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KLIMA/466: Soforthilfe des Copenhagen Accord - frühere Zusagen nur umgewidmet (SB)


Industrieländer "erfüllen" Klimaschutzhilfe für Entwicklungsländer durch Umdeklarierung bereits zugesagter Gelder


Als sich im Dezember 2009 auf dem UN-Klimagipfel in Kopenhagen die Staats- und Regierungschefs und übrigen Vertreter der internationalen Staatengemeinschaft auf keine verbindlichen, weitreichenden und damit die Nöte der durch den Klimawandel gefährdeten armen Länder vollumfänglich berücksichtigend einigen konnten, gaben sie als Schlußdokument die Kopenhagener Übereinstimmung - Copenhagen Accord - aus. Diese wurde von der Staatengemeinschaft zur Kenntnis genommen und gilt somit als Konsensgrundlage für Klimaschutzmaßnahmen. Zu den wenigen konkreten Zusagen darin gehört, daß die entwickelten Länder den Entwicklungsländern zwischen 2010 und 2012 30 Milliarden Dollar als Soforthilfe für Maßnahmen gegen den Klimawandel zukommen lassen wollen. Nun meldet die Internetseite BusinessGreen.com [1] unter Berufung auf die Nachrichtenagentur Reuters, daß ein Teil der Gelder offenbar nicht völlig neu freigesetzt werden soll, sondern daß bereits früher getroffene Zusagen schlicht umdeklariert werden. Nur so ließe sich erklären, daß die reichen Länder ihre Zusage quasi schon erfüllt haben.

Demnach wurden 29,8 Mrd. Dollar an "neuen und zusätzlichen" Finanzmitteln ausgezahlt. Es sei aber nicht genau definiert worden, was "neu und zusätzlich" bedeute. So habe Japan zwar 15 Mrd. Dollar zugesagt, aber hiervon seien bereits 10 Mrd. Dollar im Programm Cool Earth Partnership im Jahr 2008 - auszuzahlen bis 2013 - abgesegnet worden. Auch die USA und EU werden kritisiert, daß sie Gelder umwidmen, die bereits vor dem UN-Klimagipfel zugesagt wurden. Reuters zitiert den Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Hans Joachim Schellnhuber, mit den Worten: "Ich befürchte, daß die Zusagen von Kopenhagen nicht erfüllt werden. Es wäre ein kleines politisches Wunder, wenn es geschähe. Ich bin ziemlich pessimistisch." [2]

Das World Ressources Institute (WRI) merkt ebenfalls an, daß das Finanzierungskriterium "neu" nicht immer erfüllt werde. So erinnere die Hatoyama-Initiative an Japans Cool Earth Partnership mit einigen neueren Ressourcen, und Länder wie Großbritannien und die USA hätten frühere Verpflichtungen aus dem Climate Investment Funds (CIFs) als Soforthilfe ausgewiesen. [3] Wie der Schattenblick im Januar 2010 berichtete [4], geht aus dem an die Öffentlichkeit gelangten Email-Verkehr der britischen Regierung hervor, daß die Soforthilfe eigentlich Entwicklungshilfe ist, die lediglich anders genannt wird. Auch die deutsche Regierung wollte sich vor dem Kopenhagen-Gipfel nicht darauf festlegen, daß die Soforthilfe nicht aus anderen Budgets, die dann entsprechend geringer ausfielen, bestritten wird.

Angesichts der eingangs erwähnten Unverbindlichkeit des Copenhagen Accord der Staatengemeinschaft, respektive der wohlhabenderen Industriestaaten und wirtschaftlich erstarkenden Schwellenländer, war eigentlich gar nichts anderes zu erwarten, als daß auch die Soforthilfe im wesentlichen unter die Kategorie Etikettenschwindel fällt. Das Verhalten, daß Hilfezusagen - beispielsweise nach dem Erdbeben von Haiti - nur partiell eingehalten werden, ist hinlänglich bekannt und charakterisiert recht genau das letztlich hegemonial begründete Interesse der reichen Länder an Maßnahmen der Entwicklungshilfe und auch der Klimaschutz-Soforthilfe.


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Anmerkungen:

[1] "Rich nations accused of rehashing old funding to help the poor", BusinessGreen.com, 27. August 2010
http://www.businessgreen.com/business-green/news/2268853/rich-nations-accused-rehashing

[2] Übersetzt nach [1] aus dem Englischen durch die
Schattenblick-Redaktion.

[3] "Summary of Developed Country `Fast-Start´ Climate Finance Pledges", Athena Ballesteros, Clifford Polycarp, Kirsten Stasio, Emily Chessin und Kaija Hurlburt für das World Ressources Institute, 18. Februar 2010, updated am 12. August 2010
http://www.wri.org/stories/2010/02/summary-developed-country-fast-start-climate-finance-pledges

[4] Näheres unter:
KLIMA/427: Soforthilfe für ärmere Länder - Entwicklungshilfe umdefiniert (SB)

30. August 2010