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MELDUNG/159: Nitratrichtlinie der EU unzureichend umgesetzt (BN)


Bund Naturschutz in Bayern e.V. - München, 7. Oktober 2014

Wasser- und Luftbelastung durch Überdüngung stoppen

Bund Naturschutz fordert besseren Schutz für Bayerns Gewässer und Trinkwasser vor Nitratbelastung



Bayerns landwirtschaftliche Flächen reichen nicht aus, um die großen Düngermengen zu verkraften, die aus landwirtschaftlichen Betrieben mit und ohne Viehhaltung und aus Biogasanlagen anfallen. In einzelnen Regionen schlagen die Trinkwasserversorger Alarm, da die Nitratbelastung über den empfohlenen Vorsorgegrenzwerten liegt.

Die europäische Union hat im Juli 2014 die zweite Stufe eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland eingeleitet, weil die Nitratrichtlinie der EU unzureichend umgesetzt wird. Um den angedrohten Strafzahlungen zu entgehen, hat das Bundeslandwirtschaftsministerium jetzt eine Novelle der Düngeverordnung vorgelegt. Der BUND Naturschutz hält den vorgelegten Entwurf jedoch für unzureichend und fordert vom CSU Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmid und Agrarminister Helmut Brunner, sich für massive Verbesserungen im Sinne des Natur- und Verbraucherschutzes einzusetzen.

"Wir fordern eine Düngegesetzgebung, die die Gewässerbelastung mit Nitrat und Phosphat aus landwirtschaftlicher Tierhaltung und Düngung wirksam begrenzt, und auch die Ammoniak- und Lachgasemissionen in die Atmosphäre reduziert", so Hubert Weiger, BN Landesvorsitzender.

"Wesentlich ist, dass endlich die Tierbestände an die Fläche angepasst werden, so dass die anfallende Gülle sinnvoll für den Pflanzenwuchs zur Verfügung steht und nicht die Umwelt belastet, fordert der Sprecher des BN-Arbeitskreises Landwirtschaft, Stephan Kreppold."

Der vorgelegte Entwurf ist unzureichend, denn die Nährstoffströme sollen weiterhin nur äußerst lückenhaft dokumentiert werden müssen, hohe Verlustanrechnungen möglich sein, die dann als Stickstoffeintrag in der Umwelt landen, und Ausnahmeregelungen für hohe Düngermengen weiterhin erlaubt werden.

Hauptforderungen des BUND Naturschutz sind deshalb
  • die verpflichtende Bilanzierung aller Nährstoffströme für landwirtschaftliche Betriebe und für Biogasanalgenbetreiber (Brutto-Hoftorbilanz), die webbasiert an eine autorisierte Stelle gemeldet werden muss
  • Schaffung eines EDV gestützten Systems, das auch die Mineraldüngerhandelsströme erfasst
  • Einrichtung einer Dünge-Transportdatenbank in Verbindung mit einer Dünger-Verbringungsverordnung
  • Senkung der erlaubten Stickstoffbilanzüberschüsse auf 30 kg N pro Hektar bis 2016
  • Obergrenze für die organische Stickstoffausbringung bei 170 kg pro Hektar und Jahr, in Belastungsgebieten maximal 130 kg N/ha/a
  • Ahndung von Verstößen, z.B. bei Überdüngung
  • Abschaffung von Ausnahmeregelungen für höhere Düngung im Grünland und Ackergras
  • Keine neuen Ausnahmeregelungen für Biogasgülle

Grundwasserbelastung mit Nitrat

Ziel der EU Nitratrichtlinie ist es, die aus landwirtschaftlichen Quellen verursachte Gewässerverunreinigung mit Nitrat zu reduzieren.

Der Evaluierungsbericht der EU zur Nitratrichtlinie von Oktober 2013 zeigt, dass Deutschland seine Hausaufgaben nicht gemacht hat: Der vorgeschriebene Grenzwert von 50 mg Nitrat/Liter Wasser wurde an der Hälfte der von der Bundesregierung ausgewählten 180 Belastungsmessstellen überschritten.

Nach Berechnungen der Uni Hohenheim beträgt der 170 kg/ha überschreitende Nährstoffüberschuss an Stickstoff(N) aus organischem Dünger für Bayerns landwirtschaftliche Fläche (LF) 4,6 Millionen kg N, so dass zu deren sachgerechten Ausbringung bereits jetzt mindestens 25.000 ha zusätzliche Fläche erforderlich sind. (Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt Nr. 34 vom 22.8.2014)


Wie repräsentativ sind die Belastungsmessstellen ?

In der öffentlichen Diskussion wird von Seiten der Landnutzer kritisiert, dass für den Nitratbericht die Werte eines Belastungsnetzwerks ausgewählt wurden und nicht alle verfügbaren Messstellen.

Dies beruht auf den Vorgaben der Nitratrichtlinie. Es wurden bundesweit ca. 180 Messstellen nach den folgenden Kriterien in ein Belastungsmessnetz einbezogen:

  • die sich im oberflächennahen Grundwasserleitungsschichten befinden
  • die bereits vor 1995 erhöhte Nitratgehalte aufwiesen
  • die eindeutigen Bezug zu landwirtschaftlich genutzten Flächen haben
  • die ein möglichst großes Einzugsgebiet repräsentieren

Damit wurden bewusst die Standorte erfasst, die von der landwirtschaftlichen Nutzung besonders betroffen sind. Würden alle 800 Messstellen bundesweit einbezogen, würde sich der Einfluss der Landwirtschaft auf die Gewässerbelastung nicht aufzeigen lassen.

Im Vergleich zum Zeitraum 2004-2007 ist die Nitratbelastung an 40 Prozent dieser Messstellen angestiegen. Damit werden wichtige Umweltschutzziele wie die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung nicht erreicht. Deutschland gehört zu den Ländern mit den höchsten Nährstoffüberschüssen pro Flächeneinheit. Nach wie vor liegt der errechnete Stickstoffüberschuss bei 97 kg N/ ha*J für die Jahre 2009-2011 und verfehlt damit den Zielwert 80kg/ha bis 2010 erheblich.


Schäden durch Stickstoffüberschüsse - Nitrat, Ammoniak und Lachgas

Stickstoff, der nicht für das Pflanzenwachstum benötigt wird oder im Boden zum Humusaufbau festgelegt wird, landet als Nitrat im Oberflächenwasser und versickert ins Grundwasser. Das Trinkwasser soll möglichst gering mit Nitrat belastet sein, um gesundheitliche Folgeschäden durch Nitratrückstände zu vermeiden. Hohe Nitratmengen im menschlichen Körper sind schädlich, da sie zu Nitrit umgewandelt werden können, und dieses den Sauerstofftransport im Blut hemmen kann. Bei Kleinkindern kann dies zur Blausucht führen.

Ein Teil des Stickstoffs gelangt als Ammoniakgas in die Atmosphäre und trägt zur Versauerung und Stickstoffanreicherung der Niederschläge bei. Die Landwirtschaft ist in Deutschland für 95% aller Ammoniakemissionen verantwortlich, im Wesentlichen verursacht durch Viehhaltung mit ihren Ausscheidungen, wie z.B. Gülle. Die Stärke der Geruchsbelastung nach Gülleausbringung ist ein Indikator für die Menge des entweichenden Ammoniaks.

Weitere Schäden entstehen durch Umwandlung der Stickstoffüberschüsse in Lachgas, N2O, einem gefährlichen Treibhausgas, das 300 Mal klimaschädlicher wirkt als Kohlendioxid. Die Lachgasemissionen tragen zu 58% zu den Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft bei (Sachverständigenrat, S.11). Insgesamt werden 11% der deutschen Treibhausgase der Landwirtschaft zugeordnet. (ebenda)

www.bund-naturschutz.de/themen/landwirtschaft.html


Anhang zur PM 098 -14:
Evaluierung der Düngegesetzgebung

Bereits Ende 2012 kam eine Bund Länder Arbeitsgruppe, die die bisherige Düngeverordnung im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums evaluiert hat, zum Schluss, dass die Beschränkung der Viehbesatzdichte und eine verbesserte Düngegesetzgebung die zentralen Steuerungselemente sind, um Stickstoffeinträge aus der Landwirtschaft wirksam zu begrenzen. Zentrale Kritik war auch dort, dass:

  • eine bedarfsgerechte Düngung nicht überprüfbar ist, weil es keine Aufzeichnungspflichten für die Düngebedarfsermittlung gibt
  • Verstöße wegen unklarer Vorgaben nicht geahndet werden konnten
  • länderübergreifende Düngetransporte nicht erfasst und schwer kontrollierbar sind
  • pflanzliche organische Dünger bisher nicht erfasst sind
  • Nährstoffüberschüsse nach wie vor zu hoch sind

Daraus hat die Bund Länder Arbeitsgruppe Forderungen abgeleitet:

  • Dokumentation der Düngeplanung
  • eine plausibilisierte Flächenbilanz für Futterbaubetriebe
  • Beratungspflicht sowie die Umsetzung behördlicher Anordnungen bei wiederholter Überschreitung maximaler Nährstoffsalden
  • Verbot von Gülleausbringung auf dem Ackerland ab Mitte September
  • Verlängerung der Mindestlagerdauer für Wirtschaftsdünger
  • Vorgaben für die unverzügliche Einarbeitung auf unbestellten Flächen und für die Ausbringungstechnik
  • Erhöhung der Mindestanrechnungen der Stickstoff-Ausscheidungen bei Weidehaltung
  • Einbeziehung aller organischer Düngemittel (auch Gärreste) in die Ausbringungsobergrenze von 170 Kilogramm Stickstoff pro Hektar und Jahr (kg N/ha*a)

Vor allem müssten die Regelungen der Düngeverordnung konsequent kontrolliert und Verstöße geahndet werden.

Quelle: Bund Länder Arbeitsgruppe zur Novellierung der Düngeverordnung von Dezember 2012
literatur.vti.bund.de/digbib_extern/dn051542.pdf


Die wichtigsten Forderungen des Sachverständigenrats zur Düngeverordnung von August 2013

Auch der wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik und Düngungsfragen beim Bundeslandwirtschaftsministerium hat im August 2013 massive Nachbesserung der Düngegesetzgebung eingefordert, um Nährstoffüberschüsse wirksam zu begrenzen:

  • Änderung der Ziele des Düngegesetzes, um verbindlich als Ziel die Vorbeugung vor oder Abwendung von Gefahren für den Naturhausalt aufzunehmen und die Aufzeichnungspflicht auf die Erstellung einer Hoftorbilanz zu erweitern. Hierin sind auch Biogasanlagenbetreiber und flächenlose Viehhaltungsbetriebe einzubeziehen
  • Einführung einer verpflichtenden Hoftorbilanzierung und Schaffung eines EDV gestützten Systems
  • Meldeverpflichtung für die Hoftierbilanzen an eine autorisierte Stelle - webbasiert- , die auch die behördliche Kontrolle des Mineraldügerverkaufs durch den Landhandel einbezieht
  • Um bessere Kontrollierbarkeit und Sanktions- bzw. Beratungsmöglichkeiten der Düngegesetzgebung zu erreichen - aber auch um die Düngung zu optimieren - muss die webbasierte Meldung an die autorisierte Stelle neben dem betrieblichen Nährstoffvergleich auch das InVerkehrbringen und die Beförderung von Wirtschaftsdüngern umfassen
  • Präzisierung der Abstandsregelungen der Düngeausbringungen zu Gewässern auf 1 bzw. 3 Meter
  • Allgemeine Verpflichtung zur Vermeidung von Abschwemmungen

Quelle: Stellungnahme des Sachverständigenrats zur Düngeverordnung von August 2013
www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/04_Stellungnahmen/2012_2016/2013_08_AS_Novellierung_Duengeverordnung.html;jsessionid=A74C2E0F78045264833BAE14508DE461.1_cid335

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Quelle:
Presseinformation, 07.10.2014
Herausgeber:
Bund Naturschutz in Bayern e.V.
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Internet: www.bund-naturschutz.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Oktober 2014