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KLIMA/412: "Grüner" Architekt - Feigenblatt für Heathrow-Ausbau (SB)


Nicholas Grimshaw für Bau der höchst umstrittenen dritten Heathrow-Landebahn im Gespräch


Ein Flughafen bleibt ein Flughafen bleibt ein Flughafen ... wird er auch von einem Architekten gestaltet, der sich mit umweltfreundlichen Designs einen Namen gemacht hat. Flugverkehr bleibt eine Zwangsfolge von globalisierten, profitorientierten Produktionsverhältnissen und wird es auch dann noch bleiben, wenn dem Fortbewegungsmittel oder seiner Infrastruktur ein grüner Tarnanstrich verpaßt werden soll. Wie zum Beispiel in Großbritannien. Die Regierung will am Internationalen Flughafen Heathrow eine dritte Landebahn bauen, was auf der Insel bereits zu erbitterten Auseinandersetzungen, am ehesten vergleichbar mit denen im Kelsterbacher Wald am Flughafen Frankfurt, geführt hat. Anwohner, Umweltschützer, Wissenschaftler, ja, selbst Kreise innerhalb der britischen Regierung lehnen die Pläne ab.

Das dürfte ein wesentlicher Grund dafür sein, daß die umstrittene Landebahn von Sir Nicholas Grimshaw entworfen werden soll. Dessen Ernennung ist zwar noch nicht besiegelt, wird aber bereits von gut informierten Kreisen verbreitet, wie die britische Zeitung "The Guardian" (13.11.2009) unter Berufung auf das Fachblatt "Building Design" meldete.

Grimshaw ist der Architekt, der das Eden Project entworfen hat. Das wurde 2001 in der Grafschaft Cornwall eröffnet und besteht aus einer Reihe von Kuppelbauten, in denen verschiedene Klimazonen simuliert werden. Außerdem ist Grimshaw Präsident der Royal Academy und Gründungsmitglied der grünen Architektenvereinigung UK Green Building Council, die im Februar 2007 ihre Tätigkeit aufnahm, um die Art und Weise, in der heute gebaut wird, fundamental nach ökologischen Kriterien zu verändern, ohne die Gesundheit und Lebensqualität der Bewohner zu beeinträchtigen.

Die voraussichtlichen Kosten einer dritten Landebahn plus eines neuen Terminals werden mit acht Milliarden brit. Pfund (ca. 8,9 Mrd. Euro) veranschlagt - absehbare Kostenexplosionen noch nicht berücksichtigt. Sollte der Flugverkehr in Zukunft tatsächlich zunehmen, was keineswegs sicher ist, wie die noch nicht ausgestandene Wirtschaftskrise zeigt, so würden täglich 350 Flüge zusätzlich über Heathrow abgewickelt. Dementsprechend würden die Lärm- und Schadstoffbelastung und Emissionen von Treibhausgasen zunehmen.

Sollte Grimshaw den Auftrag übernehmen, was noch nicht feststeht, so könnte dies zumindest einen Teil des Widerstands gegen den Flughafenausbau auffangen. Wohingegen auf der anderen Seite mit einer Radikalisierung des Widerstands zu rechnen wäre.

Fraglos lassen sich Landebahnen und Terminals so gestalten, daß Bau und Nutzung weniger Energie verbrauchen und weniger Müll erzeugen als bei anderen Flughäfen. Grisham würde sicherlich versuchen, seinem Ruf gerecht zu werden, und einen Entwurf vorlegen, der die Kriterien nachhaltigen Bauens erfüllt. John Aker, Sprecher des UK Green Building Council, verteidigt dann auch die Beteiligung Grimshaw am kontroversen Flughafenprojekt. Das müsse man im Zusammenhang mit dem gesamten britischen Kohlenstoffausstoß betrachten, erklärte er. "Wenn dieser aufgrund des Projekts anwachse, dann sollte sich der Ärger gegen die beteiligten Politiker richten. Wo soll das aufhören? Sollen wir gegen die Leute protestieren, die den Zement für Kohlekraftwerke ausgießen?", wird er vom "Guardian" zitiert.

Im Zweifelsfall ja, werden ihm die Flughafengegner sagen. Da alle bisherigen Proteste nichts genutzt haben und die Gegenbewegung gezielt von Polizei und Behörden kriminalisiert werden sollte - inzwischen hat sich eingebürgert, die Antiterrorgesetzgebung auf Flughafengegner und andere Klimaaktivisten anzuwenden -, würde es tatsächlich nicht wundern, wenn sich der Widerstand nun nicht nur gegen Architekten, sondern gegen sämtliche Beteiligte des Projekts richtete.

Zu den vielen Aktionen, die bereits gegen die dritte Landebahn unternommen wurden, gehörte in der vergangenen Woche das Anlegen eines Gartens auf einem Grundstück, das eigens zu dem Zweck erworben wurde, damit es nicht die Heathrow-Betreiberin BAA (British Airports Authority) für ihre Landebahn kaufen kann. Auf dem Grundstück wurde auch ein Apfelbaum gepflanzt, den Oppositionsführer David Cameron von der Conservative Party gesponsort hat. Sollten die Conservatives die nächste Wahl gewinnen - und danach sieht es aus -, werde das Projekt gestrichen, versprach Cameron. Man darf gespannt sein, ob es sich hierbei um eines jener Vorwahlkampfversprechen handelt, von denen nach der Wahl behauptet wird, daß sie so nie gemacht wurden und die Wähler das völlig falsch verstanden haben (also zu doof waren, die Aussage zu verstehen).

Bei einer weiteren Aktion gegen den Landebahnbau schlichen sich neulich zwei Mitglieder der Gruppe "Plane Stupid" zu den Feierlichkeiten aus Anlaß der Verleihung des Preises "Architect of the Year" ins Intercontinental Hotel ein, betraten die Bühne und versuchten, den Vertretern des Architektenbüros Pascall and Watson, das für Heathrow arbeitet, einen besonderen Preis zu übergeben, der als "Wir geben einen Scheiß drauf" übersetzt werden könnte. Der sollte als "Anerkennung" für ein halbes Jahrhundert Arbeit an Flughäfen sein. Unter anderem hat das Architektenbüro die Flughäfen von Heathrow, Gatwick, Stansted, Birmingham, Manchester, Dublin und Abu Dhabi ausgebaut.

Flugzeuge tragen nicht unerheblich zur Erhöhung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre bei. Außerdem erzeugen sie gesundheitsschädliche Schadstoffe. Und wer fliegt? Wer nutzt Heathrow, Frankfurt am Main und andere Flughäfen, die teils sogar noch erweitert werden? Der gesellschaftlichen Einkommenshierarchie folgend kann man vereinfachend sagen, daß die Nutzung des Flugzeugs mit der Einkommenshöhe einer Person zunimmt. Das gilt sowohl hinsichtlich des Personen- wie auch des Gütertransports. Der Ausbau des Flughafens Heathrow stellt sich somit als Projekt des Establishments dar. Tatsächlich begründen die britischen Aktivisten ihren Widerstand nicht allein mit der Klimaschädlichkeit des Projekts, sondern auch damit, daß hier beispielhaft vorgeführt wird, wie ein elitärer Teil der Gesellschaft seine Interessen gegen die Mehrheit durchzusetzen versucht.

15. November 2009