Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → LANDWIRTSCHAFT


INITIATIVE/242: Open Source für Saatgut (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2017

Jobs, Jobs, Jobs
Gute Arbeitsplätze in einer nachhaltigen Zukunft?

Open Source für Saatgut
Eine Alternative zu Patenten und Sortenschutz

von Ursula Gröhn-Wittern


Patente auf Saatgut und auch der Sortenschutz werden kritisch gesehen. Sogar unter den ZüchterInnen selbst wächst die Angst, dass der durch Patente erschwerte Zugang zu Zuchtmaterial in Zukunft den Fortschritt gefährden könnte, denn der Austausch genetischen Materials unter den ZüchterInnen klappt schon längst nicht mehr so, wie er sollte. Die geplanten und zum Teil schon genehmigten Mega-Übernahmen der Saatgutmulties (Bayer-Monsanto, ChemChina-Syngenta, Dow-Dupont) lassen da nichts Gutes ahnen. Alternativen werden gesucht.


Internationale Abkommen wie das Nagoya-Protokoll, das Teil der Konvention über biologische Vielfalt ist, und das sogenannte 'Access und Benefit Sharing' (ABS, Nutzenteilhabe) regeln sollte, hat versagt, die gerechte Teilhabe des finanziellen Vorteils aus der Nutzung genetischer Ressourcen zu regeln. Andere Abkommen wie der internationale Saatgutvertrag der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) oder das TRIPs-Abkommen der Welthandelsorganisation sind in den Verhandlungen an einem toten Punkt angekommen. Die internationale Gemeinschaft hat sich bei den Verhandlungen zur Lösung des ABS-Problems komplett festgefahren. Deshalb hat sich in einem Projekt von AGRECOL e. V. eine Gruppe aus AgrarwissenschaftlerInnen, RechtsanwältInnen und ZüchterInnen darangemacht, zu prüfen, inwieweit es möglich ist, die Idee des "Open Source" (wörtlich: offene Quelle) aus dem IT-Bereich auf Saatgut zu übertragen. Im besten Fall könnte damit die Saat wieder zum Allgemeingut werden - so wie es Jahrhunderte lang war - und trotzdem den ZüchterInnen ein Auskommen sichern.


Was bedeutet es, wenn Saatgut unter der Open Source-Lizenz angemeldet ist?

Schnell war klar: Eine Übertragung eins zu eins ist nicht möglich, weil es sich bei Saatgut um sich vermehrende Lebewesen handelt. Orientierung bot eine schon länger existierende Initiative in den USA unter Jack Kloppenburg. Diese "schützt" ZüchterInnen allerdings nur durch ein Versprechen der weiteren NutzerInnen genetischer Ressourcen, die Weiterzüchtungen auch wiederum nur unter Open Source-Bedingungen zu verbreiten und keine Patente daraufzulegen. Dies ist aber nicht einklagbar. Das war der deutschen Gruppe nicht genug, weshalb ein Lizenzvertrag erarbeitet wurde.

Sorten, die nun hier unter der Open Source-Lizenz angemeldet werden, können zur Weiterzucht verwendet werden. Weiterentwicklungen müssen dann aber ebenfalls unter dieser Lizenz laufen. Verstöße sind ein Rechtsbruch, da es sich um einen zivilrechtlichen Vertrag handelt.

Dann wurde die erste so gehandelte Sorte der Öffentlichkeit vorgestellt. Es ist die Tomatensorte Sunviva des Vermehrers Culinaris vom Züchter Bernd Horneburg. Die gelbe Tomate ist besonders für den Freilandanbau und die Hobbygärtnerei geeignet. Außerdem ist eine Sommerweizensorte (Convento C) des Züchters Hartmut Stieß angemeldet.


Werden VerbraucherInnen bereit sein, mehr Geld für Open Source-Saatgut zu bezahlen?

PflanzenzüchterInnen, große wie kleine sowie konventionelle wie ÖkozüchterInnen, argumentieren, dass sie die Einnahmen aus dem Sortenschutz brauchen, um ihre Arbeit zu bezahlen. Eine Studie zeigte aber, dass diese Einnahmen nur ungefähr 15 Prozent ihrer Einnahmen ausmachen. Es wäre also auch denkbar, dass die Züchtungsleistung einfach über einen höheren Saatgutpreis honoriert werden könnte, insbesondere dann, wenn es gelänge, einer kritischen Öffentlichkeit klarzumachen, dass sie damit ein System finanziert, dass den Saatgutmonopolen entgegenwirkt. Außerdem ist die weltweite Vielfalt der Sorten auch ohne finanzielle Honorierung entstanden.

Das neue System ist erst am Anfang und wird kontrovers diskutiert. Warten wir ab. Neue Ideen braucht die Welt. Auf jeden Fall bringt diese Initiative Bewegung in die Debatte um geistige Eigentumsrechte und das ist dringend nötig!


Die Autorin arbeitet zu agrarpolitischen Fragen bei der Agrar Koordination (FIA e. V.), ist Mitglied von AGRECOL und der Arbeitsgruppe zu Open Source.


So steht es auf der Saatgutpackung:

Mit Erwerb des Saatguts oder bei Öffnung der Verpackung dieses Saatguts akzeptieren Sie im Wege eines Vertrages die Regelungen eines kostenfreien Lizenzvertrages. Sie verpflichten sich vor allem, die Nutzung dieses Saatgutes und seiner Weiterentwicklungen nicht z. B. durch Beanspruchung von Sortenschutzrechten oder Patentrechten an Saatgutkomponenten zu beschränken. Zugleich dürfen Sie das Saatgut und daraus gewonnene Vermehrungen nur unter den Bedingungen dieser Lizenz an Dritte weitergeben. Die genauen Lizenzbestimmungen finden Sie unter www.opensourceseeds.org/Lizenz. Wenn Sie diese Bestimmungen nicht akzeptieren wollen, müssen Sie von Erwerb und Nutzung dieses Saatguts Abstand nehmen.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NGOs in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

*

Quelle:
Rundbrief 2/2017, Seite 23
Herausgeber:
Forum Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 910
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. August 2017

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang