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STANDPUNKT/129: Die Sache mit den Stromnetzen (ROBIN WOOD magazin)


ROBIN WOOD magazin - Nr. 109/2.2011

Die Sache mit den Stromnetzen

Von Werner Brinker, Darmstadt


Es gibt wieder etwas Neues. Vor einigen Jahren sagte uns die Stromindustrie noch, es sei technisch unmöglich in nennenswerten Mengen Energie aus erneuerbaren Quellen bereitzustellen. Dann hieß es, die damit verbundenen Kosten seien unbezahlbar. Nachdem mittlerweile klar ist, dass beides nicht stimmt, müssen nun angeblich Milliarden und Abermilliarden in den Netzausbau gesteckt werden, damit die regenerativen Energien zu den Verbrauchern gelangen können. Von sechs Milliarden Euro oder gar noch mehr ist die Rede - wer soll das bezahlen?

Damit nicht genug - Ökostrom muss auch gespeichert werden. Nachts scheint bekanntlich keine Sonne und der Wind weht auch nicht immer. Das zwingt dazu, die Energie, die in diesen Zeiten gebraucht wird, irgendwo vorrätig zu halten. Dafür gibt es jedoch noch gar keine bezahlbaren großtechnischen Lösungen, so die Stromlobby. Und die Entwicklungskosten sind (wieder einmal) immens hoch. Eine Versorgung mit 100 Prozent erneuerbaren Energien, das soll uns diese Botschaft wohl sagen, ist zu vernünftigen Preisen nicht zu haben.

Tatsächlich? Interessanterweise werden die angesprochenen Probleme immer isoliert voneinander betrachtet. So muss die komplette Stromversorgung für große Teile Deutschlands über längere Zeiträume zwischengelagert werden können oder der Stromverbrauch Bayerns von den Offshore-Windparks in der Nord- und Ostsee herangeschafft werden. Damit redet man aber die Probleme groß. Eine wesentliche Eigenschaft der erneuerbaren Energiequellen ist ja gerade ihre Dezentralität. Wenn an der Nordseeküste Windparks entstehen, bedeutet das natürlich nicht, dass in Baden Württemberg keine gebaut werden sollten. Auch im Süden der Republik gibt es ertragreiche Standorte und der Windkraftbranche ist es in den letzten Jahren zunehmend gelungen, geringere Windstärken effizient zu nutzen.


Strom dezentral erzeugen, speichern und einsparen

Richtig gerechnet ist Windstrom auch im Binnenland preiswerter als Atomstrom. Kleine Speicher in der Region ergänzen die Stromerzeugung vor Ort. Sie sind billiger und technisch einfacher als Großspeicher. Wenn eine Region sich mit einem Mix aus verschiedenen alternativen Energiequellen weitgehend selbst versorgt und die dabei anfallenden Überschüsse in lokalen Speichern vorrätig hält, wird Strom aus anderen Regionen seltener, in geringerer Menge und mit kleineren Leistungen gebraucht. Das reduziert die Anforderungen an das Stromnetz erheblich.

Und noch etwas bleibt bei den üblichen Betrachtungen unberücksichtigt: Energieeinsparungen. Alle Szenarien, die den Wechsel zu Erneuerbaren Energien untersuchen, fordern einen verantwortungsvollen Umgang mit Strom. Eingesparter Strom muss aber weder produziert noch transportiert oder gespeichert werden.

Trotzdem wird auf dem Strommarkt ein Unterschied zwischen dem fluktuierenden Angebot aus regenerativen Stromquellen und dem Bedarf der Verbraucher verbleiben. Diese Lücke läßt sich mit flexiblen Stromtarifen verkleinern. Wird viel Strom erzeugt, so könnte er den Verbrauchern entsprechend preiswert angeboten werden, verringert sich die Stromproduktion, so würde er teurer. Auf diese Preisänderungen kann der Stromkunde reagieren, indem er beispielsweise bei hohen Strompreisen Verbraucher vom Netz nimmt und sie bei niedrigeren wieder zuschaltet, ein Vorgang, der sich leicht automatisieren lässt. Zudem erhöhen flexible Stromtarife den Anreiz in Speichertechnologien zu investieren. Im einfachsten Fall ließe sich beispielsweise die Kältespeicherfähigkeit von Kühlschränken verbessern, so dass sie in Zeiten hoher Strompreise länger abgeschaltet bleiben können.

Der Ausbau der Stromnetze ist sicherlich notwendig und die Entwicklung preiswerter Stromspeicher muss forciert werden. Aber die Dinge müssen im Zusammenhang betrachtet werden. Interessengeleitete, einseitige Betrachtungen helfen nur den vier großen Energiekonzernen bei der Profitmaximierung mit Durchleitungsgebühren. Die dezentralen Erneuerbaren Energien dagegen benötigen einen intelligenteren Ansatz. Erst wenn man den Ausbau der Stromnetze und die Stromspeicherung im Verbund mit Stromsparanstrengungen und flexiblen Tarifen sieht, ergibt sich ein schlüssiges Gesamtbild.


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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 109/2.2011, S. 33
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Mai 2011