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LAIRE/304: Ausbeutung - ohne Schonung und Erbarmen ... (SB)



Vor drei Jahren hat der Widerstand der Sioux aus dem Standing Rock Reservat gegen den Bau einer Erdölpipeline unterhalb ihres wichtigsten Trinkwasserreservoirs zu einer monatelangen, landesweiten Solidaritätswelle geführt. Zu Beginn der Präsidentschaft Donald Trumps jedoch wurde die zuvor von seinem Vorgänger Obama noch gestoppte Dakota Access Pipeline (DAPL) unter Hochdruck zu Ende gebaut. Binnen zwei Jahren hat es auf der 1880 Kilometer langen Strecke mehr als zehn Leckagen gegeben, bei denen insgesamt Hunderte Liter Erdöl ausgeflossen sind. Jetzt will die Betreiberfirma Dakota Access LLC, ein Tochterunternehmen von Energy Transfer, auch noch den Druck auf die Pipeline erhöhen und die Durchflußmenge verdoppeln. Pro Tag sollen in Zukunft 1,1 Mio. Barrel Rohöl - 1 Barrel entspricht ca. 159 Litern - aus dem Fracking-Förderfeld Bakken in North Dakota nach Illinois gepumpt werden.

Zwar tritt am Beispiel der Standing-Rock-Proteste der Rassismus der weißen Mehrheitsgesellschaft gegenüber den Native Americans deutlich hervor, dahinter verbirgt sich jedoch ein noch größerer, fundamentaler Konflikt zwischen den herrschenden Interessengruppen in Politik und Wirtschaft auf der einen Seite und den vermeintlich zu ihrer Verfügung stehenden Masse von Menschen, egal welcher Hautfarbe, auf der anderen. Typisch für Vertreter der herrschenden Klasse ist es, daß für sie die Ansprüche anderer Menschen auf eine lebensfreundliche Umwelt vollkommen bedeutungslos sind, solange sie nicht aufgrund von Protesten oder Widerstand ihre eigenen Vorteile gefährdet sehen. Erst dann zeigen sie Entgegenkommen, so weit es unbedingt nötig erscheint.

Die Sioux und andere Native Americans sprechen von "Umweltrassismus", sah doch ein ursprünglicher Vorschlag für den Streckenverlauf der Dakota Access Pipeline eine größere Nähe zu Bismarck, Hauptstadt des Bundesstaats North Dakotas, vor. Aufgrund von Interventionen der Stadtoberen hätten sich die Betreiber für einen stadtferneren Verlauf entschieden, der über ursprüngliches Sioux-Gebiet, das den Stämmen illegalerweise aberkannt worden war, führen sollte, lautet die Kritik der davon Betroffenen. Also wurde die Pipeline in Steinwurfweite vom Standing-Rock-Reservat, quer über heiliges Land, in dem die Sioux ihre Ahnen bestattet haben, sowie unter dem Oahe-Stausee hindurch verlegt. Aus diesem Missouri-Zufluß schöpft das Reservat sein Trinkwasser. Würde er mit Öl kontaminiert, wäre der Schaden immens.

Die Befürchtung, daß die DAPL nicht hält, was ihre Konstrukteure vom Army Corps of Engineers und die Betreiberfirma Energy Transfer behaupten, nämlich daß sie nach neuestem Stand der Technik gebaut und sicher ist, erhielt noch vor der Inbetriebnahme und währenddessen wiederholt Nahrung. Immer wieder waren Leckagen aufgetreten, die nur deswegen als "klein" eingestuft werden, weil die Erdölindustrie für Umweltkatastrophen viel größerer Dimensionen bekannt ist. Während aber Privatpersonen bereits dafür bestraft werden, wenn sie bei der Motorwäsche ihres Autos die Umwelt mit Öl verschmutzen, werden die Betreiberunternehmen von tropfenden Erdölpipelines vom Gesetzgeber weitgehend verschont.

Inzwischen ist es still geworden um Standing Rock. Durch die umstrittene Pipeline fließt Öl, doch die Auseinandersetzung um das Projekt ist nicht abgeschlossen. Kürzlich haben die Sioux Klage eingereicht, denn sie wollen erreichen, daß die Regierung die Betriebserlaubnis für die DAPL zurückzieht. Begründet wird diese Forderung damit, daß die geplante Verdopplung der Fördermenge einer neuen Genehmigung und eines neuen Umweltgutachtens bedarf. Dazu müsse den Klägern das Recht zuerkannt werden, ihre Bedenken zu der Pipeline vorzutragen. Das sei bisher nicht geschehen.

Vor zwei Jahren hatten die Sioux von Standing Rock in einem ähnlichen Verfahren einen gerichtlichen Teilsieg gegen das Corps errungen, das daraufhin gezwungen war, eine neue Umweltbegutachtung durchzuführen. Genutzt hat das grundsätzlich offensichtlich wenig in Anbetracht der Tatsache, daß die umstrittene Pipeline in Betrieb bleiben darf. Die Trump-Administration treibt es mit der Rücknahme vormaliger Umweltschutzbestimmungen sicherlich besonders weit, doch die Vorstellung, daß Teile der Bevölkerung mit Risiken leben oder teils lebensgefährliche Verletzungen und Krankheiten hinnehmen müssen, damit sich andere Vorteile erwirtschaften können, ist weder ein Alleinstellungsmerkmal Trumps noch der Vereinigten Staaten von Amerika.

Zur Zeit werden die Umwelt-, Gesundheits- und Arbeitsschutzgesetze der USA Stück für Stück geschliffen, nicht um Amerika, sondern das Amerika der Konzerne wieder "great" zu machen. Das bekommen Minderheiten wie die Native Americans und Menschen mit dunkler Hautfarbe besonders stark zu spüren, geht aber keineswegs an der weißen Armutsschicht vorbei. Auch sie muß das einzige, was sie hat, zu Markte tragen, ihre Arbeitskraft, damit "das große Ganze" Bestand hat.

Die Ära, in der Donald Trump Präsident der USA ist, hat gezeigt, daß Umweltschutz und damit die Bewahrung der Lebensqualität der Bevölkerung, ein bloßes Lehen ist, das den zur Unterwürfigkeit erzogenen Menschen zu- oder eben auch wieder aberkannt werden kann. Das hängt nicht von den Betroffenen selbst ab, sondern von der Willkür der jeweils herrschenden gesellschaftlichen Machthaber. An diesem Grundverhältnis würde sich nichts ändern, sollte im nächsten Jahr in den USA die andere der beiden etablierten Parteien die Zügel in die Hand bekommen. Ebenfalls macht es keinen prinzipiellen Unterschied, ob das Land USA oder beispielsweise Deutschland heißt. Auch hierzulande wurden und werden Menschen zwangsumgesiedelt, wenn sie den Energiekonzernen bei ihrem höchst profitablen Geschäft des Braunkohleabbau im Wege stehen.

29. August 2019


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