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WALD/717: Fatale Forstwirtschaft - Trauerstück im Spessart (BUND MAGAZIN)


BUND MAGAZIN - 4/2018
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

Fatale Forstwirtschaft
Trauerstück im Spessart

von Severin Zillich


Nördlich des Mains liegt im bayerisch-hessischen Grenzgebiet der Spessart. Weite Teile des Mittelgebirges schützt die EU als Fauna-Flora-Habitat- und Vogelschutzgebiet - darin die größten zusammenhängenden Laubmischwälder Deutschlands. Diesen Naturschatz gilt es gut zu hüten. Doch Bayerns Forstwirtschaft verfolgt andere Ziele.


Herbst im Spessart, wir laufen durch den »Heisterblock«. Auf etwa 300 Hektar erhebt sich einer der wertvollsten Laubwälder Deutschlands. Mächtige Buchen und Eichen ragen hier empor, meist viele hundert Jahre alt. Einige umgestürzte Stämme dienen Pilzen und Insekten als Nahrung. An einer Buche prangt der schneeweiße Igel-Stachelbart, abgebrochene Eichenäste überzieht der Mosaikschichtpilz, eine absolute Rarität. Nirgendwo sonst in Bayern leben mehr Hirschkäfer, Eremiten und andere »Urwaldkäfer«. Neben Vögeln wie dem Halsbandschnäpper nisten im Heisterblock die einzigen baumbrütenden Mauersegler des Freistaats. Eine Perle von Wald also, immens wichtig für die biologische Vielfalt.

Welch Glück muss es sein, einen solchen Wald in seiner Obhut zu haben - seine weitere Entwicklung und Entfaltung zu begleiten und ihn und die umliegenden Wälder des Hochspessarts für die Nachwelt zu erhalten!

Maximaler Gewinn

Die Verantwortung dafür tragen die Bayerischen Staatsforsten. Besser: sollten sie tragen. Ein Blick auf den - von Baumstümpfen übersäten - Waldboden verrät: Selbst in diesem Wunder von Wald fielen schon unzählige große Eichen der Säge zum Opfer. Der Wald wirkt deutlich aufgelichtet. Von einst 5000 Hektar Alteichen im Spessart ist kaum ein Zehntel übrig.

Heute gilt der Heisterblock als »Klasse 1-Wald«, sprich: Die Staatsforsten verzichten freiwillig darauf, hier Holz zu schlagen. Wirklich als Naturschutzgebiet gesichert ist bisher nur ein Viertel seiner Fläche. Ringsum schließen sich Wälder der Klasse 2 an, 140 bis 180 Jahre alt. Hier setzen die Staatsforsten auf maximalen Gewinn: Auf Tausenden Hektar wird der potenziell so wertvolle Laubwald intensiv genutzt. Der massive Holzeinschlag hinterlässt ein lückenhaftes Waldbild, plantagenartig werden Eichensetzlinge gehegt, in Eichenbeständen gar das Totholz abgeräumt. Nur zehn »Biotopbäume« pro Hektar bleiben unangetastet.

Diese Praxis verstößt gegen das Naturschutzrecht, das Verschlechterungen in den EU-Schutzgebieten verbietet. Ihr Ziel lautet: Zuwachs für den Heisterblock, also weitere Wälder der Klasse 1, soll es im Spessart nie mehr geben.

Nationalpark verhindert

Gemeinsam mit dem Waldbesitzer- und Bauernverband taten die Staatsforsten denn auch alles, um einen Nationalpark im Spessart zu verhindern. »Regelrecht aufgehetzt hat man die Leute in den umliegenden Gemeinden«, berichtet Michael Kunkel vom örtlichen BUND. Halbtags als Gemeindearbeiter beschäftigt, kennt er den Spessart wie kaum ein anderer. Er war es, der vor Jahren entdeckte, dass die Förster mitten in dem FFH-Gebiet Hochspessart Lichtungen in den Laubwald hauten und Douglasien pflanzten - Nadelbäume aus Nordamerika!

Im Rahmen einer Kampagne gelang es BUND und Greenpeace, die haarsträubende Praxis vom Europäischen Gerichtshof stoppen zu lassen. Douglasien dürfen die Förster im FFH-Gebiet nun nicht mehr pflanzen (rundherum schon). Die vor dem Urteil gepflanzten aber hegen sie weiter. Dieser und anderer Erfahrungen wegen spricht Michael Kunkel den Staatsforsten schlicht den Willen ab, das Schutzgut »Spessartwälder« zu bewahren.

Ein Nationalpark im Spessart hätte die wertvollsten Waldbereiche dem profitorientierten Zugriff entzogen. Jahrelang kämpfte der BUND in der Bürgerbewegung »Freunde des Spessarts« dafür, fast zwei Drittel der Menschen in der Region an seiner Seite. Doch die fehlinformierten sieben Anliegergemeinden entschieden jeweils knapp gegen einen Nationalpark.

Inzwischen hat die CSU unter Markus Söder das Ziel eines dritten Nationalparks in Bayern verworfen. Lieber will sie die Spessartnatur auf ihre Weise fördern, mit einem millionenschweren Bauprojekt (siehe Kasten). Und bestätigt einmal mehr, dass das Naturerbe der Laubwälder im Spessart bei ihr in ganz schlechten Händen ist.


KASTEN
Hafenlohrtal: Neuerliche Fehlplanung

Umgeben von Spessartwäldern liegt unweit von Aschaffenburg das idyllische Hafenlohrtal. Über 30 Jahre ging der BUND hier gemeinsam mit einer Aktionsgemeinschaft gegen den Plan vor, das Tal auf 15 Kilometer Länge mit einem Speichersee zu fluten. Erfolgreich, seit 2008 ist die Gefahr gebannt.

Teile des Tals stehen heute unter Naturschutz, der Lebensraum von 1600 Tier- und Pflanzenarten scheint gerettet. Doch sind die Freunde des Hafenlohrtals weiter gefordert. Zuletzt präsentierte die bayerische Regierung die Idee eines »Eichenzentrums«, inklusive Tagungshotel. Satte 26,5 Millionen Euro will sie dafür bewilligen. Mit der Ruhe wäre es in dem abgeschiedenen Tal dann vorbei. Nicht nur der BUND hält das Ganze für eine Fehlplanung: zu groß, zu teuer, zu wenig Effekt für den Naturschutz, zu sehr auf die Eiche als »Brotbaum« der Forstwirtschaft gemünzt ... Im gesamten Spessart regt sich Unmut. Damals wie heute an der Spitze des Widerstands: Sebastian Schönauer. Der Pädagoge ist seit 40 Jahren Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft, zudem Vizevorsitzender des BUND in Bayern und Sprecher des BUND-Arbeitskreises Wasser.

Mehr zum Thema
www.ag-hafenlohrtal.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Waldperle Heisterblock. Früher waren zwei Drittel Deutschlands mit altem Buchenwald bedeckt - heute dürfen noch zwei Promille älter als 160 Jahre werden.

- Pilzraritäten: Igel-Stachelbart und Mosaikschichtpilz im Heisterblock.

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Quelle:
BUND MAGAZIN 4/2018, Seite 34 - 35
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Dezember 2018

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