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WASSER/213: Um die Vielfalt der Tiefsee zu schützen, dürfen wir nicht aufhören zu forschen (idw)


Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung - 02.10.2010

Um die enorme Vielfalt der Tiefsee zu schützen, dürfen wir jetzt nicht aufhören zu forschen.


Der Census of Marine Life, der am 4. Oktober vorgestellt wird, zeigt vor allem eins: Um den Schatz unserer Ökosysteme und Artenvielfalt überhaupt erkennen und wertschätzen zu können, ist aufwändige, langwierige und oft auch teure Forschung notwendig. Der Aufwand lohnt sich auch wirtschaftlich, denn der Nutzen für uns Menschen aus dieser Vielfalt ist enorm. Klar wird auch: Ohne internationale Schutzabkommen wird sie verschwinden. Doch wer ist auf dem offenen Meer zuständig? Im Nordatlantik ist das schon geklärt. Das erste Hochseeschutzgebiet kommt. Census-Forscherin Prof. Angelika Brandt erzählt im NeFo-Interview, was wir für effektiven Schutz der Tiefsee noch alles wissen müssen.

25 repräsentative Meeresregionen hat der Census of Marin Life, die Volkszählung der Meere, für seine Berechnungen herangezogen. Die Daten, auf denen die Studie fußt, stammen aus spärlichen, ungleich verteilten Stichproben. Die Ozeane sind riesig. Sie nehmen 71 Prozent der Erdoberfläche ein. Die Daten der oberen Schichten sind relativ zahlreich. Je tiefer, desto rapider sinkt jedoch die Datenmenge. Laut Census kennen wir nicht einmal ein Viertel der Meeresbewohner. Doch so wenig man auch weiß, soviel steht fest: Je tiefer desto höher die Artenvielfalt, weiß Prof. Angelika Brandt, Zoologin an der Uni Hamburg. Gemeinsam mit einem internationalen Team holte sie 2007 bei einer Forschungsexpedition 674 verschiedene Arten allein von Isopoden, asselartigen Krebstieren, aus der Antarktischen Tiefsee. 585 davon waren der Wissenschaft neu.

[Im NeFo-Interview spricht Prof. A Brandt zu aktuellen Forschungsfragen und nötigen Schutzmaßnahmen.] http://www.biodiversity.de/index.php?option=com_content&view=article&id=970%3Ainterview-brandt&catid=114&Itemid=355&lang=de

Doch dieser Artenreichtum der Meere wird tagtäglich zerstört durch Grundschleppnetze, Abbau von Bodenschätzen, Überdüngung und Klimawandel. Die Ergebnisse des Census' zeigen auch, wie dringend notwendig Schutzmaßnahmen weltweit sind. Dazu gehören laut der Forschung zum einen nachhaltigere Wirtschaftsweisen wie Fischfang, also geringere Fangquoten, Regelungen, die den Beifang verringern, aber auch die Einrichtung von Meeresschutzgebieten.

Letzterem wollen sich Ende Oktober in Nagoya die UN-Vertragsstaaten der CBD widmen. Doch hier eine Regelung zu finden ist gar nicht so einfach, denn 64 Prozent der Ozeanfläche befinden sich außerhalb der Wirtschaftszonen von Staaten und gehören somit allen und niemandem. Genutzt werden solche Regionen deshalb gern von allen Seiten. Doch wer soll den Schutz, sprich die Kontrolle künftiger Schutzgebiete übernehmen, wenn Kosten und Verantwortung anfallen? Außerdem hat die CBD bisher keine Befugnis für Regelungen außerhalb der Mitgliedsstaaten. Diese müssten also, meinten sie es ernst, die Satzung der CBD ändern. Doch Vorbehalte werden schon aus dem bei der COP diskutierten Ziel im Strategischen Plan deutlich. Bis 2020 sollen "X Prozent" der Meeresoberfläche Schutzgebiete sein. Zu einer konkreten Zahl konnte man sich im Gegensatz zu terrestrischen Schutzgebieten im Vorfeld nicht durchringen. Aus den Verhandlungen früherer Jahre steht jedoch eine Zahl von sechs Prozent im Raum.


Erste Hochseeschutzgebiete kommen

Am 24. September hat das Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Nordost-Atlantiks OSPAR die Einrichtung der weltweit ersten sechs Hochseeschutzgebiete mit der Gesamtfläche von 285.000 km2 bekannt gegeben. Sie sollen im Bereich der Charlie Gibbs-Bruchzone eingerichtet werden. Diese befindet sich nördlich der Azoren, einem Teil des Mittelatlantischen Rückens, der West- und Ostatlantik trennt. Das Gebiet ist ein beliebtes Wale-Watch-Gebiet für Touristen. Es finden sich bedrohte Fischarten wie z.B. den Kaiserbarsch. Geht man weiter in die Tiefe, finden sich Tiefseekorallen, Anglerfisch und weitere seltene Arten, die durch starke Sand- und Kiesförderung, Tiefseeschleppnetze, Seekabelverlegung und militärische Aktivitäten bedroht sind. Die OSPAR regelt alles, was in die Nordsee oder den Nordatlantik eingeleitet, versenkt oder auf andere Weise eingebracht wird. Dazu gehört auch die Aufstellung von Windenergieanlagen oder Bohrinseln.


Kontakt:
Sebastian Tilch
NeFo Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ
Tel: 0341 235 - 1062
Email: medien@biodiversity.de

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Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter der WWW-Adresse:
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Prof. Angelika Brandt - Zoologisches Museum Universität Hamburg

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung, Sebastian Tilch, 02.10.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Oktober 2010