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GENTECHNIK/265: Zweifel an Bentazon-Strategie gegen Hybrid-Reis (SB)


Noch mehr Chemikalien in die Umwelt

Forscher schlagen vor, Gentech-Getreide empfindlich gegenüber das Herbizid Bentazon zu machen, damit eine unkontrollierte Ausbreitung eingedämmt werden kann


Gegen die Erzeugung von Hybridpflanzen, in die tierische und artfremde pflanzliche Bestandteile eingezüchtet wurden, hat sich in der Bevölkerung breiter Widerstand entwickelt. Der fand sogar institutionellen Widerhall innerhalb der Europäischen Union und mündete 1998 zu einem faktischen Moratorium des Ausbringens sogenannter gentechnisch veränderter Organismen (GVOs). Obgleich seitens der Welthandelsorganisation Druck auf die EU ausgeübt wird, GVOs zuzulassen, da sie vermeintlich ungefährlich für Umwelt und Gesundheit sind und jede Einschränkung angeblich Wettbewerbsvorteile bringt, läuft die Zulassung neuer Sorten zäh - verhindert wurde der Vormarsch der Grünen Gentechnik allerdings nicht. Mit der Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Produkte wurde eine weitere Hürde gegen die Biotechunternehmen errichtet, aber auch sie hält den Zug nicht auf, sondern verlangsamt ihn lediglich.

Abgesehen von massiven wirtschaftlichen Bedenken hinsichtlich der Grünen Gentechnik, da sie wegen des strikten Lizenzregimes die Bauern in eine noch engere Abhängigkeit von den Agrokonzernen bringt als je zuvor und umgekehrt die Unternehmen Kontrolle über die globale Nahrungsmittelproduktion erlangen, sowie von unerforschten gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr genveränderter Lebensmittel, lautete schon immer ein Argument der Gentechgegner, daß sich die in Soja, Mais, Weizen, Baumwolle, Raps, etc. eingezüchteten fremdartigen Eigenschaften unkontrolliert in den Wildwuchs einkreuzen können. Dieser horizontale Gen-Transfer wäre nicht mehr rückgängig zu machen und hätte womöglich weitreichendere negative Folgen als die unkontrollierte Verbreitung radioaktiver Isotope durch die oberirdischen Atomtests Mitte des vergangenen Jahrhunderts oder in der heutigen Zeit durch die Kernwaffenproduktion und gesamte Infrastruktur der sogenannten zivilen Nukleartechnologie. Denn radioaktive Kontaminationen könne man nachweisen und - wenngleich nur mit großem Aufwand - beseitigen. Bei einem Gen-Transfer sei nicht einmal das möglich.

Die Folgen eines horizontalen Gen-Transfers sind nicht absehbar, genau darin liegt die Gefahr. Wüßte die Wissenschaft, auf welchen Wegen sich die Eigenschaften der Hybridpflanzen in der Umwelt ausbreiten, bestünde die Chance, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Aus der Tatsache, daß ein horizontaler Gen-Transfer von GV-Saat auf Wildwuchs stattfindet, doch bislang zu keinen nennenswerten Schäden geführt hat (sieht man vom juristischen Gezerre aufgrund angeblicher Linzenzverletzungen ab - Stichwort Percy Schmeiser), kann aus wissenschaftlicher Sicht nicht der Schluß gezogen werden, daß dies immer so bleiben wird. Hier hat man es mit einem weiten Feld an Möglichkeiten zu tun, und ein Irrtum könnte sich unmittelbar als Ernteverlust bemerkbar machen. Gleiches gilt für den Monokulturanbau, der durch die Verbreitung von GV-Saaten gefördert wird.

Nun berichteten Wissenschaftler aus China, daß sie eine Strategie entwickelt haben, durch die zwar nicht der horizontale Gen-Transfer, aber zumindest die unkontrollierte Ausbreitung von Pollen und Samen gentechnisch veränderter Pflanzen eingedämmt werden könne [1]. Auf den ersten Blick wirkt die Methode bestechend einfach: Es war den Forschern gelungen, eine Gentech-Reisart zu züchten, die entgegen ihrer Natur empfindlich auf das Herbizid Bentazon reagiert. Im Laborversuch starben alle Reispflanzen, die jene Empfindlichkeit besaßen, ab, während konventionelle Reispflanzen unbeeinträchtigt blieben.

Die Idee besteht nun darin, daß alle GV-Pflanzen mit der Bentazon-Empfindlichkeit ausgestattet werden, so daß die Landwirte nur noch dieses Herbizid beispielsweise auf die Randbereiche der Felder zu sprühen bräuchten, dann würde die unbeabsichtigte Ausbreitung der Pflanzen verhindert. In den Versuchen genügte eine einmalige Behandlung. Die Forscher stellten ihre Strategie als prinzipiell erwiesen dar und empfahlen, daß in weiteren Untersuchungen die erforderliche Bentazon-Konzentration ermittelt werden sollte. Man selber arbeite nun daran, die Eigenschaften auf Mais zu übertragen. Einwände gegen das Verfahren lieferten die Forscher gleich mit: Das vermehrte Ausbringen von Bentazon gefährde die ökologische Sicherheit und erhöhe womöglich die Resistenz von Unkraut.

Faktisch schlagen die Forscher vor, man möge künftig noch mehr des weit verbreiteten, aber keineswegs harmlosen Herbizids Bentazon einsetzen. Damit würden dann nicht nur wie bisher die Felder selbst, sondern eben auch die Randstreifen oder Nachbarfelder besprüht. Hier wäre zu fragen, was sich die Forscher vorstellen, bis zu welcher Entfernung von einem Gentech-Feld Bentazon versprüht werden soll. Und wer soll das bezahlen? Selbst die heutigen Abstandsregeln für GV-Pflanzen bieten keinen hundertprozentigen Schutz, sondern strecken nur zeitlich die weitere Verbreitung in die Länge, so daß die flächendeckende Kontamination weniger auffällig vonstatten geht.

Darüber hinaus machen die Autoren zutreffend auf die Möglichkeit aufmerksam, daß Unkräuter Resistenzen gegen Bentazon entwickeln, falls es künftig vermehrt verwendet würde. Dieser Effekt ist von dem Wirkstoff Glyphosat her bekannt. Der wird unter dem Markennamen Roundup vertrieben und üblicherweise beim Gentech-Anbau eingesetzt. Die von den chinesischen Forschern angedeutete Entwicklung könnte somit darauf hinauslaufen, daß zwar der unerwünschte Gentech-Reis außerhalb der Felder vernichtet wird, aber die Bauern sich dafür langfristig ein Unkrautproblem einhandeln.

Zu den eingangs angedeuteten möglichen Gesundheitsproblemen in diesem Kontext gehört sicherlich die Frage, welchen Unterschied es macht, ob ein Mensch Reis verzehrt, der von seiner Natur her gegen Bentazon unempfindlich ist, oder ob er Reis verzehrt, dem diese Eigenschaft weggezüchtet wurde. Enthält das Reiskorn die Bentazon-Empfindlichkeit? Wie reagiert die menschliche Verdauung gegebenenfalls darauf?

Ein häufig begangener Irrtum hinsichtlich der Einschätzung der Risiken der Grünen Gentechnik ist bereits in der Bausteintheorie der Genetik angelegt. Die Modellvorstellung von Genen als definierte Informationseinheiten wurde von Informatikern geprägt [2]. Nun soll an dieser Stelle keine Fundamentalkritik am genetischen Modell geübt und es sollen auch nicht die ungeklärten Widersprüche dieser Vorstellung diskutiert werden. Es sei jedoch daran erinnert, daß ein sogenanntes Gen nicht nur für bestimmte Informationen stehen soll, sondern daß es auch eine materielle Entsprechung gibt. Das klingt banal, und jeder Mikrobiologe würde das ohne zu zögern bestätigen. Diesen Umstand zu erwähnen erscheint jedoch insofern wichtig, als daß der Finger darauf gelegt werden soll, daß sogenannte gentechnische Veränderungen an Pflanzen in erster Linie nicht informationell, sondern materiell sind.

Üblicherweise werden Speisen vom Verdauungssystem so weitgehend zerlegt, daß der strukturelle Zusammenhalt und damit ihre Funktionalität verloren geht. Ein Mensch, der bentazon-empfindlichen Reis verzehrt, würde deswegen nicht ebenfalls empfindlich auf das Herbizid reagieren. Experimente mit Gentech-Material an Tieren haben jedoch bewiesen, daß es die Darmwand durchdringen und in den Blutkreislauf gelangen kann. Die Frage besteht nun, welche Folgen die Aufnahme von genveränderten Reis durch den Verdauungstrakt hat - eine Frage, die selbstverständlich für sämtliche Genprodukte gilt.

Solche Überlegungen waren nicht Gegenstand der chinesischen Studie. Aber wer beantwortet sie dann, sollten Biotechunternehmen die vorgeschlagene Strategie aufgreifen? Obgleich die Grüne Gentechnik der Nahrungsproduktion das unmittelbare Lebensinteresse des Menschen betrifft, werden an sie nicht die gleichen Sicherheitsmaßstäbe angelegt wie an die Herstellung von Medikamenten, die ebenfalls unmittelbar das Lebensinteresse der Menschen betreffen.

Im übrigen haben die chinesischen Forscher bei der Hybridisierung des Reises einen sogenannten Promoter verwendet, der zwar in der Biotechnologie üblich, doch nicht unumstritten ist, den Promoter 35S des Blumenkohlmosaikvirus. Gentechnikexperten wie Joe Cummins vom Institute of Science in Society (ISIS) [3] hegen grundsätzliche Bedenken, abgeschwächte Viren-Bestandteile in Pflanzen einzubringen. Viren sind bekanntlich äußerst "kontaktfreudig", zwischen ihnen herrscht ein ständige Geben und Nehmen von Eigenschaften.

Die Kritiker der Grünen Gentechnik machen nun darauf aufmerksam, daß durch den vermehrten Anbau von GV-Pflanzen die Gefahr von Rekombinationen entsteht, was wiederum die Gefahr der Verbreitung von viralen Pflanzenkrankheiten erhöht. Auch wenn die statistische Wahrscheinlichkeit gering ist, kann diese Möglichkeit schon deshalb nicht ausgeschlossen werden, weil die Viren-Bestandteile in jeder Zelle der GV-Pflanze vorkommen und diese rund eine Milliarde Zellen enthält. Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, daß doch irgendwann eine Veränderung mit schädlichen Folgen eintritt oder bereits eingetreten ist, ohne daß dieser Zusammenhang erkannt wurde, weil niemand nachgesehen hat.

Die Wissenschaftler aus China schlagen also vor, die reale Gefahr der unkontrollierten Verbreitung der Grünen Gentechnik durch noch mehr Chemikalien in der Umwelt zu kompensieren und dabei das Risiko der Resistenzbildung bei Unkräutern einzugehen. Darüber hinaus würde die Umsetzung ihres Vorschlags bedeuten, die Dauergefahr des horizontalen Gen-Transfer und damit von potentiellen Risiken für Pflanzen und Menschen zu ignorieren.


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Anmerkungen:

[1] Chaoyang Lin, Jun Fang, Xiaoli Xu, Te Zhao, Jiaan Cheng, Gongyin Ye und Zhicheng Shen vom Institute of Insect Sciences and State Key Laboratory of Rice Biology, Zhejiang University, Hangzhou, China. Juming Tu, Institute of Crop Sciences, Zhejiang University, Hangzhou, China. PLoS ONE: A Built-In Strategy for Containment of Transgenic Plants: Creation of Selectively Terminable Transgenic Rice (March 19, 2008) http://www.plosone.org/article/info%253Adoi%252F10.1371%252Fjournal.pone.0001818

[2] Lily E. Kay: "Das Buch des Lebens. Wer schrieb den genetischen Code?" Carl Hanser Verlag, München 2001.

[3] Das Thema ist komplex und kann hier nur angerissen werden. Genauere Informationen zu diesem Bereich bieten folgenden Adressen: http://www.i-sis.org.uk/ http://www.btinternet.com/~nlpwessex/Documents/camv.htm

9. April 2008