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BIENEN/095: Umfrage der Bieneninstitute zu Einwinterungsverlusten bei Bienenvölkern (Honighäuschen)


Imkerei Honighäuschen
NEWSLETTER - Bonn, den 30. Oktober 2009

WAS BRINGT DER WINTER 2009/2010 DEN BIENEN?

Zur Umfrage des Bieneninstitutes Mayen


Sehr geehrte Damen und Herren,

in diesen Tagen haben wir Imker die Einwinterung der Bienenvölker abgeschlossen. Hier und da kontrolliert man als Imker noch die Futtervorräte der Bienenvölker, gibt dem einen oder anderen Bienenvolk noch eine Ergänzung zum Winterfutter und hofft ansonsten auf einen Winter, der nicht allzu vielen Bienenvölkern den Garaus macht. Dabei ist es so, daß es nicht der Winter ist, der den Bienen Probleme bereitet. Ein Bienenvolk, welches genügend Bienen (zwischen 10-15.000 Bienen), genügend Futtervorräte (etwa 15-20kg) und einen ruhigen, trockenen, mäusesicheren Standort hat, kommt problemlos über einen kalten und harten Winter. Hat man Bienenvölker wie oben beschrieben, muß man mit maximal 5-10% Verlust bei den Bienenvölkern rechnen. So kenne ich es aus den Anfängen meiner Imkerei in den 80ern - vor der Invasion durch die Varroamilbe. Als Schüler habe ich immer zwischen 10-15 Bienenvölker eingewintert und auch meistens wieder so ausgewintert. Hin und wieder starb eine Bienenkönigin, dann vereinigte ich die restlichen Bienen mit dem Nachbarvolk. Später wurden dann Jungvölker gebildet und der Bestand war wieder wie geplant.

Mit der Varroamilbe wurde dies anders. Zunächst reichte es, im Winter eine Behandlung durchzuführen, doch die Varroamilbe paßte sich an. Es kam neue Konzepte und Behandlungsmittel, die ökologische Imkerei entwickelte sich. Mittlerweile ist es so, daß den Imker nicht mehr so sehr der Winter Sorgen bereitet, die Nachsommerpflege nach der letzten Honigernte ist der entscheidende Faktor geworden. In dieser Phase muß der Imker für eine größtmögliche Reduzierung der Milben sorgen, denn im Spätsommer entstehen die langlebigen Winterbienen, die das Bienenvolk über den Winter bringen. Nach meiner Honigernte im Juli habe ich aus meinen Bienenvölkern die komplette Brut entnommen, in der der Großteil der Milben sitzt und vernichtet. Das hört sich brutal an, ist aber sinnvoll, denn die von den Varroamilben geschädigte Brut entwickelt sich nicht mehr zu gesunden Bienen. Varroamilben übertragen auch Viren, also weitere Belastungen. Die erwachsenen Bienen wurden mit einer 3,5%igen Oxalsäurelösung behandelt, das tötet den überwiegenden Rest der Milben ab. Dieses Verfahren ist gängig und wird von den Bieneninstituten als in mehrfacher Hinsicht als sicher empfohlen. Die so verbliebenen Bienenvölker haben mit Beginn der Auffütterung bis in den Herbst hinein genügend Zeit, etwa 3-4 gesunde Bienengenerationen könnten entstehen - mehr als genug, um über den Winter zu kommen. In der brutfreien Periode im Winter steht dann noch eine Restbehandlung an, damit wäre dann die Basis gelegt für eine gute Saison im kommenden Jahr.

Bei mir hat das nicht geklappt. Von 95 so behandelten Völkern leben jetzt noch etwa 50 und ich wage es fast nicht mehr, unter den Deckel der verbliebenen Völker zu schauen. Ende August setzte das Grauen ein, plötzlich brachen Völker zusammen, die Bienen waren weg. Bei den ersten Anzeichen behandelte ich alle Bienenvölker mit Ameisensäure, verdunstende Ameisensäure tötet Varroamilben sehr zuverlässig ab, ebenfalls ein von den Bieneninstituten getestetes und empfohlenes Verfahren. Es regnete Milben, tausende der braunen Blutsauger fielen von den Bienen. Milbenmassen, die eigentlich nicht da sein sollten, hatte ich doch schon im Juli umfassend behandelt.

Es gibt ein Phänomen, das unbeachtet blieb - den Fehler habe ich gemacht. Die sogenannte Reinvasion aus nicht oder schlecht behandelten Völkern sorgt für eine neuerliche Masse an Milben in den Bienenvölkern. Diese Völker können bis zu 3km entfernt sein, das sind zum Beispiel Bienenvölker, die aufgrund der Inkompetenz ihrer Halter verwahrlosen und zu Milbenzuchtbasen werden. Werden solche Völker von wieder erstarkten, weil behandelten Völkern ausgeraubt, infizieren sich die Bienen von neuem. Es können so binnen kurzem Tausende von Milben in die Völker eingetragen werden. Wie schon in einem vorangegangenen Imkerbrief beschrieben, haben wir eine imkerliche Szene, die solches geradezu fördert. Jedem Deppen, dem man ein Bienenvolk in die Hände drücken kann, nennt man Imker. Es gibt keinen Sachkundenachweis für Imkerei, gerade im Entstehen begriffen und von den alteingesessenen Hobbyimkern mißtrauisch beäugt ist das Konzept "Geprüfter Freizeitimker", eine auf Freiwilligkeit beruhende Ausbildung jener, die mit der Imkerei beginnen wollen.

Nehmt den Tierquälern die Bienen weg!

Sinnvoller wäre es, diesen "Geprüften Freizeitimker" auf eine gesetzliche Basis zu stellen - entsprechend dem Jagd- oder Angelschein. Und dies möglichst schnell. Nachdenken müßte man auch über eine nachträgliche Eignungsprüfung für jene "Imker", denen die Bienen laufend wegsterben sowie eine durch den Amtsveterinär zu überprüfende und angeordnete einheitliche Varroabekämpfung. Tierquälern nimmt man die Tiere weg und wenn Bienen schreien könnten, dann würde aus so mancher "Imkerei" ein Geschrei ertönen, das die Folterverliese der Inquisition als Ferienparadies erscheinen ließe.

Derzeit betreue ich eine Anfängerin, die trotz einer lebensgefährlichen Bienengiftallergie mit momentan stationär erfolgender Desensibilisierung und mehreren anapylaktischen Schocks nicht von der Imkerei lassen möchte. Sie hat selber eine medizinische Ausbildung und ist als Apothekerin tätig, kann mit Tierarzneien umgehen und hielt sich auch bei der Varrobehandlung an die Empfehlung der Bieneninstitute. Auch sie hat Verluste, die so nicht sein dürften. Gleichzeitig mit ihr wird eine andere Imkereianfängerin gegen eine starke Bienengiftallergie behandelt. Diese berichtete aus ihrem Imkerverein, einer Ansammlung von "Imkermumien", daß dort die Ansicht vertreten wird, 20-40% Verlust seien normal und man könne sich ja neue Bienen kaufen. Ihre Verweise auf Empfehlungen aus Fachkreisen wurden abgetan und als Anfängerin (will sagen als "Frau") möge sie doch bitte still sein. In Bonn Bad Godesberg gibt es einen Imkerverein, dessen neun Mitglieder sich einmal im Jahr zum Einsammeln der Vreinsbeiträge treffen. Dessen jüngstes Mitglied ist 58, das älteste ist 94 Jahre alt. In diesem Zusammenhang von Karteileichen zu sprechen, mag despektierlich erscheinen, kommt der Realität aber auf eine erschreckende Weise näher als man denkt. Es gibt darüberhinaus einen großen Kreis nichtorganisierter Imker, größtenteils Spätaussiedler aus den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion, deren imkerliches Fachwissen man nur schwer quantifizieren kann. (O-Ton eines Imkers mit kasachischem Migrationshintergrund: "Oi, haben wir in där alten Häimat trockene Tonnennadeln in die Bienen gesträit, hat geholfen geggen die Milbä, abär gibt es hier wohl andere Tonnen, nix helfen geggen Milbän, muuss man nähmen andärä Mittelchän!"

Nach Aussagen von Dr. Peter Rosenkranz/Universität Hohenheim, basierend auf einem repräsentativen Test des Wissens bienenbiologischer Zusammenhänge in durchschnittlichen Imkervereinen, müßte man einem Großteil dieser Imker die Bienen wegnehmen. Ich würde noch einen Schritt weitergehen und zahlreiche Imkervereine zwangsweise auflösen. Nimmt man das imkerliche Fachwissen und den darauf basierenden Umgang mit den Bienen als zu bestrafende Tierquälerei, kann man solche Imkervereine eher der organisierten Kriminalität zuordnen bzw. der Massentierhaltung in der Geflügelzucht (Batteriehennen) oder den seinerzeit mit EU-Mitteln geförderten Transporten halb verdurstenden Schlachtviehs durch Europa.

Verbandskreise mauern

In der Annahme, daß nur ein Verband mit möglichst hohen Mitgliederzahlen ein Mitspracherecht beanspruchen kann, sind weite Teile der Freizeitimkerschaft davon überzeugt, daß eine weitere Regelung der Imkerei der Bedeutung der Imkerverbände abträglich sei, führte sie doch angeblich zu einer Austrittswelle. Ich finde jedoch, daß ein Imkerverband ein Popanz ist, wenn seine Mitglieder sich nachsagen lassen müssen, ihre Hausaufgaben nicht zu beherrschen. Und solcherart ein Lebensmittel namens "Echter Deutscher Honig" erzeugen zu wollen, ist sehr fragwürdig.

Umfrage der Bieneninstitute zu den Einwinterungsverlusten

Wie jedes Jahr, wird von Seiten des Mayener Bieneninstitutes eine Umfrage zum Zustand der Bienenvölker durchgeführt. Dr. Otten erhebt auf freiwilliger Basis Daten, an denen sich jedes Jahr viele Imker beteiligen. Nach dem, was die imkerliche Buschtrommel so von sich gibt (und was ich selber erlebe), ist diesen Winter mit deutlich mehr Verlusten zu rechnen als es üblich ist und vor allem als es nötig wäre. Und dann wird in der Auswinterungsphase wieder das große Geschrei in den Vereinen anheben über das Bienensterben. Ich sehe schon die kommenden Schlagzeilen über das deutsche Colony Collapse Disorder 2010 und allerlei Mutmaßungen über die Verursacher. An vorderster Stelle werden viele Imker die Neonicotinoide anführen und den Anbau genmanipulierter Pflanzen. Um es auch hier noch einmal klar zu stellen, auch für mich stellen die Neonicotinoide eine riesige Gefahr für die Bienen (und andere Blütenbesucher) dar und sie gehören verboten ebenso wie der Anbau genmanipulierter Pflanzen. Ich halte Konzerne wie Monsanto für größere Verbrecher als Osama bin Laden und ebenso wünsche ich mir, daß Verbrechen an der Umwelt den gleichen Rang im internationalen Strafrecht einnehmen wie Kriegsverbrechen und Völkermord.

Aber mit den Bienenverlusten dieses kommenden Winters wird das Konto "Imkerliche Inkompetenz" belastet werden müssen. An der Varroamilbe muß kein Bienenvolk sterben.

Zur Umfrage (Link: https://sec2.dlr.rlp.de/Internet/Bienenkunde/umfrage_BI.nsf/
1d0998dcedf36111c125736b0053e54a/b828e52e6e054629c125765c003eb778?OpenDocument)
oder direkt: https://sec2.dlr.rlp.de/Internet/Bienenkunde/umfrage_BI.nsf/
1d0998dcedf36111c125736b0053e54a/b828e52e6e054629c125765c003eb778?OpenDocument


Einführung eines Sachkundenachweises zur Bienenhaltung

Ein solcher Bienenführerschein samt der Übernahme der Varroabekämpfung durch die Amtsveterinäre ist meiner Ansicht nach dringend geboten. Hier könnten sich politische Vertreter verdient machen und die Imkerei auf eine zukunftsfähige Basis stellen. Aber ich hege starke Zweifel daran, daß es dazu in absehbarer Zeit kommt. Dafür ist die Imkerei nicht interessant genug, da Bienen nun mal keine Wähler sind. Außerdem kann man den Agrokonzernen damit ein gutes Argument gegenüber der Imkerschaft an die Hand geben, denn die Agrokonzerne können mit Fug und Recht die Imker auffordern, erstmal die eigenen Hausaufgaben zu machen, bevor man mit den Fingern auf die Pflanzenschutzmittel zeigt.

Ich würde meine komplette Honigernte darauf verwetten, daß so weiter gewurschtelt wird wie bisher. Dem oder den Bundestagsabgeordneten, der/die innerhalb dieser Legislaturperiode eine erfolgreiche Gesetzesinititative zur Einführung eines verpflichtenden Sachkundenachweises zur imkerei auf die Beine stellen, spende ich meine komplette Honigernte eines Jahres, meinetwegen mit der Maßgabe der Weitergabe an eine karitative Organisation.


Umzug mit den überlebenden Bienen in 2010

Im kommenden Jahr werde ich den überlebenden Teil meiner Bienenvölker aus der Umgebung Bonns abziehen, da ich in Reichweite ein Gebiet ausfindig gemacht habe, das nahezu frei ist von inkompetenten Hobbyimkern. Es ist auf die Dauer unbefriedigend, mit Leichen zu arbeiten. In den 80ern als kleiner Junge wußte ich nicht wohin mit den vielen Bienenvölkern, so sehr vermehrten sich die Bienen. Mein erstes Bienenvolk kostete samt Kasten 50 DM, das war 1982. Ich hatte nie genug Kisten. Heutzutage schaffe ich es nicht einmal mehr, meinen Bestand zu halten. Und heute kostet ein Bienenvolk samt Kasten um die 200 EURO. Mit der Inflation allein ist das nicht zu erklären.

Mit freundlichen Grüßen

Klaus Maresch


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Quelle:
Bioland-Imkerei Honighäuschen
Newsletter, 30. Oktober 2009
Estermannstraße 139, 53117 Bonn
Tel.: 0228/4220850, Fax: 0228/4220860
E-Mail: imkerei@t-online.de
Internet: www.honighaeuschen.de, www.honigmet.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. November 2009