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KLIMA/507: Forscher prognostizieren Dauer-Dürre für den gesamten Westen Nordamerikas (SB)


Nordamerika bis zum Jahr 2100

Massive Ernteeinbrüche und dynamisierender Faktor der Erderwärmung



Was heute noch die schwerste Dürre in Nordamerika seit 70 Jahren genannt wird, könnte morgen schon Normalzustand sein. Aufgrund des anhaltenden Niederschlagsmangels müssen die diesjährigen Ernteprognosen regelmäßig nach unten korrigiert werden. Das läßt in Verbindung mit anderen Faktoren die Weltmarktpreise für Getreide nach oben schießen. Wurde unter Experten in der Vergangenheit in der Regel der Standpunkt vertreten, daß weltweit genügend Nahrung für alle Menschen produziert wird, mischen sich inzwischen Mißtöne in derartige Beruhigungsgesänge: Die Lagerbestände schwinden, die Menschheit hätte nicht einmal für zwei Monate Getreide, würde dessen Produktion eingestellt. Fast eine Milliarde Menschen leidet chronisch Hunger, eine weitere Milliarde ist unzureichend ernährt. Forscher haben festgestellt, daß die Schwere und Häufigkeit von Klimaextremen zugenommen hat und das eine Folge der menschenverursachten Klimaerwärmung ist - folglich ist mit einer Verschärfung der Mangellage für Milliarden Menschen zu rechnen.

Die aktuelle Dürre in Nordamerika wurde von einer Forschergruppe um Christopher Schwalm von der Northern Arizona University noch nicht in ihrer jüngsten Klimastudie berücksichtigt. Doch bestätigt der diesjährige Niederschlagsmangel ihre Prognosen. Im Fachjournal "Nature Geoscience" [1] berichteten die zehn Forscherinnen und Forscher, daß die Verluste an Getreide und Wald sowie das Austrocknen ganzer Flüsse während der Dürreperiode 2000 bis 2004 im Westen der USA in Zukunft noch als die gute alte Zeit angesehen werden könnte.

Den Klimasimulationen zufolge dürfte jene Dürreperiode eher dem "nasseren Ende" eines ansonsten trockenen Klimas in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts zugeordnet werden. Die mehrjährige Trockenheit wird als die schlimmste der letzten 800 Jahre angesehen. Das schließen die Forscher aus der Analyse von Baumringen, von denen man annimmt, daß sie relativ zuverlässige Daten zur jüngere Klimageschichte liefern. In der fünfjährigen Dürreperiode zu Beginn des neuen Jahrtausends war die Ernte in weiten Teile des Westens der USA um fünf Prozent zurückgegangen.

Die Co-Autorin der Studie, Prof. Beverly Law von der Staatsuniversität Oregon, machte - neben den zu erwartenden Ernterückgängen - auf einen weiteren wichtigen Effekt des dürrebedingten Verlusts an Vegetation aufmerksam: Die Eigenschaft Nordamerikas als Kohlenstoffsenke wird abnehmen. Die Pflanzen werden der Erdatmosphäre nicht mehr so viel Kohlendioxid wie bisher entziehen.

Law zufolge absorbiert die nordamerikanische Landfläche normalerweise das Äquivalent von rund 30 Prozent des durch die Verbrennung von fossilen Treibstoffen im gleichen Gebiet emittierten Kohlendioxids. Die nordamerikanischen Wälder werden sich voraussichtlich in Busch- oder Grasland wandeln, und gegen Ende des Jahrhundert werde sich Nordamerika zur Kohlendioxidquelle entwickelt haben, prognostizieren die Forscherin und ihre Kollegen. Bis dahin würde 80 bis 95 Jahre lang ein Niederschlagsniveau von dem der Dürreperiode 2000 bis 2004 oder noch geringer vorherrschen. Die Aussichten für die nordamerikanische Getreideproduktion, der ihrerseits Weltrangbedeutung hat, sehen also düster aus.

Den Berechnungen der Forschergruppe zufolge hat sich die Kohlenstoffaufnahme in jenem Untersuchungszeitraum und -gebiet (West-USA, Kanada und Mexiko) im Durchschnitt halbiert! Und die abgestorbenen Pflanzen nehmen nicht nur kein Kohlendioxid mehr auf, sie geben sogar das, was sie zuvor strukturell eingebunden hatten, beim Verdorren wieder an die Atmosphäre ab.

Die Verwendung des Begriffspaars "Kohlenstoffquelle" und "-senke" für sich genommen ist nicht unproblematisch, weil damit nur ein Verhältnis ausgedrückt wird. Beispielsweise könnte die knochentrockene Mojave-Wüste zur Kohlenstoffsenke werden, wenn nur auf einem kleinen Fleckchen Jahr für Jahr ein kümmerliches Pflänzchen hinzukäme. Wohingegen umgekehrt ein über mehrere Stockwerke wuchernder Regenwald im Amazonasbecken in den Jahren, in denen er nicht genügend Niederschlag erfährt und ein Teil der Pflanzen verdorrt, zu einer Kohlenstoffquelle geriete.

Zwar seien zuverlässige Voraussagen zur regionalen Niederschlagsverteilung schwierig, räumen die Forscher ein. Doch zugleich verweisen sie darauf, daß die üblichen Klimamodelle das Ausmaß und die Schwere von Dürren im Vergleich zu den realen Messungen gewöhnlich unterschätzt haben. Diese Feststellung deckt sich mit früheren Studien anderer Forschergruppen, denen zufolge die einst als "Worst-case-scenario", also als schlimmste Entwicklung prognostizierte Klimaentwicklung binnen weniger Jahre von der Realität überholt wurde.

Man hat es hier also mit einem Rückkopplungseffekt zu tun, wie er in der Klimaforschung in zahlreichen Varianten zu beobachten ist: Die Erwärmung nimmt zu, Niederschläge gehen zurück, Pflanzen sterben ab, eine vormalige Kohlenstoffsenke wird zur Quelle dieses Treibhausgases, und die Erwärmung nimmt daraufhin von einem nun höheren Niveau aus nochmals zu.

Die Klimasimulationen zu anderen Weltregionen als Nordamerika bringen mehrheitlich ähnliche Resultate hervor: Wassermangel in Zentralasien, Gletscherverlust in Südamerika, Ausdehnung der Sahelzone nach Norden, schwindende Niederschlagsmengen in Westafrika, Desertifikation in Australien ... all diese prognostizierten Entwicklungen werden durch wissenschaftlich anerkannte Studien belegt. Sie bilden die Handlungsgrundlage für die politischen Entscheidungsträger. Das sollten sie zumindest.

Da die Regierungen nachweislich nicht an einem Strang ziehen, wie die weitgehend gescheiterten UN-Klimaschutzverhandlungen gezeigt haben, und keine erkennbaren Handlungen vornehmen, die signifikante Erfolge bei der Verhinderung der globalen Erwärmung in Aussicht stellen, muß man sich fragen, ob die ursprünglich einmal zu Vertretern des Volkes gewählten Regierungen einen Plan B kennen, durch den sie, nicht aber der Großteil der Menschheit vor den katastrophalen Folgen der klimatischen Veränderungen, wie sie in der obigen Studie beispielhaft für Nordamerika beschrieben sind, bewahrt werden? Oder sind sie unfähig, wenn schon nicht die gegenwärtigen, so doch die zukünftigen Menschheitsprobleme entschlossen anzupacken? Es wundert nicht, daß sich eine zunehmende Zahl von Menschen der Politik von oben verweigert und anfängt, die traditionellen Lebensentwürfe und -stile zu hinterfragen. Sie sind im besten, das heißt konstruktivsten Sinne politikverdrossen.


Fußnoten:

[1] "Reduction in carbon uptake during turn of the century drought in western North America", Christopher R. Schwalm, et al., Nature Geoscience 5, 551-556 (2012) doi:10.1038/ngeo1529, online veröffentlicht am 29. Juli 2012

1. August 2012