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LAIRE/220: Tempolimit (SB)


Drei-Minuten-Einwurf zum Tempolimit auf Autobahnen und darüber hinaus



Inzwischen ist das SPD-Vorstandsmitglied Sigmar Gabriel von seiner unpopulären Befürwortung eines Tempolimits auf Autobahnen von 120 km/h abgerückt und hat hektisch die Nothaltebucht aufgesucht, nachdem Kanzlerkandidat und Mitstreiter Peer Steinbrück lichthupendnervös fast auf ihn draufgefahren wäre.

Aber wieso gilt ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen eigentlich als unpopulär? Eine zunehmende Zahl von Bürgerinnen und Bürgern kann sich sowieso kein eigenes Auto leisten, weil dessen Unterhalt für sie unerschwinglich ist, und würde deswegen sicherlich nicht das Kreuzchen bei einer der anderen Parteien machen. Es ist gar keine ausgemachte Sache, daß Gabriel, der das Thema von den Grünen aufgegriffen hatte, damit einen wahltaktischen Fehlgriff beging.

In der nachkommenden Generation hat das Auto sowieso nicht mehr den Status, den es einst besaß. Die Kids fahren nicht auf Edelkarossen, sondern auf ihre Handys und Apps ab. Und für den Geschwindigkeitsrausch benötigen sie keine Autobahnen, denn den ziehen sie sich virtuell rein. Womöglich drückt schon irgendwo in Deutschland der nächste Michael Schuhmacher oder Sebastian Vettel die Schulbank und schickt sich an, Formel-1-Weltmeister zu werden.

Mit einem generellen Tempolimit auf Autobahnen könnte die Zahl der Verkehrstoten gesenkt und der Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen reduziert werden. Wollte man allerdings wirksam und nachhaltig die Zahl der Toten und Verletzten bzw. allgemein der gesundheitlich Geschädigten in der Gesellschaft verringern, wäre ein Tempolimit in den Fabriken und anderen industriellen Produktionsstätten zu empfehlen. Abschied vom Taylorismus, der den Menschen selbst noch den Toilettengang während ihrer Arbeitszeit untersagt!

Abschied auch von der Rettet-die-Banken-Gesellschaft mit ihrer weltumspannenden Lichtgeschwindigkeitskommunikation und der immer rascheren Folge von aufgeplatzten Wirtschaftsblasen, die Not und Elend unter den Menschen verbreiten. Abschied vom Fastfood, das den Geschmacksnerven nicht mal mehr die Zeit läßt, den Mangel an nahrhaften Substanzen zu bemerken, aber transnationalen Konzernen Milliardenumsätze in die Kassen spült. Gleichfalls Abschied von der Breaking-News-Kultur, in der das Auge in kürzestem Takt über viele Buchstaben hinweghuscht und vergessen läßt, daß mit Lesen etwas anderes gemeint sein könnte.

Kurzum, ein Abschied von dem herrschenden Verwertungsinteresse, das den geschilderten Beispielen für Beschleunigung und vielen weiteren mehr, die zu erwähnen hier nicht die Zeit bleibt, zugrundeliegt und das den Menschen auf seinem flüchtigen Lebensweg so sehr beschleunigt, daß er jede Verbindung zu seiner Vergangenheit verliert und zum geschichtslosen Gesellschaftswesen verkommt - um so leichter zu lenken, je mehr es nach Halt sucht im Wirbel jener fremdnützigen Kräfte.

Tempolimit auf Autobahnen? Aber ja, nicht nur dort! Bestreiten wir den Tempozwang, daß den Gabriel und Steinbrück und all den anderen Wahltaktierern dieser Republik Hören und Sehen vergeht. Dafür sollte man sich alle Zeit der Welt nehmen. Hat man sie erst einmal, hat sie einen nicht mehr ...

12. Mai 2013