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MASSNAHMEN/112: Meeresnaturschutz - Übernutzung gefährdet die biologische Vielfalt der Meere (BfN)


Bundesamt für Naturschutz (BfN)
Pressemitteilung - Bonn, 12. März 2009

Übernutzung gefährdet die biologische Vielfalt der Meere

- International weitere Anstrengungen zur Ausweisung von Meeresschutzgebieten erforderlich


Hamburg/Bonn, 12. März 2009: Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) sieht in der Übernutzung der Meere eine deutliche Gefahr für die Erhaltung der biologischen Vielfalt in den Meeren. "Dem Meeresnaturschutz kommt zukünftig, aufgrund der rapide zunehmenden Nutzungsintensität der Ozeane eine herausragende Rolle zu" sagte Prof. Beate Jessel, BfN-Präsidentin vor Journalisten in Hamburg. Das BfN informierte über die besonderen Herausforderungen im Meeresnaturschutz angesichts einer stetigen Zunahme menschlicher Aktivitäten im Meer.

Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass weltweit inzwischen 40% aller Meeresgebiete einer intensiven menschlichen Nutzung ausgesetzt sind. Nur noch kleine Bereiche in den Polarmeeren sind bisher von menschlichen Aktivitäten weitgehend unbeeinflusst. Auch die europäischen Meere und insbesondere die Nord- und Ostsee sind einer Vielzahl von Nutzungsformen ausgesetzt. Jessel nannte als Beispiel die Baumkurrenfischerei: "Bestimmte Gebiete in der Nordsee werden mit diesem Fanggerät bis zu 20-Mal pro Jahr regelrecht umgepflügt". Weitere Belastungen neben der Fischerei sind u.a. die Erdöl- und Erdgasgewinnung, der Sand- und Kiesabbau, räumliche Nutzungen wie Pipelines und Kabel, der Bau von Windkraftanlagen, sowie der Schiffsverkehr. Die hohe Nutzungsintensität der Meere hat zwangsläufig eine Vielzahl negativer Auswirkungen zur Folge, die von der Störung oder Tötung empfindlicher Arten bis zur Zerstörung von Lebensräumen reichen.

BfN-Präsidentin Jessel unterstrich, dass ein effektiver Schutz der Arten und Lebensräume im marinen Bereich mit einem wesentlich höherem Aufwand verbunden ist als der Naturschutz an Land. In Deutschland ist das Bundesamt für Naturschutz in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) federführend zuständig für den Meeresnaturschutz im Rahmen nationaler, europäischer (Natura 2000-Richtlinien, Meeresstrategie Rahmenrichtlinie) und internationaler Verpflichtungen (z.B. Oslo-Paris Übereinkommen, Helsinki-Übereinkommen).

Das BfN ist weiterhin verantwortlich für die fachliche Umsetzung der Habitat- und Vogelschutzrichtlinie in der deutschen AWZ der Nord- und Ostsee. Mit der Meldung von acht FFH-Gebieten und zwei Vogelschutzgebieten und damit über 30% der deutschen AWZ als Natura 2000-Gebiete im Jahr 2004, ist Deutschland international Vorreiter. Aus Sicht des BfN ist es nun dringend erforderlich, wirksame Schutzgebietsverordnungen zu erarbeiten und zu implementieren. Um einen effektiven Schutz der marinen Biodiversität und die Erhaltung oder Wiederherstellung des günstigen Zustands von Arten und Lebensräume zu erreichen, sind dabei in den Schutzgebieten auch Nutzungseinschränkungen bis hin zu Verboten für die Sand- und Kiesgewinnung sowie die verbesserte Regulierung der Fischerei erforderlich. Große Defizite im Meeresnaturschutz bestehen auch noch international: Weltweit gibt es zwar über 5000 marine Schutzgebiete, die aber nur 0,72% der Meeresfläche abdecken, - viel zu wenig, um einen wirksamen Schutz der marinen Lebenswelt zu gewährleisten.

Das BfN wies darauf hin, dass die Fischerei eine der menschlichen Aktivitäten darstellt, die weltweit und "vor der Haustür" besonders negative Auswirkungen auf marine Ökosysteme hat. Wie der jüngste Bericht der Welternährungsorganisation FAO zeigt, sind mittlerweile weltweit 80% der Fischbestände überfischt oder bis an die Grenzen ihrer biologischen Kapazität genutzt. Beim letzten FAO Zustandsbericht im Jahr 2006 lag dieser Anteil schon bei 77%. Der Zustand der kommerziell genutzten Fischbestände hat sich somit weiter verschlechtert und macht diese auch anfälliger gegenüber Auswirkungen des Klimawandels. Die Fischerei wirkt sich jedoch nicht nur auf die Bestandsgröße, Altersstruktur und genetische Vielfalt kommerziell genutzter Fischbestände aus, sondern hat weitere negative Auswirkungen wie den Beifang von Nichtzielarten und destruktive Effekte auf den Meeresboden, dessen Lebensräume und Arten.

Das BfN setzt sich für verschiedene Lösungsansätze ein, um die kommerzielle Fischerei ökosystemgerecht zu gestalten. Beispielsweise die Zertifizierung ökosystemverträglich und nachhaltig gemanagter Fischereien wie etwa nach den Kriterien des "Marine Stewardship Council (MSC)" oder die Einrichtung eines Netzwerks "gut verwalteter" Meeresschutzgebiete. Insbesondere in den marinen Natura 2000-Gebieten in der deutschen AWZ von Nord- und Ostsee besteht die Notwendigkeit, die Fischerei durch entsprechende Maßnahmen so zu gestalten, dass negative Auswirkungen auf geschützte Arten und Lebensräume vermieden werden.

Zur Umsetzung dieses Schutzauftrages hat das BfN in dem dreijährigen Forschungsvorhaben "Ökosystemverträgliche Fischerei in Marinen Schutzgebieten, (EMPAS)" die Auswirkungen der Fischerei auf die Schutzziele in den marinen Natura 2000-Gebieten der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) durch den renommierten "Internationalen Rat für Meeresforschung" (ICES, Kopenhagen) untersuchen und Managementoptionen zur Lösung dieser Konflikte entwickeln lassen. Als wesentliche Konfliktfelder wurden dabei die schädigenden Auswirkungen der schweren Grundschleppnetzfischerei auf Sandbänke und Riffe, sowie die zu hohe Sterblichkeit von Seevögeln und Schweinswalen in Grundstellnetzen identifiziert. Geeignete Fischereimanagementmaßnahmen, sind gemäß der Empfehlung des ICES, die räumlich und zeitlich differenzierte Schließung von marinen Natura 2000-Gebieten für bestimmte Formen der Fischerei. Ferner könnte der verpflichtende Einsatz von Fanggeräten (z.B. Fischfallen), die keine negativen Auswirkungen auf Nichtzielarten und Lebensräume haben, zur Erreichung der Schutzziele beitragen.

"Nachdem die Hauptkonflikte zwischen der Fischerei und den Natura 2000 Schutzzielen identifiziert wurden, besteht nun dringender Handlungsbedarf, im Rahmen der Gemeinsamen Europäischen Fischereipolitik entsprechende Maßnahmen für einen effektiven Schutz von Arten und Habitaten in marinen Natura 2000-Gebieten zu ergreifen," sagte BfN-Präsidentin Beate Jessel.


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Quelle:
BfN-Pressemitteilung, 12.03.2009
Herausgeber: Bundesamt für Naturschutz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. März 2009