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KLIMA/289: Breite Kampagne gegen Fleischesser (SB)


Rinder blähen ... und manche Journalisten produzieren heiße Luft

Wie ein Fachartikel zur industriellen Rinderhaltung in Japan in eine Kampagne gegen Fleischesser umgemünzt wurde


Wenn das Klima stabil wäre, gäbe es uns Menschen nicht. Im Laufe der Erdgeschichte hat es sich permanent gewandelt, und der heutige Sauerstoffgehalt der Atmosphäre von knapp 21 Prozent, auf den die Menschen existentiell angewiesen sind, könnte man als ein Ausscheidungsprodukt von Bakterien bezeichnen, deren vermehrte Ausbreitung ihrerseits Ergebnis eines Wandels der Umgebung war. Ohne den Vorgang der Sauerstoffabscheidung wären der Mensch und mit ihm die sogenannten höheren Tierarten niemals entstanden.

Ungefähr ab Beginn der Industriealisierung vor gut eineinhalb Jahrhunderten erfuhren zwei globale Trends eine deutliche Beschleunigung: Zum einen nahm die Zahl der Weltbevölkerung zu, zum anderen stieg die Pro-Kopf-Produktion von Treibhausgasen aufgrund von vielfältigen Verbrennungsvorgängen, die mit den modernen, verbrauchsorientierten Produktionsweisen einhergingen, an. Im Zuge dessen hat sich die Erdatmosphäre in eine Richtung verändert, die heutigen Erkenntnissen nach stark von menschlichen Aktivitäten bestimmt wird. Ähnlich einem See, der aufgrund vermehrten Algenwachstums eutrophiert, droht der Atmosphäre gegenwärtig ein Kollaps. (Angesichts des Alters der Erde von über 4,5 Milliarden Jahren werden Veränderungen, die über ein, zwei Jahrhunderte geschehen, von Wissenschaftlers als plötzliches Ereignis bewertet.)

Als bedeutender Klimafaktor hat sich die Zunahme der Konzentration von Kohlendioxid (CO2) und anderer, teils um vieles wirksamerer Treibhausgase erwiesen. Nun lieferten japanische Wissenschaftler in der Fachzeitschrift "Animal Science Journal" (Bd. 78, S. 424) die Datengrundlage für eine sich anschließende, mannigfach kolportierte Behauptung, daß Menschen, die sich von Fleisch ernährten, um ein Vielfaches mehr zum Treibhauseffekt beitrügen als Vegetarier. Eine Behauptung, die nichts mit der ursprünglichen Intention des Artikels gemein hatte.

Aber der Bericht traf auf eine gesellschaftliche Stimmung, in der emsig nach individuellen Pseudolösungen zur Bekämpfung des Klimawandels gesucht wurde und Sündenböcke geschaffen wurden. Die Kampagne lief von Anfang an auf eine Diffamierung des Fleischkonsums hinaus und knüpfte an ältere Initiativen an, denen zufolge Fleisch ungesund sei und verteuert werden müsse. "Klasse statt Masse" lautete das Motto der früheren Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Die Grünen). Bezeichnenderweise hat "Klasse" mehrere Bedeutungen. Nach der von Künast angekündigten Verteuerung des Rindfleischs würden neue soziale Klassen entstehen. Nur wer über ein höheres Einkommen verfügt, wird sich in Zukunft noch Fleisch leisten können.

"Eat a steak, warm the planet", überschrieb die Nachrichtenagentur AFP ihre Meldung (18.7.2007) über die karnivoren "Klimasünder". Die Botschaft war unmißverständlich: Wer ein Steak verzehrt, heizt den Planeten auf. Eine japanische Forschergruppe um Akifumi Ogino vom Nationalen Institut für Vieh- und Weideforschung in Tsukuba hatte die Rechnung aufgestellt, daß bei der Herstellung von einem Kilogramm Rindfleisch 36,4 Kilogramm CO2, bzw. CO2-äquivalente Treibhausgase produziert werden (sowie 340 g Schwefeldioxid und 59 g Phosphat).

Somit würden bei der Herstellung von einem Kilogramm Rindfleisch mehr Treibhausgase emittiert, als wenn man mit einem Auto drei Stunden lang führe - also rund 250 Kilometer zurücklege - und zu Hause eine 100-Wattbirne 20 Stunden lang laufen lasse, bemühten sich Journalisten um eine Analogie aus der Alltagswelt der Menschen (und nicht der Rinder, um die es den japanischen Forschern gegangen war.)

Okido und seine Kollegen Hideki Orito, Kazuhiro Shimada und Hiroyuki Hirooka stellten fest, daß der größte Anteil an den 36,4 Kilogramm Kohlendioxid auf das klimawirksame Gas Methan entfiel, das im Verdauungssystem der Rinder erzeugt und in die Luft entlassen wird. Als Grundlage der Bilanz dienten den Forschern Daten einer industriellen Rinderfarm in Japan. Darüber hinaus wurde auch die Energiemenge berechnet, die benötigt wurde, um das Kraftfutter für die Tiere herzustellen und zu transportieren. Nicht berücksichtigt wurde von den Forschern der Energieverbrauch der Rinderfarm sowie der des Fleischtransports.

In Kalifornien gibt es seit einiger Zeit eine Kampagne "Diät gegen globale Erwärmung". Mitinitiator ist der Meteorologieprofessor Eugene Cordero aus San José. Er und seine Mitstreiterin, die Köchin Laura Stec, vertreten die Ansicht, daß sich die Menschen vorwiegend vegetarisch ernähren und Fleisch allenfalls noch aus Freilandhaltung verzehren sollten. Die aktuelle Stimmungsmache gegen Fleischesser trifft also auf einen vorbereiteten Nährboden.

Wenn die jüngste Kampagne zum Verzicht auf Fleisch nicht ideologisch positiv als Klimaschutzmaßnahme verkauft worden wäre, sondern wenn Interessensgruppen innerhalb und außerhalb der Regierungen von den Menschen ohne jene Begründung verlangt hätten, sie sollten gefälligst Vegetarier werden, würde das wahrscheinlich als massiver Eingriff in die persönliche Freiheit, darüber entscheiden zu dürfen, was man essen wolle, aufgefaßt werden. Das grüne Mäntelchen, mit dem nun der Fleischverzehr diffamiert wird, ändert jedoch faktisch überhaupt nichts an solch einer Forderung nach Verzicht auf Fleischkonsum.

Zur Zeit wird die Kampagne noch mit keinen administrativen Repressionen verknüpft. Das kann noch kommen. Cordero hat die Nützlichkeit des Fleischverzichts mit der Verwendung von Energiesparlampen und Hybridautos verglichen. An solch einer Stelle können jedoch Zwänge aufgebaut werden. So hat sich die australische Regierung bereits als Vorreiter in Szene gesetzt und verlangt eine komplette Umstellung des Landes auf Energiesparlampen, ob die Bevölkerung das will oder nicht.

Da sich die Folgen des Klimawandels in den nächsten Jahren noch deutlicher abzeichnen werden, wird die allgemeine Not und damit der Druck auf Sündenböcke, deren Lebensweise vermeintlich klimaschädlich ist, wachsen. Den japanischen Forscher jedenfalls war es gar nicht darum gegangen, den Stab über den menschlichen Fleischverzehr zu brechen. Wie oben erwähnt, wurde der Fachartikel in einem Tierforschungsjournal veröffentlicht. Er trägt den Titel: "Evaluating environmental impacts of the Japanese beef cow-calf system by the life cycle assessment method". Die Forscher bewerteten die Umweltfolgen der japanischen Fleischerzeugung des gegenwärtigen industriellen Kuh-Kalbsystems und schlugen unter anderem vor, die Intervalle, in denen eine Kuh wieder zum Kalben gebracht wird, auf einen Monat zu verkürzen. Außerdem empfahlen die Forscher einen verbesserten Umgang mit den Ausscheidungen. Dadurch könne die Umweltbelastung um fast sechs Prozent verringert werden, lautete das Resultat, auf das die Forschungen abzielten.

Mit Fleischverzehr und der Bezichtigung der Fleischesser hatte der Fachartikel gar nichts zu tun. Das britische Magazin "New Scientist" (18.7.2007, online) hingegen wandelte den Tenor des Beitrags um und versetzte ihn mit einer gehörigen Portion Moral: "Meat is murder on the environment" - Fleisch ist der Mörder der Umwelt, titelte Daniele Fanelli ihren Bericht, der anschließend von Nachrichtenagenturen und Zeitungen auf der ganzen Welt verbreitet wurde.

Der Mensch verändert das Klima, das auch ohne ihn niemals konstant gewesen war. Damit soll nicht gesagt sein, daß er Opfer äußerer Umstände ist und sich seinem vermeintlichen Schicksal zu fügen hat. Aber vor dem Hintergrund der Dimension der auf die Menschen zukommenden Probleme, ist die Bezichtigung von Fleischessern ein denkbar ungeeigneter Weg, sich diesen Herausforderungen zu stellen.

25. Juli 2007