Jetzt wollen wir endlich gehört werden."


Anmerkung:
Die Berichte von GenderCC über die UN-Klimakonferenz sind nachzulesen auf facebook unter genderCC, auf twitter @genderCC und auf www.gendercc.net. Die Beobachterinnengruppe Women and Gender Constituency berichtete auf www.womengenderclimate.org.


Zur Autorin:
Linda Ederberg ist Politikwissenschaftlerin, derzeit Projektkoordinatorin von Gender into Urban Climate Change Initiative und im Sekretariat des internationalen Netzwerkes GenderCC - Women for Climate Justice in Berlin angestellt.

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Quelle:
frauen*solidarität Nr. 142, 4/2017, S. 18-19
Medieninhaberin und Herausgeberin:
Frauensolidarität im C3 - feministisch-entwicklungspolitische
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. März 2018

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