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STANDPUNKT/537: Das solare Desaster (Solarbrief)


vom 03.11.2013, aktualisiert am 07.11.2013, Wolf von Fabeck:

Beurteilung der Lage - Das solare Desaster

von Wolf von Fabeck



Zusammenfassung

Dank dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist in Deutschland die Stromerzeugung von knapp 4 auf mittlerweile etwa 25 Prozent Erneuerbare Energien ausgebaut worden. Eine weitere Fortsetzung dieser Erfolgsgeschichte wurde jedoch durch die Lobby der etablierten fossil-nuklearen Energiewirtschaft verhindert. Sie verbreitete erfolgreich zwei irreführende Botschaften:

  • die Warnung vor ausufernden Strompreisen
  • die Warnung vor einem drohenden Blackout, wenn nicht in Kohlekraftwerke investiert würde.


Maßgebliche Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien (mit Ausnahme der Linkspartei) übernahmen die falsche These, die Erneuerbaren Energien seien die Verursacher des Strompreisanstiegs. Statt die wirklichen Ursachen zu analysieren, für mehr Verteilungsgerechtigkeit zu sorgen und unnötige Risiken und Belastungen (z.B. Offshore-Abgabe) von den Stromkunden fernzuhalten, haben die beiden vergangenen Bundesregierungen (schwarz-rot und schwarz-gelb) für eine scharfe Abbremsung des Ausbaus der Erneuerbaren, insbesondere der Solarenergie gesorgt. Führende Politiker von Union und SPD setzen sich inzwischen sogar offen für die Fortsetzung der Braunkohleverstromung ein. Die Befürworter der Erneuerbaren Energien haben in Union und SPD nur einen schwachen Stand.

Die Grünen haben zur Enttäuschung ihrer Mitglieder und Anhänger weder in der Zeit der Opposition noch im Bundestags-Wahlkampf die Klima- und Energiethemen engagiert vertreten. Der Widerspruch zwischen ihren (berechtigten) Klimaschutz-Appellen und andererseits ihren Vorschlägen, den Ausbau der Solarenergie durch den sogenannten atmenden Deckel zu verlangsamen, hat ihrer Glaubwürdigkeit erheblich geschadet. Es ist zu hoffen, dass sie unter der neuen Führungsspitze zu einer fachlich stimmigen und konsequenten Stützung der Erneuerbaren Energien finden.

Die Bundestagsfraktion der Linkspartei hat sich in der Zeit der Opposition konsequent für den weiteren schnellen Ausbau der Erneuerbaren Energien eingesetzt. Jedoch im Wahlkampf haben die Linken das Thema Energiewende völlig vernachlässigt. Offenbar fehlte es den Wahlkämpfern an den nötigen fachlichen Informationen. Die Energieversorgung der Zukunft spielte bei den Wahlforen mit den Kandidaten nur eine nachgeordnete Rolle.

Es ist zu hoffen, dass die Führung der Linkspartei erkennt, welche Chancen sich ihr bieten, wenn sie ihr Eintreten für die Erneuerbaren Energien öffentlichkeitswirksam macht. Zwei Drittel der Wahlberechtigten wollen den Umstieg auf die Erneuerbaren Energien. Für die Linkspartei gilt deshalb die Aufforderung: "Tu nicht nur Gutes für das Klima, sondern sprich auch darüber." Auch der "Kampf um die Produktionsmittel" der Stromerzeugung, oder die Tatsache, dass der Klimawandel in erster Linie die sozial Benachteiligten trifft, die sich z.B. nicht mit einer Klimaanlage vor den zunehmenden Hitzewellen schützen können, könnte gerade der Linkspartei Argumente liefern, die sie bis jetzt nicht genutzt hat.

Die Erkenntnis, dass selbst in den politischen Parteien, die dem Klimaschutz positiv gegenüberstehen, die energiepolitischen Notwendigkeiten nur spärlich bekannt sind, ist Grund und Anlass dafür, unser Konzept 100 Prozent Erneuerbare Energien weiter in die Öffentlichkeit zu tragen.


Rückblick

Voraussetzung für eine Kurskorrektur aller Beteiligten ist allerdings eine ausführlichere Darstellung der bisherigen Fehler und Versäumnisse:

Die Zeit der schwarz-gelben Koalition 2009 - 2013 war gekennzeichnet durch schwere Schläge gegen die Erneuerbaren Energien, insbesondere gegen die Sonnenenergie. Die Einspeisevergütungen für Solarstrom wurden um zwei Drittel abgesenkt. Mit drei überraschenden zusätzlichen Solarstrom-Vergütungssenkungen und seit 1. Mai 2012 sogar mit regelmäßigen monatlichen Vergütungsabsenkungen und mit fantasiereichen bürokratischen Schikanen wurde der schnelle Ausbau der Solarenergie gestoppt. (Bild 1)

Mit unseren wiederholten Warnungen (seit 2007) vor zusätzlichen Absenkungen der Solarvergütungen haben wir leider Recht behalten. Aus dem Umweltministerium ließ Minister Peter Altmaier am 8.7.2013 als Erfolgsmeldung (!) verlauten, die Ausbauzahlen für PV-Anlagen seien um 40 bis 50 Prozent gesunken.

Wegen der verheerenden Auswirkung auf den Klimaschutz sollte man die absichtliche Verminderung des solaren Zubaus daraufhin prüfen lassen, ob sie einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit darstellt.

Auch die Auswirkungen auf die Zahl der Arbeitsplätze dürfen nicht verschwiegen werden: Ein Rückgang der jährlich installierten Neuanlagen auf die Hälfte bedeutet zwangsläufig einen entsprechenden Rückgang der Arbeitsplätze (Bild 2).

Sigmar Gabriel und Hannelore Kraft, die auf den Erhalt von Arbeitsplätzen bei der Braunkohle verweisen, werden mit dem Abbremsen der Solarenergie unglaubwürdig. Durch das brutale Abwürgen des solaren Wachstums gehen bei deutschen Solarfirmen erheblich mehr Arbeitsplätze verloren als in der Braunkohlewirtschaft nur kurzfristig erhalten werden könnten.

Offenbar geht es Gabriel und Kraft eher um die Erhaltung der bisherigen Strukturen.

Das Vertrauen der Investoren wurde getäuscht

Die möglicherweise gravierendste Folge für die zukünftige Entwicklung aber wird bisher kaum wahrgenommen: die Fähigkeit zum schnellen Wachstum geht der Solartechnik verloren. Die Planer des atmenden Deckels gehen davon aus, dass man im gleichen Maße, wie man das solare Wachstum verringert, es auch wieder beschleunigen könne. Doch das ist ein Irrtum! Der Aufbau der globalen Produktionskette von der Siliziumgewinnung bis zur fertigen Solaranlage brauchte mehr als zwei Jahrzehnte und eine große Menge Kapital (Bild 3).

Spanien und Deutschland als die weitaus größten Abnehmer gaben weltweit das Tempo des Aufbaus vor. Diese Produktionskette wurde weltweit in den letzten drei Jahren durch das Ausbleiben der erwarteten Nachfrage und den sich daraus ergebenden Folgen wie Kapitalmangel, Stilllegungen, Versäumnisse bei der regelmäßigen Wartung der Produktionsanlagen und ihrer Modernisierung sowie durch Insolvenzen erheblich beschädigt. Zerstören geht zumeist viel schneller als Aufbauen!

Das hineingesteckte Kapital und die ausgebildeten Mitarbeiter gingen der Solartechnik weitgehend verloren. Wollte man die Produktionskette wieder aufbauen, so wird dies erneut Jahre dauern und erneuten Kapitalbedarf verursachen. Wie der gedeckt werden soll, ist schwer vorstellbar, denn bei den Investoren kam es zu einem kaum wieder gut zu machenden Vertrauensverlust.

Solange die Markteinführung der Solarenergie von der jeweiligen Regierungskoalition abhängt, gibt es für die Investoren keine Planungssicherheit mehr.

Bis eine große Solarfabrik errichtet worden ist und die ersten Einnahmen erzielt, ist eine Legislaturperiode schon zu drei Viertel herum. Die Investoren wissen nicht, ob sie ihr Produkt jemals mit Gewinn verkaufen können, denn schon seit der Rücknahme der Solarförderung in Spanien ('Real Decreto 14/2010') vor 3 Jahren wird ein Überangebot auf dem weltweiten Solarmarkt beklagt. Den chinesischen Produzenten wird scheinheilig Preisdumping vorgeworfen. Ursachengerechter wäre es, man beklagte nicht ein 'Überangebot', sondern man beklagte den absichtlich herbeigeführten Zusammenbruch der Nachfrage in Spanien und Deutschland.

Zur sinkenden Nachfrage kommt auch noch der finanzielle Druck. Da die Solaranlagenbetreiber nur noch eine geringe Vergütung für den gelieferten Solarstrom erhalten, sind sie nicht bereit, die bisherigen Preise für die Solaranlagen zu zahlen. Die Installateure haben nur noch Verkaufschancen, wenn sie mit den Preisen heruntergehen. Die Qualität neu errichteter Solaranlagen lässt bereits nach übereinstimmender Auskunft von Sachverständigen wegen des finanziellen Drucks und Sparzwanges immer mehr zu wünschen übrig. Diese Beobachtung und die Frage, ob beim Sichtbarwerden der Schäden die Installationsfirma nicht bereits Insolvenz angemeldet hat, lassen sogar diejenigen Hausbesitzer mit dem Bau einer Solaranlage zögern, die eigentlich bereit wären, auch ohne Gewinnerwartung eine PV-Anlage zu betreiben.

Zum solaren Desaster gehört auch die Verhinderung des Speicherausbaus.

Solarstrom und Windstrom können nur dann einen wesentlichen Anteil an der Energieversorgung einer Industrienation übernehmen, wenn sie vergleichmäßigt angeboten werden. Seit Jahren fordern Solar- und Windfreunde deshalb den Ausbau dezentraler Stromspeicher, die die solaren und windbedingten Leistungsüberschüsse aufnehmen und auf die sonnen- und windfreie Zeit verteilen können. Doch geschehen ist in dieser Richtung außer einer kleinen Alibi-Förderveranstaltung des BMU fast nichts. Je eher die notwendigen Speicher errichtet sind, desto schneller können die fossilen Kraftwerke stillgelegt werden. Doch die konventionelle Energiewirtschaft möchte das vermeiden. Die offizielle Begründung für das Nichtstun lautet, Speicher seien zu teuer und man könne sich noch auf Jahre hinaus mit billigeren Methoden helfen. Doch Speicher werden durch tatenloses Abwarten nicht billiger. Anstatt durch eine energische Markteinführung Stromspeicher in die verbilligende Massenproduktion zu bringen, wozu eine Reihe von Jahren benötigt wird, lässt man wertvolle Zeit verstreichen, bis das Fehlen von preiswerten Speichern den weiteren Ausbau der Erneuerbare-Energieanlagen sinnlos machen wird, weil man dann die Solar- und Windstromüberschüsse nicht mehr speichern kann, um sie in den Pausen zwischen Wind und Sonne zu nutzen.

Die immer wieder vorgetragene Lösungsidee, man könne die Pausen zwischen den Solar- und Windangeboten durch den Zubau von steuerbaren Biomasse-Anlagen ausgleichen, geht von zwei unzutreffenden Vorstellungen aus. Erste Fehleinschätzung, es seien nur kurze Pausen zwischen Wind und Sonne zu überbrücken und zweite Fehleinschätzung, die Stromerzeugung aus Biomasse könne noch erheblich erweitert werden. Doch eine quantitative Analyse zeigt, dass erstens die Pausen zwischen Wind und Sonne Zeitspannen von mehreren Wochen erreichen können, und zweitens, dass an eine Steigerung der Biomasse-Stromproduktion keinesfalls zu denken ist. Schon jetzt wirft die Versorgung der bestehenden Biomasse-Kraftwerke mit dem 'Brennstoff' Biomasse unlösbare praktische und ethische Probleme auf, - z.B. Konkurrenz zur stofflichen Nutzung der Biomasse, das Teller-oder-Tank-Problem, Urwaldrodungen usw.

Auch die Lösungsidee, man könne ein Überangebot von Solar- und Windanlagen installieren, die man bei starkem Wind oder starker Sonneneinstrahlung nur einfach abzuregeln brauche, führt zu keiner Lösung, denn selbst ein Überangebot von Solar- und Windanlagen kann keinen Strom erzeugen, wenn die Windräder sich wegen schwachen Windes nicht mehr drehen und die Solaranlagen nachts oder bei stark bedecktem Himmel keinen Strom erzeugen.

Auch ein Ausbau der Fernübertragungsnetze kann die Aufgabe nicht lösen, denn Netzausbau kann die Nutzung einer elektrischen Leistung nur örtlich verschieben, nicht aber zeitlich.

Um eine Speicherung der Überschüsse von Solar- und Windstrom kommen wir also nicht herum.


Wie konnte es so weit kommen?

Die Gegner der Erneuerbaren hatten offenbar das bessere Gespür für grundlegende wirtschaftliche Zusammenhänge. So setzten sie bei ihrem Kampf gegen die neu aufwachsende Konkurrenz am wirksamsten Hebel an: Sie stoppten durch brutales Absenken der Einspeisevergütungen den Kapitalzufluss zu den Erneuerbaren Energien.

Ganz unverblümt hat dies z.B. das Arrhenius Institut für Energie empfohlen, indem es in einer Studie formulierte, die Solarstromvergütung sei das 'Gaspedal der Energiewende' und es sei doch sehr die Frage, ob man wirklich so viel Gas geben müsse.[1]


Das große Täuschungsmanöver

Die eigentliche Kunst der Solargegner bestand darin, politische Mehrheiten für ihr Konzept der finanziellen Erdrosselung zu finden. Es gelang ihnen, den Solar-Befürwortern einzureden, die Umstellung auf Erneuerbare Energien würde extrem teuer und würde durch steigende Strompreise die Akzeptanz der Bevölkerung gefährden. Um die Kosten zu senken, müsse man das Ausbautempo vermindern. Dazu müsse man die Einspeisevergütungen so lange senken, bis der Ausbau langsam genug erfolge. Dies sei der sicherste Weg zur Energiewende.

Überraschend für uns war die Tatsache, dass viele ausgewiesene Solarfreunde - darunter sogar der Interessenverband der Solarfirmen, der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) - dieser verqueren Argumentation folgten.

Den Anfang allerdings machte die Zeitschrift PHOTON, die bereits im Mai 2007 die Solaranlagenbetreiber mit den Panzerknackern von Entenhausen verglich. Das '150-Milliarden-Euro-Ding' hieß der schwungvoll geschriebene Beitrag von Christoph Podewils (PHOTON Mai 2007). Dem folgten dann noch viele PHOTON-Beiträge, in denen eine Senkung der Einspeisevergütung verlangt wurde.Da diese Forderungen nach Senkung der Einspeisevergütung in einer angesehenen Solarzeitschrift erhoben wurden, konnte fortan jeder als Solarfreund gelten, der sich für eine Senkung der Solarstromvergütung einsetzte. Eine perfekte Tarnung!

Der solare Ausbau, die wichtigste Maßnahme zur Abwehr des unheilbringenden Klimawandels, wurde fortan nur noch unter dem Gesichtspunkt diskutiert, wie man verhindern könne, dass sich die Erbauer von Solaranlagen mit der Einspeisevergütung eine 'goldene Nase' verdienten, und wie man verhindern könne, dass die reichen Zahnärzte sich ihre geldbringenden Solaranlagen durch die Hartz IV Empfänger bezahlen ließen.

Die naheliegende Möglichkeit, den Hartz IV Empfängern nicht nur die Ausgaben für die Heizung, sondern auch für den elektrischen Strom zu erstatten, blieb ungenutzt. Sie wurde nicht einmal erwähnt.

Besonders enttäuschend war die Tatsache, dass bald auch die tonangebenden Politiker der Grünen auf Verminderung des solaren Ausbautempos drängten und sogar von sich aus ein scheinbar gut durchdachtes Verfahren dafür anboten, den sogenannten 'atmenden Deckel'. Auf das Wesentliche verkürzt besagt diese Regelung: Es gibt keine feste Obergrenze ('keinen Deckel') für den jährlichen Zubau an Solaranlagen, aber es gibt immer weniger Geld für den Solarstrom.

Die Einspeisevergütung für Neuanlagen (die bis dahin ohnehin schon von Jahr zu Jahr um 5 Prozent abgesenkt wurde) wurde dann zusätzlich noch umso stärker abgesenkt, je mehr der jährliche Zubau die willkürlich gesetzte Grenze von 3,5 GW übersteigt. Ein ausgefeiltes Entmutigungsprogramm, dessen Folgen wir weiter oben angedeutet haben!

Die schwarz-gelbe Koalition übernahm dieses Konzept weitgehend und wurde dafür sogar vom energiepolitischen Sprecher der Grünen (Hans-Josef Fell) gelobt. Im Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags vom 24. Februar 2011, wenige Wochen vor der Atomkatastrophe von Fukushima, lesen wir dazu: Hans-Josef Fell (an die Adresse der schwarzgelben Koalition) "... Meine Damen und Herren, Sie haben mit der zusätzlichen Absenkung der Solarvergütung ... wenigstens einige Trippelschritte in die richtige Richtung gemacht. Das sehen wir ein. Wir werden deswegen Ihr Gesetz nicht ablehnen, sondern uns enthalten."

Im Gegensatz dazu äußerte sich Dorothee Menzner (energiepolitische Sprecherin der Linkspartei) in derselben Sitzung erheblich klarsichtiger: "... nebenbei werden die Vergütungen für Photovoltaikstrom weiter abgesenkt ... Das ist allerdings das Gegenteil von dem, was Ihr Umweltminister immer propagiert, nämlich Planungssicherheit für die Akteure. Gezielte Falschinformationen schüren Ängste bei der Bevölkerung, zum Beispiel davor, dass erneuerbare Energien den Strompreis verteuern würden..."

Es lohnt sich sehr, die beiden gegensätzlichen Beiträge im Volltext zu lesen (Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags vom 24. Februar 2011, Tagesordnungspunkt 12: dipbt.bundestag.de/dip21/btp/17/17093.pdf). Die Linkspartei identifizierte den entstehenden Konflikt nicht als Streit zwischen reichen Zahnärzten und armen Hartz IV Empfängern, sondern zutreffend als Kampf um die Produktionsmittel für die Energieversorgung zwischen den Großkonzernen und der aufwachsenden solaren Konkurrenz.

Bei den Grünen überwog dagegen ein diffuses Gerechtigkeitsgefühl und die idealistische Vorstellung, gute Menschen würden für gute Taten keine finanziellen Anreize brauchen. Die Tatsache, dass der Aufbau einer neuen Energieversorgung nicht durch Idealismus alleine gelingen kann, sondern einen zuverlässigen Kapitalzufluss und Gewinnanreiz benötigt, wird sich hoffentlich bald unter der neuen Parteiführung durchsetzen.


Reaktionen auf die Reaktorkatastrophe in Fukushima

Die Reaktorkatastrophe in Japan führte zu einem partiellen Umdenken bei den Unionsparteien. Der Ausstieg aus der Atomenergie sollte nun doch wieder beschleunigt werden, nachdem er etwa ein Jahr zuvor verlangsamt worden war. Bezüglich der Öffentlichkeitswirkung war dies ein genialer Schachzug. Dass die Union und die FDP allerdings die Atomenergie durch Braunkohle ersetzen wollten, blieb lange Zeit unerwähnt und unerkannt.

Die Grünen versäumten es, die Chance für den Klimaschutz zu erkennen und zu nutzen. Sie versäumten insbesondere, das bis dahin erreichte unvermutet schnelle Wachstum der Solarenergie als positive Entwicklung argumentativ herauszustellen und in ihre Planungen mit einzubeziehen. Im Gegenteil zeigten sie sich entschlossen, das Ausbautempo der Solarenergie zu verlangsamen. Diese Ängstlichkeit, Unentschlossenheit und Konturlosigkeit im Führungsgremium der Grünen bezüglich der Energiewende mag mit zu ihrem desaströsen Wahlergebnis im September 2013 beigetragen haben.

Die Linkspartei, die bei Abstimmungen im Bundestag seit Jahren zuverlässig für den entschlossenen Ausbau der Erneuerbaren Energien gestimmt hatte, versäumte es hingegen, sowohl im Landtagswahlkampf in Baden-Württemberg als auch später im Wahlkampf für den Bundestag im August/September 2013 ihren Einsatz für die Erneuerbaren Energien öffentlich herauszustellen. Es mag daran liegen, dass das Spitzenpersonal und die Wahlkreiskandidaten sowie die Wahlkampfmanager die im Parteiprogramm und im Bundestagswahlprogramm fixierte Zentralität der ökologischen Frage zwar objektiv anerkennen, aber die Bereitschaft der Bevölkerung zur Unterstützung des konsequenten Umstiegs zu Erneuerbaren Energien vor allem über die soziale Argumentation fördern wollen, in der sie sich sicher fühlen.

Ein Gesichtspunkt scheint uns dabei allerdings noch zu kurz zu kommen. Sozial Benachteiligte können dem Klimawandel - insbesondere der sommerlichen Überhitzung - weniger ausweichen. Sie können sich z.B. keine Klimaanlage leisten und im Hochsommer auch nicht in kühlere Regionen ausweichen .Wir haben zumeist schon vergessen, welchen fürchterlichen Tribut die Hitzewelle 2003 gerade unter den sozial Benachteiligten gefordert hat. Die Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft schätzte 23.000 direkte Opfer durch Überhitzung. Im Einzelnen: Frankreich 14.800, Italien 4.000, Deutschland 3.500, Spanien 2.000, Portugal 1.300, Großbritannien 900, Niederlande 500. (Quelle: Wikipedia).

Im Wahlkampf 2013 gelangten die ökologischen, wirtschaftlichen und energietechnischen Argumentationslinien in den Hintergrund. Sowohl bei den Grünen als auch bei den Linken waren die Wahlkämpfer nicht über die Möglichkeiten einer Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien informiert worden. Bei dem Thema, in dem sie die größte Zustimmung in der Bevölkerung hätten erreichen können, wichen sie der Diskussion aus, weil sie die guten Argumente nicht kannten. Wo sie hätten angreifen können, da wichen sie zurück.


Was ist zu tun?

Die Arbeit des SFV ist darauf angelegt, die gesetzlichen Rahmenbedingungen so zu verändern, dass richtiges Verhalten der Bürger und der Unternehmen finanziell belohnt wird. Da die erforderlichen Gesetze im Bundestag beschlossen werden, muss der SFV daran interessiert sein, dass im Bundestag eine Mehrheit der Parteien das Konzept des SFV möglichst weitgehend vertritt.

Voraussetzung dafür ist, dass der SFV ein in sich stimmiges Konzept für den raschen Umstieg auf 100 Prozent Erneuerbare Energien hat. Das haben wir. Wir setzen auf nationale Initiativen zum verbrauchernahen Ausbau von Solarenergie und Binnenland-Wind und dezentralen Stromspeichern. Wenn die Energiepreise sozial abgefedert werden, scheuen wir auch keine hohen Energiepreise, denn sie sind ein Anreiz zur Effizienzsteigerung. Eine höhere Besteuerung von Energie würden wir sogar begrüßen, wenn dafür die Besteuerung von menschlicher Arbeit vermindert würde und die persönlichen Mehrkosten durch ein monatliches voraussetzungsloses Energiege[ld] ausgeglichen würden. Dazu haben wir uns ausführlich in der Sonderausgabe Energie & Zukunft vom Januar 2007 geäußert. In dieser Zeitschrift stellen wir die Notwendigkeit von Energiesteuer und Energiegeld vor (siehe nebenstehende Karikatur von Gerhard Mester).

In den 27 Jahren Bestand des SFV mussten wir unser Konzept nur in drei Punkten ändern. Nachdem uns mit dem www.Energiewenderechner.de ein Rechen- und Auslegungsprogramm mit konkreten quantitativen Zahlenwerten vorlag, haben wir uns entschlossen,

• die energetischen Nutzung der Biomasse nicht weiter zu verfolgen, sondern die Nutzung der Biomasse auf stoffliche Nutzung zu beschränken, (die energetische Nutzung rasch verderblicher Biomasseabfälle, z.B. Gülle, begrüßen wir jedoch weiterhin.)

• nicht mehr die Biomasse als zeitlich verfügbare Erneuerbare Energie anzusehen, sondern stattdessen den beschleunigten Ausbau dezentraler Speicher zu fordern

• und schließlich die Solarenergie auf Freiflächen ebenfalls zu akzeptieren, weil die Dach- und Fassadenflächen ersichtlich nicht ausreichen.

Ein Konzept haben wir. Der direkte Weg durch Lobbyarbeit im herkömmlichen Sinne ist uns verschlossen, weil die energiepolitischen Sprecher der Parteien und die Parteiführungen einer Fülle von Zwängen unterliegen, die durch gute Argumente allein nicht überwunden werden können. Auch der Weg über die Medien ist nur schwer begehbar, weil die meisten Medien durch ihre Anzeigenabteilung fest unter der Regie der großen Energiekonzerne stehen und sich wegen Personalknappheit kaum noch eigene Recherchen leisten können. Es bleibt uns deshalb nur die Möglichkeit, unter einer Minderheit nachdenklicher Bürger und Journalisten, die sich für Energiethemen interessieren, Verständnis und Zustimmung für unseren energiepolitischen Kurs und damit 'Multiplikatoren' zu gewinnen. Es gilt deshalb qualitativ hochwertige Informations- und Analysearbeit zu leisten und diese verständlich darzustellen. Dazu sind all unsere Mitglieder aufgerufen.

Die Überwindung von Denkblockaden im Zusammenhang mit der Umstellung auf Erneuerbare Energien ist hier eine anspruchsvolle Herausforderung. Es gilt insbesondere einige ärgerliche Vorurteile auszuräumen, z.B.:

• Ausbau von Wind und Sonnenenergie erhöht angeblich die Strompreise

Die Strompreise steigen, besonders für die Privatkunden. Vergleicht man allerdings den Preisanstieg mit dem Preisanstieg beim Heizöl, so stellt man fest, dass der Anstieg dort noch höher ist, aber von den Medien weniger beachtet wird. Aber das nur nebenbei!

Als Ursache für den Strompreisanstieg wird der Anstieg der EEG-Umlage genannt. Die EEG-Umlage ist jedoch nicht der eigentliche Grund. Eigentlicher Grund für den Strompreisanstieg ist die Tatsache, dass Schwarz-Gelb den schnellen Ausbau der Erneuerbaren Energien abgebremst hat und stattdessen die Modernisierung des alten Stromversorgungssystems durch neue Braunkohlekraftwerke und Fernübertragungsleitungen begonnen hat. So werden zwei miteinander inkompatible Stromerzeugungssysteme gleichzeitig aufgebaut, modernisiert und betrieben. Und beide Systeme müssen bezahlt werden. Zwei Systeme sind natürlich teurer als nur ein System. Wer die Kosten tragen muss, das ist natürlich eine Frage der Verteilung.

• Verlangsamung des Ausbaus von Solar- und Windenergie verbilligt angeblich die Energiewende

Das Gegenteil ist der Fall. Je länger der Schwebezustand besteht, in dem sowohl die Kosten für das neu entstehende Versorgungssystem bezahlt werden müssen, als auch die Kosten für den Erhalt und die Modernisierung des von Braunkohlekraftwerken abhängigen Systems, desto höher steigen die unmittelbaren Kosten. Berücksichtigt man auch noch die externen Kosten der fossilen Kraftwerke, so wird die Verzögerung des endgültigen Umstiegs unerträglich teuer.

• Die EEG-Umlage dient angeblich dem Ausbau der Solar- und Windenergie

Ein immer weiter steigender Anteil der EEG-Umlage wird dadurch verursacht, dass die Braunkohlekraftwerke sich nicht unter ihre sogenannte Mindestleistung abregeln lassen. Der Stromüberschuss senkt die Börsenpreise - teilweise sogar unter Null. Die EEG-Umlage übersteigt zu diesen Zeiten dann sogar die zu zahlenden Einspeisevergütungen.

• Stromnetze seien angeblich billiger als Speicher und könnten diese ersetzen

Tatsächlich können Stromnetze keine Speicher ersetzen, weil Stromnetze eine elektrische Leistung örtlich verlagern, während Speicher notwendig sind, um elektrische Leistung zeitlich zu verschieben.

• Kohlekraftwerke sind angeblich erforderlich, um das Stromnetz stabil zu erhalten

Solar- und Windanlagen mit integrierten Stromspeichern und einem autonomen Stabilisierungsprogramm für den Umrichter sind dazu ebenfalls in der Lage.

• Der Klimawandel sei laut IPCC-Bericht weniger schlimm als vermutet.

Hier handelt es sich um einen unerfüllbaren Wunschtraum, wie allein die extremen Wetterereignisse des vergangenen und des laufenden Jahres demonstrieren. Wichtig ist dabei auch, dass wir geduldig die Gefährdung der Zukunft durch den Klimawandel ins Bewusstsein rufen. Zwar kann die Durchführung unseres Konzepts den Klimawandel nicht mehr völlig verhindern, aber es kann ihn abmildern. Jedes Zehntelgrad weniger Erderwärmung zählt.

• Angeblich lässt sich der Klimawandel nur durch
internationale Verträge verhindern

Genau das ist ein großer Irrtum, wie jetzt wieder die Verhandlungen in Warschau gezeigt haben.

Hier kommen wir auf den entscheidenden Punkt unseres Konzepts. Wir setzen auf nationale Initiativen.


Nationale Vorreiterrolle

Wer nicht bereit ist, vor seiner eigenen Tür zu kehren, wird unglaubwürdig. Und durch jahrelanges Verhandeln vermindert sich der CO2-Ausstoß von Kraftwerken trotzdem nicht.

Deutschland hat das technische Wissen, die notwendige wirtschaftliche Potenz und die mehrheitliche Bereitschaft der Bevölkerung zum Umstieg auf eine andere Energiebereitstellungstechnik. Wir können Solarenergie, Windenergie und Speicher im eigenen Land in die Massenproduktion bringen und damit weltweit wettbewerbsfähig machen. 100% Erneuerbare Energien in Deutschland und dann weltweit - das ist unser Konzept!


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
  • Bild 1: Geplante Zubaugrenze für PV-Anlagen 2013
  • Rückgang der Arbeitsplätze Bild 2: Halbierung der Aufträge bedeutet nahezu Halbierung der Arbeitsplätze
  • Der Aufbau der globalen Produktionskette von der Siliziumgewinnung bis zur fertigen Solaranlage brauchte mehr als zwei Jahrzehnte und eine große Menge Kapital. Bild 3
    Quarzsand abbauen, Solarsilizium erzeugen, Wafer-Produktion, Herstelllung der Aufständerung, Zellfertigung, Solarmodul-Herstellung, Wechselrichterherstellung, Anschlusskästen, Montagebetrieb - Massennachfrage erzeugt globale Verbilligung (Dieses Bild erklärt, wie die Absenkung der Einspeisevergütung für die nächsten 20 Jahren sich unmittelbar und sofort auf die einzelnen Betriebe der vorgelagerten Produktionskette auswirkt.)
  • Bild 4: Ausschnitt aus einem PHOTON-Beitrag im Mai 2007 [Mai 2007 Solarzeitschrift PHOTON übernimmt Argumente des RWI (Rheinisch Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung): "Das 150-Milliarden-Euro-Ding. Die Förderung der Photovoltaik nimmt gewaltige Dimensionen an, zeigen Berechnungen des RWI"]
  • Karikatur von Gerhard Mester in unserer Zeitschrift Energie & Zukunft, Ausgabe 2 ("Weil DU nicht arbeitest, soll mir die Rente gekürzt werden !!" - "Wegen der Kosten für DEINE Rente finde ich keine Arbeit!!)


Viele Artikel aus dem Solarbrief befinden sich, neben der Möglichkeit, die Zeitschrift im PDF-Format vollständig herunterzuladen, auch als eigener Beitrag auf www.sfv.de. Da diese zum Teil ständig aktualisiert werden, empfiehlt sich bei Interesse ein zusätzlicher Blick auf die SFV-Website. Links s.u.

[1] http://www.sfv.de/artikel/solarstromverguetung_-_das_gaspedal_der_energiewende.htm

Zum Artikel:
http://www.sfv.de/artikel/beurteilung_der_lage_-_das_solare_desaster.htm

Heft als PDF-Download
http://www.sfv.de/solarbr/pdf/Solarbrief413_Internet3.pdf

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Quelle:
Solarbrief 4. Ausgabe 2013
Herausgeber:
Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V. (SFV)
Bundesgeschäftsstelle
Frére-Roger-Straße 8-10, 52062 Aachen
Tel.: 0241/51 16 16, Fax: 0241/53 57 86
E-Mail: zentrale@sfv.de
Internet: www.sfv.de
 
Einzelpreis: 6 Euro
Erscheinungsweise: vierteljährlich


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Februar 2014