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LAIRE/213: Wer profitiert vom Erneuerbare-Energien-Gesetz? (SB)


Subventionen für dezentrale Energien sind keine Verluste, sondern eine Form der Umverteilung



Es gibt gute Gründe für eine Kritik am Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Die exorbitanten Kosten, die es angeblich verursacht, gehören jedoch nicht dazu. Nur weil auf der Stromrechnung der Kunden die EEG-Umlage eigens ausgewiesen ist, wohingegen die Förderung von Atom- oder Kohlestrom nicht aufgeführt wird, bedeutet dies noch lange nicht, daß dem Staat und der Gesellschaft diese umwelt- und gesundheitsschädlichen Energieträger nicht teuer zu stehen kommen.

Laut der Studie "Was Strom wirklich kostet - Vergleich der staatlichen Förderungen und gesamtgesellschaftlichen Kosten von konventionellen und erneuerbaren Energien" vom August 2012, die Greenpeace und der Bundesverband Windenergie erstellt haben [1], brauchen die erneuerbaren Energien einen Vergleich mit den traditionellen Energieträgern nicht zu scheuen. Zwischen 1970 und 2012 haben Steinkohle 311 Mrd., Atomkraft 213 Mrd., Braunkohle 87 Mrd. und Erneuerbare Energien 67 Mrd. Euro Förderung erhalten.

Bei dem letztlich aussagekräftigeren Wert der erzeugten Strommengen liegen die Erneuerbaren zwar mit einer Förderung von 3,4 Cent pro Kilowattstunde an zweiter Stelle hinter der Atomkraft (4 Cent/KWh), aber der Wert wird sinken, weil die Subventionierung von Photovoltaikanlagen kräftig zurückgefahren wird. Zugleich werden die Energiesysteme leistungsstärker, so daß sie einen höheren Output pro subventioniertem Cent leisten.

Die Frage, was eigentlich "Kosten" sind, wird kaum gestellt, und in Folge dessen wird in der öffentlichen Debatte ein fundamentales Argument gegen Atom- und Kohlekraftwerke weitgehend unterschlagen: Die Subventionierung der erneuerbaren Energien kommt zahlreichen Bundesbürgerinnen und -bürgern unmittelbar zugute - die Subventionierung der Atom- und Kohlekraftwerke jedoch nur den wenigen Eignern. Das EEG ist somit auch eine Maßnahme der gesellschaftlichen Umverteilung und weniger der "Kosten", wohingegen die Förderung der fossilen und atomaren Energiewirtschaft die Bildung oligopoler Verhältnisse begünstigt. Davon profitiert dann nur eine Handvoll Personen.

Darüber hinaus warnen Volkswirtschaftler seit längerem, daß Deutschlands starke Exportorientierung die Gefahr wegbrechender Absatzräume birgt. Den zu erwartenden drastischen Folgen für die Wirtschaft solle die Bundesregierung daher vorsorglich durch eine Stärkung der Binnennachfrage entgegenwirken. Eine höhere Binnennachfrage bedeutet, daß die Menschen mehr Geld in der Tasche haben und bereit sind, es auszugeben. Die vom Staat geförderten dezentralen Energieträger erfüllen diese Funktion viel mehr als die zentralistischen Großkraftwerke.

Zu letzteren müssen auch die Offshore-Windparks gezählt werden, die laut einer Novelle des EEG in besonderer Weise begünstigt werden, während die Förderung von Onshore-Windenergie- und Photovoltaikanlagen reduziert wird. Damit hat die schwarz-gelbe Bundesregierung eine Richtungsentscheidung für die Konzerne getroffen und sich nicht zuletzt von der Idee hinter dem EEG abgewendet.

Einer seiner "Väter", der 2010 verstorbene Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer (SPD), verfolgte die Vision einer Gesellschaft, in der die Energie dezentral - vorzugsweise mittels Photovoltaik - erzeugt und so nicht über lange Strecken transportiert, sondern möglichst lokal verbraucht wird. Die Dezentralität erfüllt demnach auch die Funktion eines anderen Gesellschaftsentwurfs.

Daß dieser nicht einmal im Ansatz verwirklicht wird, hat nicht nur mit den alteingesessenen Kräften aus der Wirtschaft und ihren traditionell guten Verbindungen ins konservative und liberale Lager der Politik zu tun, sondern auch mit den neuen Machtstrukturen der Green Economy, des grünen Kapitalismus in Deutschland. Daran beteiligte Unternehmen neigen nicht minder zur Monopolbildung und pflegen ihre Konkurrenz zu verdrängen (oder werden von der Konkurrenz ausgestochen, wie der Niedergang der deutschen Solarwirtschaft zeigt).

Die Arbeitsbedingungen in der Green Economy unterscheiden sich im Prinzip nicht von denen in der konventionellen Energiewirtschaft. Um einen per se anderen Gesellschaftsentwurf handelt es sich keineswegs, wenn immer mehr Firmen Windräder, Blockheizkraftwerke oder Solaranlagen produzieren, statt Braunkohlebriketts zu pressen, Erdöl zu raffinieren oder Uran anzureichern. Ein Arbeiter in der grünen Wirtschaft trägt ebenso seine Arbeitskraft zu Markte wie sein Kollege im Braunkohletagebau. Die Dezentralität von Energieproduktion und -verbrauch stellt somit nicht mehr als eine Begleitfolge des konsequenten Hinterfragens der vorherrschenden Produktionsweisen dar - aber auch nicht weniger.


Fußnoten:

[1] http://www.greenpeace-energy.de/uploads/media/Stromkostenstudie_Greenpeace_Energy_BWE.pdf

27. Februar 2013