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WALD/204: Aus Monokulturen werden in Brandenburg fruchtbare Mischwälder (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 186 - Juni/Juli 2015
Die Berliner Umweltzeitung

Ökologischer Waldumbau
Aus Monokulturen werden in Brandenburg fruchtbare Mischwälder

von Volker Voss


Beim Rundgang durch den brandenburgischen Wald sieht sich Karl Tempel, Besitzer einer Waldfläche von 75 Hektar unweit von Berlin, aufmerksam um und prüft die jung gepflanzten Bäume nach eventuellen Schäden. Diese jungen Bäume, deren Äste immer wieder von durch den Wald streifendem Reh- und Damwild abgeknickt beziehungsweise deren Blätter abgefressen werden, sind mit einer Schutzhülle versehen und bieten so zumindest teilweise Schutz. Sie werden an ausgelichteten Stellen, also nach der Abholzung alten Baumbestandes, gepflanzt, um die lediglich aus Kieferbäumen bestehenden Monokulturen Schritt für Schritt in einen Mischwald ökologisch umzugestalten. Es dauert etwa zehn Jahre, bis diese neu gepflanzten Bäume so robust sind, dass der Einzelschutz oder die alternativ angebrachte Umzäunung entfernt werden können.

Die hier eingeleitete ökologische Umgestaltung des Waldes rund um Borkwalde und Fichtenwalde (nahe Beelitz), auch Tempelwald genannt, ist eine langwierige Angelegenheit und ob sie erfolgreich sein wird, war 2003, als der Waldumbau begann, gar nicht sicher. "Es war zunächst ein Experiment", sagt Waldbesitzer Karl Tempel. Denn der weit verbreitete Sandboden in Brandenburg bietet keine guten Voraussetzungen für eine ökologische Umgestaltung von Waldflächen durch Anpflanzung von Laubbäumen.

Schon als Jugendlicher streifte Karl Tempel in seiner pfälzischen Heimat durch die Wälder und beobachtete die Natur. "Dort sah ich, dass sich beispielsweise Kiefern und Esskastanien gut vertragen." Als er später nach Berlin zog und sich die brandenburgischen Wälder anschaute, kam ihm der Gedanke: "Was in der Pfalz funktioniert, müsste auch in Brandenburg möglich sein, obwohl die brandenburgischen Böden sehr karg sind." Eine Garantie für den Erfolg gab es jedoch nicht.

Unfruchtbare Böden

Die stark verbreiteten Kiefernwälder in Brandenburg, die zudem auf unfruchtbarem Boden wachsen, liefern zwar gutes Holz, bereiten aber auch Sorgen. Diese reinen Monokulturen sind zwar resistent gegen Frost und Trockenheit und bieten gutes, zur industriellen Weiterverarbeitung verwertbares Holz. Sie haben jedoch auch Nachteile: "Sie sind anfällig für einen Massenbefall von Schädlingen und gefährdet durch Stürme und Brände", so Karl Tempel. Und genau an diesem Punkt setzt der ökologische Waldumbau an. Es bedarf eines artenreichen Mischwaldes, der weniger anfällig gegen Insektenbefall ist und vor allem eine hohe Fruchtbarkeit der Böden und eine bessere Neubildung von Grundwasser bieten kann. Monokulturen mit zudem stark ausgetrocknetem Baumbestand sind anfällig für Blitzeinschlag mit Waldbrandgefahr. Die mangelnde Bodenfeuchtigkeit wird auch durch die geringen Niederschläge, besonders in den Frühjahrsmonaten, verursacht.

Im Zuge des ökologischen Waldumbaus werden ältere Kiefernbestände aufgelichtet und junge Laubhölzer wie Trauben- und Stieleiche, Birke, Eberesche, Buche, teilweise auch Ahorn, Linde und Haselnuss, angepflanzt. Im Tempelwald wachsen inzwischen auch viele Esskastanien. Hinzu kommen Sträucher und Pflanzen, die zudem Nahrung für Tiere bieten. "Man muss einen langen Atem haben", sagt Baumfreund Tempel und fügt hinzu, dass es auch in dieser Baumzusammensetzung zu Schädlingsbefall kommt: "Diese unterschiedlichen Schädlingsarten fungieren jedoch als Gegenspieler und halten sich so gegenseitig in Schach." Die einfachste Art, den Schädlingsbefall anzugehen, war früher die Behandlung mit der chemischen Keule, also mit Pestiziden. "Dem habe ich 2006 tatsächlich einmal auf einer kleinen Fläche zugestimmt", so Karl Tempel. Nach drei Wochen habe ich feststellen müssen: Es war plötzlich sehr still in diesem Teil des Waldes, es gab nämlich keine Insekten und keine Vögel mehr auf der behandelten Fläche. So habe ich dem nie wieder zugestimmt".

Die Waldflächen sind auch durch eine unterschiedliche Bodenfeuchtigkeit gekennzeichnet, die mit dem bloßen Auge sichtbar ist: So befinden sich grüne Flächen mit blühender Vegetation unmittelbar neben ausgedörrten, bräunlich verfärbten, die besonders wenig Bodenfeuchte aufweisen. Hier ist ein Waldumbau sehr schwierig. Von dem insgesamt 75 Hektar großen Waldgelände sind bislang rund 16 Hektar als Umbaufläche ausgewiesen.

Kontroverse Diskussionen

Nach dem Erwerb der Waldfläche 1999 wurde Karl Tempel Mitglied in der örtlichen Forstbetriebsgemeinschaft "Busendorfer Heide". Dort gab es zunächst kontroverse Diskussionen zum Thema Umgestaltung. Sie wurde von einigen Mitgliedern eher mit Skepsis gesehen, war man doch Jahrzehnte lang auf Kiefernwirtschaft festgelegt, so Waldbesitzer Karl Tempel. Die Kooperation, auch mit der Försterei, gestaltet sich jedoch sehr gut. Der Waldumbau wird mit Interesse verfolgt, war man sich doch nie ganz sicher, ob es klappt. Karl Tempel: "Es war von Anfang an klar, dass es sich hier um ein Experiment handelt."

Rückblickend erinnert er daran, dass diese Monokulturenbewirtschaftung vor der Wende so gewollt war. Nach dem Zweiten Weltkrieg, zu DDR-Zeiten, diente sie zunächst zur Gewinnung von Bauholz als Reparationszahlung an die UdSSR, erläutert er die wirtschaftlichen und historischen Hintergründe. Nach der Abholzung zur industriellen Nutzung wurde in der DDR mit der anspruchslosen Kiefer aufgeforstet, damit so schnell wie möglich wieder Holz genutzt werden konnte. Auf den riesigen Kiefernflächen erfolgte die Schädlingsbekämpfung ausschließlich mit chemischen Mitteln. Von ökologischer Bestandspflege konnte also keine Rede sein.

Jährliche Inspektionen

Um entsprechende Auflichtungen und dann Neuanpflanzungen vornehmen zu können, erfolgt zunächst eine Inspektion mit dem Förster, bei der die weiteren Schritte festgelegt werden. Grundsätzlich erfolgen jährliche Inspektionen, bei denen sämtliche Maßnahmen zur Bestandspflege bestimmt werden. Die von einer darauf spezialisierten Firma durchgeführten Baumfällungen werden unter Beaufsichtigung der Försterei durchgeführt. Je nach Beschaffenheit der gefällten Bäume werden diese zur industriellen Weiterverarbeitung weitergeleitet. Aus dem Erlös wird der ökologische Waldumbau finanziert. Es gibt für den Waldumbau zwar Fördergelder vom Land Brandenburg, die jedoch nicht die Gesamtkosten decken. Bei sämtlichen Umgestaltungsmaßnahmen wird auch der Naturschutz beachtet, zum Beispiel die Brutzeiten für Vögel, betont Karl Tempel.

Auch die Brandenburger Waldwirtschaft ist, so überraschend es klingen mag, Teil des globalen Wirtschaftskreislaufs, verweist Waldfreund Tempel. Die Absatzmöglichkeiten und Preise für Holz hängen von den Entwicklungen der globalen Weltwirtschaft ab. Beispielsweise wurde bis 2007 ein großer Teil des in Brandenburg gefällten Nutzholzes hauptsächlich in die USA geliefert. Nach dem Platzen der Immobilienblase 2008 in den USA, einer der Gründe für die damals einsetzende Finanzkrise, sank die Nachfrage nach Bauholz in den USA so stark, dass dieser Absatzmarkt zusammenbrach und der Holzpreis stark nachgab. Holz wird in Amerika insbesondere zum Bau von Holzhäusern benötigt.

Mittlerweile wird im Brandenburger Tempelwald auch Honig gewonnen. An bestimmten Stellen befinden sich Bienenkästen und ein Bienenhotel. Denn sowohl die Honigbiene als auch Wildbienen haben wichtige ökologische Funktionen für den Wald. Die Wanderwege sind gut ausgezeichnet. Zudem gibt es Hinweistafeln mit vielen Informationen für Naturfreunde.

Weitere Infos:
www.tempelwald.de

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Gut sichtbar: Die neu gepflanzten Jungbäume im Vordergrund. Foto: Volker Voss

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Quelle:
DER RABE RALF
26. Jahrgang, Nr. 186, Seite 14
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47/-0, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: jährlich, 20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juli 2015

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