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LAIRE/211: Wetterextreme - Ärmere Menschen trifft's als erste (SB)


Entfesseltes Klima

Rußland eiserstarrt, UK überflutet, Sonnenbaden in München



Nein, die Existenz des Klimawandels wird durch die katastrophalen Wetterverhältnisse der jüngsten Zeit nicht bewiesen. Das ginge von vornherein nicht, da "Klimawandel" im wesentlichen eine Chiffre für statistische Kurvenverläufe (beispielsweise für Faktoren wie Temperatur, Niederschlagsmenge, Eisbedeckung, Sturmhäufigkeit und -intensität) ist. Außerdem ist "Klima" erdgeschichtlich gesehen der Inbegriff von Wandel - eine Veränderung müßte gar nicht erst bewiesen werden.

Ungeachtet dessen kommt es gegenwärtig zu einer auffälligen Häufung meteorologischer Extremereignisse mit teils katastrophalen Folgen für die menschliche Gesellschaft, wie sie von Klimaexperten vermehrt für die Zukunft prognostiziert werden. In Rußland ist das Thermometer auf weit unter -30 Grad gefallen - in der Teilrepublik Sacha in Sibirien wurden sogar -57 Grad registriert - Minusrekord seit mindestens einem halben Jahrhundert. Sicherlich sind die Russen Tiefsttemperaturen gewöhnt, aber normalerweise treten die erst im Januar und Februar auf. Die vorweihnachtliche Eiseskälte hat auch die Ukraine und unseren Nachbarn Polen erfaßt. In Folge der bitteren Kälte sind schon mehrere hundert Menschen erfroren und mehrere tausend mußten sich zur Behandlung ins Krankenhaus begeben.

Doch in der Bundesrepublik, unweit dieser frostigen Zone, waren die Temperaturen auf 20,7 Grad Celsius (München) gestiegen. Der wärmste Heiligabend seit Beginn der regelmäßigen Wetteraufzeichnungen. Zwischen diesen extremen Einflußgebieten toben heftige Stürme, die zu einer anderen Zeit von Menschen womöglich als Auseinandersetzung zwischen den Göttern gedeutet worden wären.

Auf den britischen Insel wird derweilen Land unter gemeldet. Die Vereinigten Staaten, kaum erholt von den Folgen des Wirbelsturms Sandy, der Teile New Yorks unter Wasser gesetzt hatte, verzeichnen schwere Schneestürme. Das alles hat es so oder in ähnlicher Form in der Vergangenheit schon mal gegeben, lautet ein Argument, das in der Klimadebatte immer wieder zu hören ist. Doch was soll damit gesagt werden? Etwa, daß Menschen schon immer Opfer von Unwettern geworden und gestorben sind? Soll das die diesjährige Weihnachtsbotschaft sein: Hände in den Schoß legen und das Schicksal annehmen?

Dieses vermeintliche Schicksal hat aber ziemlich viel mit der menschlichen Gesellschaft und den darin vorherrschenden Kräften und Interessen zu tun. Die ergreifen nach wie vor keine ausreichenden Klimaschutzmaßnahmen, um der allgemeinen Erderwärmung, von der global die ärmeren Menschen als erstes und am schwersten getroffen werden, entgegenzutreten. Statt dessen werden Mammutkongresse wie jüngst in Doha veranstaltet. Auf denen wird dann beschlossen, daß man weitere Mammutkongresse veranstalten und bis dahin - welch ein Erfolg! - ein gemessen an den Erfordernissen völlig unwirksames Abkommen beibehalten will, das Kyoto-Protokoll.

Dieses 1997 beschlossene sogenannte Klimaschutzabkommen hat dem grünen Kapitalismus den Weg bereitet, indem es Verfahren wie die Clean Development Mechanisms (CDM) zuließ, mit der die energieintensive Industrie sich von Verpflichtungen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen freikaufen konnte - mit dem Geld der Steuerzahler, denn die Industrie bekam die sogenannten CO2-Zertifikate geschenkt. Was die Energieunternehmen übrigens nicht daran gehindert hatte, wegen der "Belastung" die Preise zu erhöhen.

Auf der anderen Seite werden Menschen, die verhindern wollen, daß in der Bundesrepublik weiterhin die besonders klimaschädliche Braunkohle abgebaut wird und daß dafür ganze Landschaften weggerissen werden - im Hambacher Forst sogar einschließlich eines uralten Baumbestands - von den Konzernmedien weitgehend ignoriert und von den Behörden behindert. So soll der Kreis Düren den Besitzer eines Geländes, auf dem Umweltaktivisten ein Klima-Camp aufschlugen, zur Räumung desselben aufgefordert haben, weil, so die amtliche Begründung, für diese "Anlagen zu Aufenthaltszwecken" keine Baugenehmigungen erteilt worden seien. [1] Aufzuzählen, was der für die Waldrodung verantwortliche und vom Braunkohleabbau profitierende Energiekonzern RWE (Gewinn 2011: ca. 1,8 Mrd. Euro) alles für die Stadt Düren und andere Kommunen der Region getan hat, ersparen wir uns an dieser Stelle.

Selbst das wirtschaftsfreundliche "Handelsblatt" schrieb vor wenigen Tagen, daß der Anteil der Kohle am globalen Energiemix in den nächsten Jahren wachsen wird und daß dies "dramatische Folgen" für das Klima haben werde. [2] Deutschland ist Weltmeister bei der Verstromung von Braunkohle; bei der ebenfalls klimaschädlichen Steinkohle führt China. Mit ihr wurde ein nicht unerheblicher Anteil der Waren, die zu Weihnachten auf dem Gabentisch des deutschen Michels gelandet sind, produziert.

Was also tun? Beispielsweise jene unterstützen, die nicht müde werden, mit ihrem Protest auf den Widerspruch zwischen der von Deutschland beanspruchten Vorreiterrolle in Sachen Klimaschutz und der Waldvernichtung für den Abbau von Braunkohle aufmerksam zu machen. Gleichzeitig sollten jene, denen der sogenannte Klimaschutz ein ernsthaftes Anliegen ist, jeglichen Versuchen auch und besonders seitens der erwähnten vorherrschenden gesellschaftlichen Kräfte, die Klimaschutz auf eine individuelle Verhaltensanpassung reduzieren wollen, entschieden entgegentreten: Klimaschutz ist Katastrophenschutz und somit zuvorderst eine Frage der Produktions- und Reproduktionsbedingungen. Das zeigt sich beispielsweise an den jüngsten Kältetoten in Rußland ebenso wie an den Opfern der Katrina-Katastrophe 2005 in den USA oder den Hitzetoten 2003 in Frankreich und anderen Ländern Westeuropas. Betroffen sind vor allem ärmere Menschen (Rußland 2012), ärmere Afroamerikaner (New Orleans 2005) und ärmere ältere (nach neoliberaler Lesart: gesellschaftlich unproduktive) Menschen (Frankreich 2003).


Fußnoten:

[1] http://www.radioerft.de/erft/re/835995/news/rhein-erft_kreis

[2] http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/prognose-der-energieagentur-dem-klima-drohen-harte-zeiten-seite-all/7537192-all.html

25. Dezember 2012