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MELDUNG/201: Schrumpeltomate - Europäisches Patentamt schafft weiter Fakten (BN)


Bund Naturschutz in Bayern e.V. - München, 7. Dezmber 2015

Patent auf die "Schrumpeltomate" vor Erteilung

Neuer Bericht zeigt: Politik kann und muss handeln


7. Dezember 2015 / München - Das Europäische Patent (EPA) schafft weiter Fakten und vergibt weiter Patente auf konventionelle Züchtungen. Das EPA verhandelt morgen das Patent auf die "Schrumpeltomate" (EP1211926) und will es mit leicht veränderten Wortlaut endgültig erteilen. Dabei geht es um eine Tomate, die durch konventionelle Züchtung einen reduzierten Wassergehalt aufweist. Das Patent fand Ende März 2015 zusammen mit einem Patent auf Brokkoli (EP1069819) internationale Beachtung: Das EPA hatte diese beiden Patente zum Anlass genommen, um einen Grundsatzentscheid zu treffen und Pflanzen und Tiere aus konventioneller Züchtung für patentierbar zu erklären. Dagegen regt sich zunehmender Widerstand: Unter anderem haben sich Patentbehörden und Regierungsstellen in den Niederlanden, Deutschland, Frankreich und Österreich kritisch zur Praxis des EPA geäußert.

"Die Politik muss jetzt beweisen, dass sie sich gegen die Patentmafia durchsetzen können", sagt Christoph Then, Patentexperte für Greenpeace und Koordinator des Bündnisses "Keine Patente auf Saatgut!" "An diesen Patenten verdient das Europäische Patentamt, Anwälte und Konzerne - die Folgen betreffen die ganze Gesellschaft."

Artikel 53 (b) des Europäischen Patentübereinkommens verbietet Patente auf Pflanzensorten sowie im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung. Das Europäische Patentamt hat mit seiner Rechtsprechung die bestehenden Verbote jedoch so weit ausgehöhlt, dass diese inzwischen wirkungslos sind. Dies belegt der aktuelle Bericht von "Keine Patente auf Saatgut!", der heute bei einem Pressegespräch in München vorgestellt wird. Darin wird auch im Detail gezeigt, wie die Politik jetzt handeln muss, um die bestehenden Verbote wieder in Kraft in zu setzen.

"Es sind bereits rund tausend Patentanträge eingereicht, die die konventionelle Züchtung betreffen", sagt Ruth Tippe von der Initiative "Kein Patent auf Leben!" "Etwa 120 Patente auf konventionelle Züchtung hat das EPA schon bewilligt. Diese Patente betreffen die Züchtungsmerkmale von etwa tausend Gemüsesorten."

Dass das Patent auf die Schrumpeltomate erteilt wird, lässt sich allerdings kaum noch verhindern. Am 10. September hatte das EPA bereits entschieden, dass das Patent auf Brokkoli, über das es zusammen mit dem Tomaten-Patent verhandelt hatte, endgültig erteilt werden soll.

"Weiter Abwarten ist keine Option, denn hier geht es um den Ausverkauf unserer Lebensgrundlagen. Pflanzen und Tiere sind keine Erfindungen, sondern Lebewesen. Die Bundesregierung, und allen voran der zuständige Justizminister Heiko Maas muss endlich tätig werden, und die Zusagen aus dem Koalitionsvertrag einhalten", fordert Dr. Martha Mertens, Gentechnikexpertin des BUND. "Die bestehenden Verbote müssen so ausgelegt werden, dass sie wieder wirksam sind."

"Patente auf konventionelles Saatgut stellen die Wahlfreiheit für uns Bäuerinnen und Bauern und damit auch für die Verbraucher grundsätzlich in Frage", so Johann Zacherl von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). "Damit steigt die Abhängigkeit von den Agrarkonzernen. Es darf nicht sein, dass Konzerngewinne in unserer Gesellschaft den Vorrang vor der Sicherung unserer Lebensmittelerzeugung bekommen."

Ein Aufruf der internationalen Koalition Keine Patente auf Saatgut!, diese Patente zu stoppen, wird bereits von mehreren Hundert Organisationen unterstützt. Keine Patente auf Saatgut! wird von Bionext (Niederlande), der Erklärung von Bern (Schweiz) GeneWatch (Großbritannien), Greenpeace, Misereor (Deutschland), dem Entwicklungshilfe-Fond (Norwegen), Kein Patent auf Leben! (Deutschland), ProSpecieRara, Red de Semillas (Spanien), Rete Semi Rurali (Italien), Reseau Semences Paysannes (Frankreich) und Swissaid (Schweiz) getragen. Die Koalition fordert ein Verbot der Patentierung von Züchtungsmaterial, Züchtungsmethoden, Pflanzen und Tieren, deren Züchtungsmerkmale, sowie deren Ernte und der daraus hergestellten Lebensmittel.


Link zum Bericht:
no-patents-on-seeds.org/de/information/hintergrund/patente-pflanzen-tiere-jetzt-muessen-europas-politiker-handel

Link zum Aufruf:
no-patents-on-seeds.org/de/aktion/keine-patente-pflanzen-tiere

Weitere Informationen: www.no-patents-on-seeds.org

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Quelle:
Presseinformation, 07.12.2015
Herausgeber:
Bund Naturschutz in Bayern e.V.
Landesgeschäftsstelle
Dr.-Johann-Maier-Str. 4, 93049 Regensburg
Tel. 0 941/ 2 97 20-0, Fax 0 941/ 2 97 20-30
E-Mail: info@bund-naturschutz.de
Internet: www.bund-naturschutz.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Dezember 2015

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