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MELDUNG/333: Warum es in Thüringen kaum Luchse gibt (NABU TH)


NABU Landesverband Thüringen - 14. November 2017

Warum es in Thüringen kaum Luchse gibt

NABU Thüringen: Luchse und ihre Herausforderungen in der Landschaft und was der Mensch tun kann


Der Luchs wurde in Deutschland ausgerottet. Durch intensive Schutzbemühungen breitet er sich langsam wieder aus. Straßenverkehr, Jungensterblichkeit, illegale Jagd und Zerschneidung der Landschaft werden vom NABU als begrenzende Faktoren für die Luchsausbreitung genannt. Trotz guter Lebensraumvoraussetzungen gibt es nur wenige Nachweise in Thüringen. Eine neue Studie soll Aufschluss über die potentiellen Lebensbedingungen und die grundlegenden Begrenzungsfaktoren bei der Ausbreitung des Luchses in Thüringen geben.


Luchs von vorn, Kopf zur Kamera gerichtet - Foto: © Luchs: Leo/fokus-natur.de

Foto: © Leo/fokus-natur.de

Jena - Luchse sind noch seltene Gäste in Thüringen und Nachweise für die Anwesenheit der scheuen Pinselohren haben großen Seltenheitswert. Die Freude ist deshalb groß beim NABU Thüringen über die aktuellen Sichtungen im Stadtwald von Mühlhausen, bei Gerstungen, im Thüringer Wald oder im Thüringischen Schiefergebirge, sowie über die Meldungen aus Nordthüringen und dem Südharz. Über die dauerhafte oder wiederkehrende Anwesenheit von Luchsen mit fest etablierten Streif- oder Rückzugsgebieten ist allerdings so gut wie nichts bekannt. Hinweise auf Reproduktion mit erfolgreicher Aufzucht der Jungen fehlen im Freistaat fast gänzlich.

"Es ist schwierig zu begründen, warum der Luchs bei uns in Thüringen so selten vorkommt beziehungsweise gemeldet wird", sagt Silvester Tamás, der Projektkoordinator des Luchsprojektes beim NABU Thüringen. Fakt ist, dass Luchse sich nicht so stark vermehren wie zum Beispiel Wölfe. Die Jungensterblichkeit liegt bei 70 bis 80 Prozent. Straßenverkehr und illegale Jagd sind zusätzliche Faktoren, die kleineren isolierten Luchsvorkommen den Garaus bereiten können. Darum ist es wichtig die Gefahren durch den Straßenverkehr und die illegale Jagd deutlich zu reduzieren. "Zurzeit streifen die Luchsjungen noch mit ihren Müttern durch die Wälder. Für Autofahrer gilt deshalb im Herbst und Winter besonders vorsichtig zu fahren. Im Herbst häuft sich das Risiko von Wildunfällen nicht nur für den Luchs", erklärt Silvester Tamás. Ab Februar suchen sich die Jungen eigene Reviere und verlassen ihre Mutter. Aus Sicht des NABU ist es deshalb wichtig, die geeigneten Lebensräume besser zu vernetzen. "Bisher leben Luchse nur in isolierten Teilpopulationen oder sind als Einzelindividuen unterwegs. Für einen gesunden genetischen Austausch gilt es, die bekannten Vorkommensgebiete enger zu vernetzen. Eine zusammenhängende, miteinander verbundene große Metapopulation bietet die realistischsten Erfolgschancen für das Überleben der Pinselohren in Europa", so Tamás.

Der NABU kauft seit Jahren über seine Stiftung "Nationales Naturerbe" besonders schützenswerte Flächen als Refugien für selten gewordene Pflanzen und Tiere. Diese Gebiete dienen als "Trittsteine" im Biotopverbund, also als zentrale Bindeglieder in einer ausgeräumten Landschaft zwischen größeren, weitgehend intakten Naturräumen. Von diesen Bemühungen kann auch der Luchs profitieren. Diese teils mehrere hundert Hektar großen Flächen bieten Rückzugs- und Ruheräume für die majestätische Katze, insbesondere aber für die Aufzucht ihres Nachwuchses. "Man kann auch verkürzt sagen: Je größer die Störungen im Rückzugsgebiet zum Beispiel durch Verkehr, Jagd oder auch Land- und Forstwirtschaft, desto geringer ist der Erfolg bei der Aufzucht des Luchsnachwuchses. Mit unserem Luchsprojekt "Plan P wie Pinselohr - dem Luchs gemeinsam auf die Sprünge helfen" wollen wir deshalb den Blick auf die Notwendigkeiten der Gefahrenbeseitigung, aber auch auf die Lebensraumvernetzung sowie auf den Schutz potentieller Luchslebensräume lenken. Aktuell werden wir im Rahmen des Projektes eine wissenschaftliche Arbeit an den Universitäten Potsdam und Jena begleiten, die sich mit der potentiellen Lebensraumqualität und -quantität, aber auch mit Gefahrenstellen und Vernetzungsproblemen in Thüringen auseinandersetzt", erläutert der Projektkoordinator des NABU.

Hintergrund zum NABU-Luchsprojekt:

Thüringen war noch bis ins 18. Jahrhundert hinein Lebensraum für die großen Beutegreifer wie Bär, Wolf und Luchs. Bereits im 19. Jahrhundert galten die "großen Drei" hierzulande als ausgerottet. Durch Schutzbemühungen breitet sich die scheue majestätische Katze wieder langsam in Deutschland aus. Und obwohl in Thüringen mit ausgedehnten wald- und wildreichen Mittelgebirgslagen gute Voraussetzungen für die Wiederansiedelung vorhanden sind, gibt es leider nur spärliche Hinweise auf die Anwesenheit von Luchsen. Dabei liegt der Freistaat zwischen zwei bedeutenden Luchsvorkommen, dem Harz und dem Bayerischen Wald mit den angrenzenden Böhmerwaldgebieten. Thüringen spielt deshalb bei der Ausbreitung des Luchses und der Vernetzung seiner Lebensräume eine zentrale Rolle in Mitteleuropa. Der NABU will mit seinem Projekt die Ausbreitung des Luchses unterstützen, damit sich die Pinselohren wieder gefahrlos durch unsere Wälder und Landschaften bewegen können. Nur dann haben die größten europäischen Katzen auch langfristig eine Chance.

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Quelle:
Pressemitteilung, 14.11.2017
Herausgeber: Naturschutzbund Deutschland e.V.
NABU Thüringen
Leutra 15, 07751 Jena
Tel. 0 36 41/60 57 04, Fax 0 36 41/21 54 11
E-Mail: LGS@NABU-Thueringen.de
Internet: www.NABU-Thueringen.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. November 2017

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