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FISCHEREI/205: Besatzfisch - Hand in Hand für eine nachhaltige Angelfischerei (verbundjournal)


verbundjournal - Dezember 2010
Das Magazin des Forschungsverbundes Berlin e.V.

Besatzfisch - Hand in Hand für eine nachhaltige Angelfischerei

Von Robert Arlinghaus, Eva-Maria Cyrus & Gesine Wiemer


Das Einsetzen von Fischen in Angelgewässer (Fischbesatz) ist eine wesentliche Bewirtschaftungspraxis von Fischbeständen in Binnengewässern. Seit Januar 2010 untersucht die Nachwuchsforschergruppe Besatzfisch am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) die sozialen, ökologischen und ökonomischen Dimensionen von Fischbesatz in der Angelfischerei. Das inter- und transdisziplinäre Projekt wird vom BMBF im Programm für Sozial-Ökologische Forschung über einen Zeitraum von vier Jahren gefördert.

Die Hobbyfischerei hat eine unterschätzte gesellschaftliche Bedeutung. Nach repräsentativen Umfragen des IGB gehen fast 3,3 Millionen Personen in Deutschland mehr oder weniger regelmäßig angeln. Etwa die Hälfte aller Angler ist hierzulande in Vereinen organisiert. Angelvereine und -verbände sind nicht nur zur Nutzung von Fischbeständen berechtigt, sie sind ebenso zu deren Hege und Pflege verpflichtet. Eine bedeutende Bewirtschaftungsmaßnahme ist der Fischbesatz - eine Praxis mit großer Bedeutung für den Artenschutz und den Erhalt der Fischerei, aber auch mit dem Potenzial unerwünschter Nebenwirkungen.

Fischbesatzmaßnahmen werden z. B. durchgeführt, um natürliche Fortpflanzungsengpässe zu kompensieren und das fischereiliche Potenzial zu erhalten. Da viele Gewässer von häufig irreversiblen anthropogenen Habitatveränderungen betroffen sind, kann das Einbringen von Fischen zur Bestandsstützung in vielen Fällen als nachhaltig bezeichnet werden, z. B. in monotonen Fließgewässern, strukturlosen Baggerseen oder Angelteichen. Risiken lauern, wenn durch Fischbesatz Krankheitserreger eingeführt werden. Auch gibt es Befürchtungen, dass das Eintragen nicht standortangepasster Gene durch Fischbesatz das natürliche Adaptationspotential von Wildfischpopulationen als Folge von Hybridisierungen zwischen Wild- und Satzfischen nachteilig beeinflussen könnte. Dem steht das Argument gegenüber, dass die natürliche Selektion schlecht angepasste Gene rasch aus einer Population eliminiert, so dass auch in besetzten Gewässer langfristig die Individuen überleben sollten, die am besten an die herrschenden ökologischen Bedingungen angepasst ist. Dieser Effekt würde die genetischen Risiken von Fischbesatz lindern. Zu diesen Fragen fehlen fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse. Ebenso ist für viele heimische Fische unbekannt, unter welchen konkreten ökologischen Bedingungen sich besetzte Fische gegen angestammte Wildfische durchsetzen, beispielsweise bei der Konkurrenz um Nahrungsressourcen oder Einstände. Die Beantwortung dieser und anderer Fragen rund um den Fischbesatz ist von großer sozialer und wirtschaftlicher Bedeutung, nicht zuletzt weil der Zukauf von Fischen mit hohen Kosten für die Angelvereine verbunden ist. Unabhängige, praxisorientierte Forschungsarbeiten sind notwendig, um die künftige Fischbesatzpraxis in der Angelfischerei aus sozio-ökonomischer und ökologischer Sicht zu optimieren.

Durch ausgewählte Fallstudien an anglerisch bedeutsamen Arten wie Hecht, Karpfen und Äsche, durch modellgestützte Analysen sowie durch qualitative und quantitative Umfragen wollen die IGB-Wissenschaftler Antworten auf drängende Fragen rund um den Fischbesatz finden. Das achtköpfige interdisziplinäre Nachwuchsforscherteam unter Leitung von Prof. Robert Arlinghaus setzt sich zusammen aus Biologen, Fischereibiologen, Soziologen, Psychologen und Systemwissenschaftlern. Besatzfisch arbeitet Hand in Hand mit einer Vielzahl lokaler Angelvereine - ein Kennzeichen transdisziplinärer Forschung. In den Vereinen finden praktische Besatzexperimente, Befragungsstudien, Seminare und Workshops statt. Neben praxisrelevanten Ergebnissen erhofft sich Besatzfisch, dass der inter- und transdisziplinäre Forschungsansatz, der die Gruppe auszeichnet, als wesentliches Element künftiger Forschungsansätze in der Umweltforschung etabliert wird.

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Der Fischbesatz ist wichtig für den Artenschutz und den Erhalt der Fischerei


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Quelle:
verbundjournal Nr. 84, Dezember 2010
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"Verbundjournal" erscheint vierteljährlich und ist kostenlos.


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2011