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MELDUNG/305: Wasserkraftprojekt Kalivac bedroht Europas letzten Wildfluss (EuroNatur)


EuroNatur / Stiftung für Europas Natur - 30. Mai 2017

Wasserkraftprojekt Kalivac bedroht Europas letzten Wildfluss

Albanische Regierung will Konzession für naturzerstörerisches Projekt "Kalivac" neu vergeben ++ NGOs werden Widerstand leisten


Tirana, Wien, Radolfzell. 20 Jahre lang zieht sich die Realisierung des Wasserkraftwerks Kalivac an der Vjosa in Albanien nun schon hin. Kürzlich hat die albanische Regierung deshalb beschlossen, den Vertrag mit der italienischen Firma Kalivaci Green Energy zu kündigen. Unmittelbar darauf hat das Ministerium für Energie und Industrie den Prozess der Konzessionsvergabe neu eröffnet. Interessierte Unternehmen haben bis zum 18. Juli 2017 Zeit, sich nach den vorgegebenen Kriterien für den Bau des Wasserkraftwerks zu bewerben.

"Die Kündigung des Vertrags mit Kalivaci Green Energy bedeutet, dass aktuell kein Wasserkraftwerk an der Vjosa genehmigt ist. Damit bietet sich die einzigartige Chance, den gesamten Fluss zum ersten Wildfluss-Nationalpark Europas zu erklären. Dass die Regierung stattdessen beschlossen hat, die Konzession für Kalivac neu zu vergeben, ist ein Skandal. Lokale Behörden, Gemeinden und nationale wie internationale Interessensvertreter haben sich klar gegen das Projekt ausgesprochen. Wir werden hartnäckig gegen das Wasserkraftwerk Kalivac und für eine frei fließende Vjosa kämpfen!", sagt Olsi Nika von EcoAlbania, der die Kampagne "Rettet das Blaue Herz Europas" [1] in Albanien koordiniert.

Kalivac war das erste Wasserkraftwerk, das an der Vjosa genehmigt wurde. Die Bauarbeiten für den Staudamm starteten 10 Jahre später im Jahr 2007. Doch sie wurden immer wieder ausgesetzt und sind bis heute nur zu etwa einem Drittel abgeschlossen. Noch ist der Fluss von dem Projekt unbeeinträchtigt. Hauptgeldgeber für das Projekt waren anfangs die italienische Becchetti Group und die Deutsche Bank.

Kalivac ist nicht das einzige Wasserkraftwerk, das die albanische Regierung gegen alle Widerstände durchdrücken will. Erst kürzlich wurde von Regierungsseite Berufung gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts [2] eingelegt, den Bau des Wasserkraftwerks Pocem zu stoppen, das flussabwärts von Kalivac entstehen soll. "Der Beschluss des Verwaltungsgerichts unterstreicht die fragwürdige Vorgehensweise der albanischen Regierung. Das Wasserkraftwerk Pocem wurde auf Grundlage einer völlig mangelhaften Umweltverträglichkeitsprüfung genehmigt und die öffentliche Anhörung ohne Beteiligung der betroffenen Bevölkerung durchgeführt. Wenn es jetzt um die Konzessionsvergabe für Kalivac geht, fordern wir die albanischen Behörden dringend auf, nationales Recht und internationale Standards einzuhalten", sagt Ulrich Eichelmann, Koordinator der Kampagne "Rettet das Blaue Herz Europas" bei Riverwatch.

In Anbetracht der am 25. Juni 2017 anstehenden Parlamentswahlen in Albanien sagt Gabriel Schwaderer [3], Geschäftsführer von EuroNatur: "Es gibt zu denken, dass die albanische Regierung den Fall Kalivac ausgerechnet einen Monat vor den nationalen Wahlen wieder auf den Tisch bringt. Die Entscheidung, die Vjosa als Lieferantin für Wasserkraft zu missbrauchen anstatt sie als letzten Wildfluss Europas unter Schutz zu stellen ist auch hinsichtlich eines EU-Beitritts von Albanien von großer Tragweite und hätte nicht inmitten des Wahlkampfs getroffen werden sollen."

Hintergrundinformation:

• Die Vjosa gilt als der letzte große Wildfluss Europas außerhalb Russlands. Ungestört und völlig unverbaut durchfließt sie unzugängliche Schluchten und Abschnitte mit riesigen Schotterbänken und Inseln über fast 270 Kilometer ohne Staudämme von den Pindusbergen in Griechenland bis in die albanische Adria.

• Die Kampagne "Rettet das Blaue Herz Europas" hat den Schutz der wertvollsten Flüsse auf dem Balkan zum Ziel. Sie wird von den NGOs Riverwatch und EuroNatur koordiniert und gemeinsam mit Partnerorganisationen aus den Balkanländern durchgeführt.


[1] https://www.euronatur.org/unsere-themen/kampagnen-und-initiativen/rettet-das-blaue-herz-europas/
[2] https://www.euronatur.org/aktuell/detail/news/der-fall-vjosa-geht-in-die-naechste-runde/
[3] https://www.euronatur.org/ueber-euronatur/ueber-uns/wer-wir-sind/gabriel-schwaderer-geschaeftsfuehrung-euronatur/

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Quelle:
Pressemitteilung, 30.05.2017
EuroNatur (Hauptgeschäftsstelle)
Stiftung für Europas Natur
Konstanzer Str. 22. 78315 Radolfzell
Tel.: 07732/92 72-0, Fax: 07732/92 72-22
E-Mail: info@euronatur.org
Internet: www.euronatur.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juni 2017

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