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PROTEST/006: Schweinemast in Haßleben - Wir haben es satt! (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 180 - Juni / Juli 2014
Die Berliner Umweltzeitung

Wir haben die Schweinemastanlage Haßleben satt!
Wiederinbetriebnahme kann noch gestoppt werden - Breites Bündnis ruft zu Kundgebung auf

von Iris Kiefer
Kampagne Meine Landwirtschaft



Rund 90 Kilometer nördlich von Berlin, eingebettet in die Naturschutzgebiete Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin und Naturpark Uckermärkische Seen, liegt der kleine Ort Haßleben in der brandenburgischen Uckermark. Die Region, die auch das Land der 300 Seen, Flüsse und Bäche genannt wird, wurde im Mai 2013 zur Siegerin im Bundeswettbewerb "Nachhaltige Tourismusregion 2012/2013" gekürt, ausgezeichnet für ihr "überzeugendes touristisches Angebot", bei dem sie auf ihre "eindrucksvolle Naturlandschaft" setze und so die Menschen für Nachhaltigkeit sensibilisiere. Nur einen Monat später, im Juni 2013, wird die Wiederinbetriebnahme der alten Schweinemastanlage in Haßleben mit 36.861 Tierplätzen genehmigt.

Die Schweinemastanlage wurde bereits zu DDR-Zeiten betrieben, mit durchschnittlich 136.000 Schweinen jährlich. Damals lebten in Haßleben knapp 1.000 Menschen, heute zählt der Ort noch 600 Einwohner. Der Betrieb wurde 1991 nach 13 Jahren geschlossen, auch wegen seiner schädlichen Umweltauswirkungen. 2003 wurde die Anlage vom holländischen Investor Harry van Gennip erworben. In den Niederlanden werden Prämien für den Abbau von Mastplätzen gezahlt, da das Grundwasser dort in weiten Teilen des Landes durch die industrielle Massentierhaltung bereits verseucht ist. Mit dem Geld können andernorts neue Mastanlagen gebaut werden - in Ostdeutschland zum Beispiel, wo Brandenburgs Landwirtschaftsminister Jörg Vogelsänger (SPD) betont, dass die Massentierhaltung mit Mitteln des Landes und der Europäischen Union weiter gefördert werden solle und jede Investition in neue Mastanlagen auch eine Investition ins Tierwohl sei. Van Gennip könnte damit doppelt Geld erhalten - Prämien aus den Niederlanden und obendrein noch Fördermittel. In Sachsen-Anhalt betreibt er bereits eine der größten Mastanlagen Europas.

Van Gennip möchte, dass in Haßleben wieder Schweine gemästet werden. Bereits 2004 beantragte er 86.000 Plätze - nach massivem Widerstand und weil der Antrag aufgrund der immensen Umweltauswirkungen nicht genehmigungsfähig war, reduzierte er 2008 auf 67.000, dann 2012 auf knapp 37.000 Tierplätze. Genutzt werden soll dabei nur ein Teil der alten Anlage - mehr Platz für das einzelne Schwein bedeutet dies also nicht automatisch. Harry van Gennip hat die alten Stallgebäude zunächst flächendeckend mit Solar-Anlagen ausgerüstet. Sie produzieren Strom und Geld. Die Stallgebäude sind verfallen, nur ein rundes Gebäude sticht im frischen Weiß aus dem Ensemble heraus: das Wasserwerk Haßleben.

Verheerende Auswirkungen auf die Region

Versprochen wurden ursprünglich 50 neue Arbeitsplätze für die Region, heute ist davon auszugehen, dass weniger als 20 Arbeitsplätze geschaffen werden können - aufgrund der Reduzierung der Tierzahlen und durch die hohe Technisierung einer solchen Anlage. Gleichzeitig werden zahlreiche Arbeitsplätze im Tourismus-Sektor verloren gehen, denn die Auswirkungen auf die Region sind verheerend. Die Geruchsbelästigung und der Schwerlastverkehr durch Tier- und Gülletransporte würden stark zunehmen, Böden, Wald und Gewässer würden durch Stickstoffeinträge weiter geschädigt. Besonders das Kuhzer Grenzbruch, Teil des Flora-Fauna-Habitat-Gebiets "Kuhzer See/Jakobshagen", ein nährstoffarmes Moor mit besonderer Bedeutung als prioritärer Lebensraum nach der FFHRichtlinie, würde durch den erhöhten Stickstoffeintrag zerstört werden, was zwei Gutachten belegen.

Seit Bekanntwerden der Pläne van Gennips 2003 protestieren daher Tier-, Natur- und Umweltschützer und die Bürgerinitiative "Kontra Industrieschwein". Gegen die erfolgte Genehmigung legten sie Widerspruch ein. Bis zur Beendigung des Verfahrens darf mit dem Bau nicht begonnen werden. Ein Eilantrag des Investors auf Sofortvollzug des Baus wurde von ihm im Dezember 2013 wieder zurückgezogen.

Ende Juni Aktionstag gegen Mastanlage

Es ist also noch nicht zu spät! Das Widerspruchverfahren läuft und die Wiederinbetriebnahme der Schweinemastanlage kann noch aufgehalten werden. Am 29. Juni ruft daher ein breites Bündnis aus Bäuerinnen und Bauern, Verbraucherinnen und Verbraucher, Umwelt- und Tierschützerinnen sowie Eine Welt-Gruppen zu einer Kundgebung in Haßleben und einem Agrarpolitischen Sonntagsspaziergang mit Musik und Protestpicknick auf. Vor der nächsten Landtagswahl in Brandenburg am 14. September soll der Protest diesen Sommer noch einmal an einen Brennpunkt der Agrarindustrie getragen werden. Nach der erfolgreichen Schlachthofumzingelung im niedersächsischen Wietze, an dem im vergangenen Sommer 7.000 Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet teilgenommen haben, heißt es auch in Haßleben: "Wir haben den Megastall satt!".

Die riesige Mastanlage ist ein Symbol einer verfehlten Landwirtschaftspolitik und steht für die negativen Auswirkungen der Agrar- und Lebensmittelindustrie: für Exportdumping mit überschüssiger Fleischproduktion auf der einen Seite und Importen von gentechnisch veränderten Futtermitteln auf der anderen Seite, für qualvolle Tierhaltung, hohe Umweltbelastungen und Bauern, die von der Agrarindustrie verdrängt werden. Gefordert wird in Haßleben daher ein Stopp der industriellen Massentierhaltung, der Schutz von Boden, Wasser und Klima, das Beenden des Höfesterbens, die Minimierung des Antibiotika-Einsatzes in der Tierhaltung, sichere Lebens- und Futtermittel ohne Gentechnik und die Verhinderung von prekären Arbeitsverhältnisse in der Agrarindustrie.

Bereits am 28. Juni findet ein bundesweites Netzwerktreffen der Bürgerinitiativen gegen Megaställe und Schlachthöfe in Templin statt. Geplant ist außerdem ein Sommercamp von Samstag auf Sonntag. Für leckeres Essen an den Aktionstagen sorgen Wam Kat und die Fläming Kitchen. Organisiert werden die Aktionstage vom "Wir haben es satt!"-Bündnis, der BI "Kontra Industrieschwein" und dem Aktionsbündnis Agrarwende Berlin-Brandenburg, das auch die Volksinitiative "Stoppt Massentierhaltung in Brandenburg" koordiniert.

Anreise: von Berlin Hauptbahnhof gibt es stündlich eine Verbindung nach Templin (Reisezeit etwa 1,5 Stunden, Umsteigen in Oranienburg) oder von Berlin-Lichtenberg (Reisezeit etwas länger, ohne Umsteigen). In Templin stehen Shuttle-Busse zum Kundgebungsort bereit. Seien Sie dabei!

Informationen zum Aktionstag in Haßleben:
www.wir-haben-es-satt.de
www.meine-landwirtschaft.de/
aktionstag-hassleben
www.agrarwen.de

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Quelle:
DER RABE RALF - 25. Jahrgang, Nr. 180 - Juni/Juli 2014, Seite 10
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juni 2014