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ERNÄHRUNG/089: (Food)miles and more - Aspekte klimafreundlicher Ernährung (Böll Thema)


Böll THEMA - Ausgabe 2/2010
Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung
Landwirtschaft und Klimawandel

(Food)miles and more
Aspekte klimafreundlicher Ernährung

Von Jenny Teufel, Öko-Institut Freiburg


Die öffentliche Diskussion um den globalen Klimawandel thematisiert mittlerweile auch die Klimabilanz der Ernährung. Insgesamt trägt die Ernährung in Deutschland mit jährlich rund 4,4 Tonnen klimarelevanter Emissionen pro Durchschnittshaushalt - dies sind 16 Prozent - zu den Treibhausgasemissionen bei, die durch privaten Konsum verursacht werden.

Um die von Menschen verursachte Erderwärmung auf 2° C zu begrenzen, stellt sich die Frage, welche Akteure an welchen Stellen der Wertschöpfungskette von Lebensmitteln Emissionen reduzieren können und welche Maßnahmen effizient sind. Die Zusammenhänge der Lebensmittelproduktion sind komplex, so dass allgemeine Empfehlungen nur schwer abzuleiten sind.

Generell kann aus Klimaschutzgründen der Kauf von saisonal produziertem regionalen Obst und Gemüse befürwortet werden. Selbst der Energieverbrauch für die gekühlte Lagerung von regionalen Produkten ist geringer als der Energiebedarf für den Transport aus Übersee, wie beispielsweise im Frühjahr die Äpfel aus Neuseeland. Wächst die regionale Ware allerdings, wie bei Salat gängig, in beheizten Gewächshäusern, so schneiden im Freiland produzierte überregionale Produkte aus Klimaschutzgründen besser ab, solange sie nicht mit dem Flugzeug transportiert werden. Spielen nachfolgende Verarbeitungsprozesse des Produktes eine Rolle, etwa durch Backen von Brot oder die Herstellung von Nudeln, so schneidet die regionale Produktion in kleinen Produktionsstätten trotz geringerer Distributionsentfernungen unter Klimaschutzaspekten häufi g schlechter ab als die industrielle Produktion, da die Herstellungsprozesse in größeren Unternehmen in der Regel energieeffizienter sind.

Bei Fleisch wird der Sachverhalt noch komplexer. Hier spielen die Haltung, die Fütterung, der Anbau von Futtermitteln und die Produktion von Koppelprodukten wie Milch sowie die Landnutzungsänderungen eine große Rolle, so dass bislang - bis auf eine Reduktion des Fleischkonsums - keine generellen Empfehlungen ausgesprochen werden können. Mehrere Studien zeigen jedoch, dass Gütertransporte in der Regel einen relativ geringen Anteil an den Gesamttreibhausgasemissionen eines Produktes haben. Entsprechend einer typisierenden Betrachtung der Produktzyklen von Lebensmitteln, die in einem durchschnittlichen Haushalt 2000 verzehrt werden, ist der Transport für rund drei Prozent dieser Emissionen verantwortlich. Selbst bei Lebensmitteln, die aus Übersee nach Deutschland importiert werden, macht ihr Transport, sofern er per Schiff, LKW und/oder Güterzug erfolgt, nur einen geringen Anteil aus. Transporte mit dem Flugzeug sind weit weniger umweltfreundlich: Bislang unveröffentlichte Berechnungen des Öko-Institutes haben ergeben, dass zum Beispiel der per Luftfracht transportierte frische Fisch das Vierfache der Treibhausgasemissionen nach sich zieht wie der per Schiff transportierte gefrorene Fisch.

2006 hat der Transport von Lebensmitteln per Luftfracht nach Deutschland Treibhausgase in Höhe von 1,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten produziert. Und die Tendenz zur Luftfracht ist steigend. Vergleicht man diese Zahl mit der Importmenge, so zeigt sich, dass die Luftfracht zwar lediglich 0,7 Prozent der Verkehrsleistung der Lebensmittelbranche stellt, gleichzeitig verursacht sie aber rund 16 Prozent der Treibhausgasemissionen. Der Verzicht auf Flugware kann daher generell als Empfehlung für ein klimafreundliches Konsumverhalten ausgesprochen werden.

Bei einer Betrachtung des gesamten Bedürfnisfeldes «Ernährung» - von der landwirtschaftlichen Produktion über die Verarbeitung, Distribution, Lagerung und den Handel bis hin zur Aufbewahrung, Zubereitung und Entsorgung im Haushalt -kann festgehalten werden, dass Maßnahmen, die auf eine Reduktion der Gütertransporte (abgesehen von Flugtransporten) setzen, nur einen sehr geringen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasbilanz leisten können. Deutlich größere Effekte sind von Maßnahmen zu erwarten, die die Effizienz von Produktions- und Lagerungsprozessen steigern.

Für die Verbraucher bedeutet das, dass sie durch eine Ausstattung des eigenen Haushaltes mit effizienten Haushaltsgeräten einen nicht geringen Beitrag zum Klimaschutz leisten können. Auch das eigene Verhalten ist von Bedeutung. Die Einkaufsfahrt mit dem Auto zum acht Kilometer entfernten Bauernhof für zwei Kilo Äpfel macht die günstige Klimabilanz des regional produzierten Produktes schnell zunichte.

Die Zahlen und Statistiken im Text haben wir Wiegmann et al (2005), Reinhardt et al (2009) und Havers (2008) entnommen.


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Quelle:
Böll THEMA - Ausgabe 2/2010, Seite 22-23
Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juli 2010