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LAIRE/193: Gründung einer Weltumweltorganisation - kommt die Öko-Diktatur? (SB)


Vorbereitung auf den Gipfel "Rio+20"

Mehr als 100 Staaten für die Einrichtung einer
Weltumweltorganisation


Seit einigen Jahren werden Konzepte zur Bildung einer Weltumweltorganisation diskutiert. Als Nachfolgerin des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) gedacht, soll sie die zahlreichen umweltrelevanten UN-Organisationen, -Konventionen und -Programme sowie weitere globale Einrichtungen unter einem Dach zusammenfassen. Die neue Institution würde mit einem festen Budget und mit deutlich mehr Befugnissen ausgestattet, um den globalen Herausforderungen des Umweltschutzes besser gerecht werden zu können. Zivilgesellschaftlichen Organisationen wie auch Vertretern der Wirtschaft würde ein Mitspracherecht eingeräumt - Vorschläge und Ideen, die von Frankreich und Deutschland mit einigem Nachdruck verfolgt werden.

Am Dienstag berichtete die französische Umweltministerin Nathalie Kosciusko-Morizet, daß bei einer Vorbereitungskonferenz in Paris zum 20. Umweltgipfel vom 20. bis 22. Juni in Rio de Janeiro mehr als 100 Staaten den französischen Vorschlag zur Bildung einer Weltumweltorganisation - World Environment Organisation (WEO) - unterstützt haben. [1] Die USA gäben sich allerdings zurückhaltend gegenüber dem Vorschlag, so die Ministerin, da sie Fragen hinsichtlich der Souveränität hätten.

Vergleichbar mit Ideen, wie sie auch von der deutschen Partei Die Grünen propagiert werden, wünscht sich Kosciusko-Morizet einen Kapitalismus, der umweltfreundlich aus der gegenwärtigen Krise hervorgeht. Beim Streben nach Profit sollten grüne und soziale Fragen fester Bestandteil der Weltwirtschaft werden. Da hätte auch eine WEO ihren Platz. "Wir suchen nach einer neuen Art von Umweltregierung, die integrativer sein müßte und in der nicht nur Regierungen das Sagen haben, sondern alle gesellschaftlichen Kräfte mitsprechen können", erklärt die französische Ministerin. [1]

Seitdem regional auftretende Umweltphänomene wie Desertifikation, Verlust des Regenwalds, Baumsterben, häufigeres Auftreten von Dürren und Überschwemmungen, Gletscherschwund, etc. in einem größeren Rahmen betrachtet und als weltweite Trends erkannt werden, entstand im gleichen Atemzug der Wunsch, diesen großen Problemen global-administrativ entgegenzutreten. So wurden im Laufe der Jahrzehnte zahlreiche Einrichtungen vorzugsweise unter dem Dach der Vereinten Nationen geschaffen, die aber kaum Durchgriffsrechte haben.

Wäre es dann nicht wünschenswert, wenn eine Weltumweltorganisation existierte, die mehr Vollmachten besäße? Oder würde das in die nationale Souveränität eingreifen und Wegbereiter einer Öko-Diktatur sein? Solche Fragen werden im gesellschaftlichen Diskurs durchaus gestellt [2], wenngleich der Eindruck entsteht, daß sie allzu leichtfertig abgehandelt werden. Das mag daran liegen, daß die Diskutanten aus eben jenen Fachkreisen (Ökonomie und Ökologie) stammen, die sich von dieser Form der globaladministrativen Innovation mehr Einfluß auf die Umweltpolitik versprechen und somit eigene Interessen verfolgen. Die müssen sich nicht zwingend mit denen der übrigen Gesellschaft decken, auch wenn sie in ihrem Namen vorgetragen werden.

Generell zeigt allerdings die Zurückhaltung der USA und anderer Nationen, daß mit der Einrichtung einer globalen Umweltadministration die brisante Frage der Staatlichkeit berührt wird. Die nationale Souveränität wird zwar im politischen Tagesgeschehen öfters aufgebrochen, beispielsweise wenn die vom UN-Sicherheitsrat abgesegnete Einrichtung einer Flugverbotszone in Libyen benutzt wird, um einen Regierungswechsel herbeizubomben, aber ein institutionalisiertes Exekutivorgan in Umweltfragen dürfte auf immer mehr Widerstand stoßen, je konkreter die Umsetzung der Vorschläge voranschreitet und je mehr sich der Pferdefuß an der Geschichte abzeichnet. Denn ohne Einschränkung der nationalen Kompetenzen wird eine Hyperadministration nicht zu haben sein.

Das läßt sich aus verschiedenen Entwicklungen herleiten. Erstens muß selbst innerhalb der Vereinigten Staaten die Umweltschutzbehörde EPA ständig gegen Versuche der Regierung und der Bundesstaaten, ihre Kompetenzen zu beschneiden, angehen. Um so mehr würde das für eine Weltumweltorganisation gelten. Vergleichbar widerstreitende Interessen gibt es in Deutschland zwischen dem Umwelt- und dem Wirtschaftsministerium. Zweitens bestehen seitens der USA erhebliche Widerstände gegen die Vereinten Nationen, die dort den Ruf eines Debattierclubs genießen, der nur Gelder verschlingt und bevormundende Resolutionen verabschiedet. Auch hier wäre die Frage zu stellen, wie sehr die Vorbehalte gediehen, sollte eine Weltumweltorganisation unter der Ägide der Vereinten Nationen versuchen, die Umweltgesetze der USA zu bestimmen.

Ein drittes Beispiel, weswegen in absehbarer Zeit aus dem zahnlosen Tiger UNEP wohl keine bissige WEO werden wird, betrifft die internationalen Klimaschutzverhandlungen. Die Weltklimakonferenz 2009 in Kopenhagen gilt selbst in der Lesart wohlwollender Analysten als weitgehend gescheitert, da es nicht gelungen ist, die Staatengemeinschaft dazu zu bewegen, Verpflichtungen zum Klimaschutz einzugehen. Auch die Klimakonferenz im Dezember 2011 in Durban hat nur mäßige Erfolge zu verzeichnen. Das 2012 endende Klimaschutzprotokoll von Kyoto ist zwar nicht endgültig gestorben, wird aber voraussichtlich bis Ende des Jahrzehnts nicht verschärft, was nach Ansicht von Wissenschaftlern dringend geboten wäre, um eine unumkehrbare Erderwärmung mit unabsehbarem Ende zu vermeiden. Wenn sich aber der internationale Klimaschutz schon so schwer tut, verbindliche Ziele zu formulieren, an die sich die Unterzeichnerstaaten zu halten haben, um wieviel mehr würde das für die Bestimmungen gelten, die eine Weltumweltorganisation erlassen würde?

Die Befürworter der Gründung einer WEO kennen selbstverständlich die Vorbehalte und werden versuchen, damit umzugehen. Frankreich, Deutschland und andere Staaten, die sich als Vorreiter in Sachen Umweltschutz geben, werden so eine Einrichtung vermutlich Schritt für Schritt aufbauen. Wie sie am Ende aussehen wird, läßt sich natürlich nicht mit Sicherheit sagen, aber es lassen sich auf der Grundlage bestehender administrativer Strukturen und Entwicklungen sehr wohl gewisse Tendenzen ausmachen.

Beispielsweise erkennen die USA und andere Staaten den hauptsächlich von den europäischen Ländern propagierten Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) nicht an. Dennoch arbeiten sie eng mit den Europäern zusammen und unterstützen beispielsweise die umstrittene Ausstellung eines internationalen Haftbefehls gegen den amtierenden sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir. Dennoch gilt weiterhin, daß keine US-Bürger vom IStGH angeklagt werden - eine Praxis, die der ursprünglich von der US-Regierung angestrebten Ausnahmeregelung für ihre Staatsbürger von der Strafverfolgung durch das Weltgericht sehr nahe kommt.

Sollte ungeachtet all dieser Bedenken eines Tages dennoch eine Weltumweltorganisation geschaffen werden, die mit exekutiven Befugnissen ausgestattet wäre und diese auch durchsetzen könnte, so bestünde die Gefahr, daß sie ähnlich wie der IStGH, der auffälligerweise bislang nur Personen aus Afrika angeklagt hat, zu einem Instrument in der Hand vorherrschender Interessen verkommt. Gegenwärtig sind das die USA und Europa, was langfristig nicht so bleiben muß.

Schreibt man das heutige Verhältnis der Staaten untereinander in die Zukunft fort, so überwiegen entweder die sich abgrenzenden oder die andere vereinnehmenden Kräfte. Unter dem Druck der Ressourcenknappheit, der vielfältigen Klimawandelfolgen und der systemischen Krise der vorherrschenden, auf Wachstum und Profit ausgerichteten Verwertungsordnung steuert die globale Gesellschaft auf politische Verhältnisse zu, die eigentlich als überwunden geglaubt wurden. Doch

- wenn in Deutschland der Vorschlag hoffähig wird, weniger Demokratie zu wagen [3],
- wenn der als Stichwortgeber der Regierung geltende Berliner Politikwissenschaftler Herfried Münkler über die "Lahme Dame Demokratie" schreibt und die angeblichen Vorzüge des zentralistisch regierten Chinas herausstreicht [4],
- wenn in immer mehr Publikationen von Postdemokratie oder Demokratur (Demokratie + Diktatur) geträumt wird,
- wenn der US-Präsident das "National Defense Authorization Act 2012" (NDAA) unterzeichnet und damit das jahrhundertealte "Habeas Corpus"-Recht aushebelt, das heißt, wenn er zu absolutistischen Herrschaftsverhältnissen zurückkehrt, indem den Bürgern der USA und anderer Staaten faktisch das Recht auf richterliche Prüfung ihrer Inhaftierung aberkannt wird,
- wenn im weltweiten Drohnenkrieg des US-Militärs Menschen und nicht selten ihre Angehörige und Freunde oder zufällig in der Nähe stehende Personen willkürlich per Raketenbeschuß liquidiert werden,
- wenn Verschleppung und Folter von Menschen nicht mehr juristisch verfolgt, sondern als unverzichtbar für die "nationale Sicherheit" gepriesen werden,


dann entfernt sich die Weltgesellschaft nicht von repressiven Verhältnissen, sondern steuert schnurstracks in sie hinein. Da fällt es schwer zu glauben, daß ausgerechnet eine Umweltgesetzgebung einen emanzipatorischen Gegenpol zu den weitere fortschreitenden, rückwärtsgewandten Entwicklungen bilden soll. Liegt die Annahme nicht nahe, daß so eine exekutiv bevollmächtigte Einrichtung wie die WEO Werkzeug und Werkstoff einer öko-diktatorischen Entwicklung werden könnte? Und daß der von Regierungsparteien propagierte Green New Deal zur Rettung des Kapitalismus mit Hilfe von Umweltschutztechnologien zu nichts anderem führt als zu einer grün geprägten Qualifizierung der administrativen Verfügungsgewalt?

Ein Beispiel: Der in der Ökobewegung propagierte und selbst mit ökosozialistischen Konzepten kompatible Begriff der Suffizienz (Genügsamkeit) eignet sich bestürzend gut für Ansatzflächen und Hebel zur Etablierung eines Mangelregimes unter der Maßgabe von Klima- und Umweltschutz. Was bis jetzt noch mit Forderungen versehen wird, daß Suffizienz eben genau keine Einschränkung der Lebensqualität bedeuten soll, könnte in der Realität genau umgekehrt in der Drangsalierung des einzelnen münden, nur so viel zu verbrauchen, wie ihm von der Mangeladministration zugestanden und zugeteilt wird.

In Kriegszeiten wurden den Bürgern sogar Nippes wie der röhrende Hirsch aus Bronze auf dem Wohnzimmerschrank für die immer hungrigere Kriegsmaschinerie weggenommen. Mit dem Kampf gegen den Klimawandel ließen sich ideologisch ähnliche Begründungen für noch viel weitreichendere Notmaßnahmen finden und durchsetzen. Falls jemals eine Weltumweltorganisation gegründet wird, für die nicht das Prädikat "zahnlos" gilt, dann geschähe dies absehbar nur in zugespitzten gesellschaftlichen Mangelverhältnissen, die von einem diktatorischen Regime verwaltet werden.

Die Schlußfolgerung dieser Vermutung muß jedoch nicht bedeuten, die Hände in den Schoß zu legen und globale Umweltverschmutzungen zu ignorieren. Aber die Reihenfolge gilt es zu beachten. Solange die gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen die Arbeit der Menschen immer weitreichender und tiefgreifender verwertet wird, nicht hinterfragt werden, gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, daß globaler Umweltschutz nicht in Verhältnissen endet, die der Stoff von Dystopien sind.



Anmerkungen:

[1] "100 countries back world environment agency: France", AFP/TerraDaily.com, 31. Januar 2012
http://www.terradaily.com/reports/100_countries_back_world_environment_agency_France_999.html

[2] "Eine Weltumweltorganisation: Ökokratie oder Motor globaler Umweltpolitik?", Forum Globale Fragen "kompakt", Auswärtiges Amt, 20. September 2004
http://www.auswaertiges-amt.de/cae/servlet/contentblob/385088/publicationFile/4366/ForumKompakt2-Oekokratie.pdf

[3] Laszlo Trankovits: "Weniger Demokratie wagen. Wie Wirtschaft und Politik wieder handlungsfähig werden", Frankfurter Allgemeine Buch, 11. August 2011.

[4] "Lahme Dame Demokratie. Wer siegt im Systemwettbewerb?", Herfried Münkler, in: "Internationale Politik", Mai/Juni 2010, S. 10 - 17
https://zeitschrift-ip.dgap.org/de/ip-die-zeitschrift/archiv/jahrgang-2010/mai-juni/lahme-dame-demokratie

1. Februar 2012