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KLIMA/620: Heiß, heißer, Pakistan ... (SB)


Hitzewellen und -rekorde 2017


Im Sommer 2016 geriet Kuwait zum heißesten Ort der östlichen Hemisphäre, vielleicht sogar der ganzen Welt. Das Thermometer stieg damals auf 54 Grad Celsius. Nur im Death Valley waren vor über hundert Jahren schon mal höhere Hitzegrade gemessen worden, wobei Unsicherheit ob der damaligen Meßgenauigkeit herrscht.

Vor kurzem wurde der Rekordhalter vom Golf bereits eingeholt, und das, obschon der Hochsommer noch bevorsteht. In der Stadt Turbat im Südwesten Pakistans wurden im Mai dieses Jahres ebenfalls 54 Grad Celsius registriert. Das ist selbst für die dortige, hitzewellengeplagte Bevölkerung kaum erträglich heiß.

Ebenfalls extrem hohe Temperaturen verzeichnen in diesem Jahr Kalifornien und Nevada, Spanien und Frankreich sowie Portugal. Dort haben in den letzten Tagen verheerende Waldbrände mehr als 60 Opfer gefordert - bei Temperaturen von über 40 Grad und einer knochentrockenen Landschaft. Auch Nordafrika und der Mittlere Osten erleben 2017 wieder einmal eine schwere Hitzewelle. Die Temperaturen sind dort laut der Weltmeteorologischen Organisation (WMO) auf über 50 Grad Celsius gestiegen. [1]

Nimmt die Hitze zu, bleibt nicht allein den Menschen die Luft weg, sie wird irgendwann auch so dünn, daß Flugzeuge nicht mehr starten können. [2] Wenngleich man das als eine der Folgen des Klimawandels ansehen könnte, die gar nicht mal unerwünscht sind, zumal der Flugverkehr bislang weitgehend von internationalen Klimaschutzvereinbarungen freigehalten wurde, zeigt dieses Phänomen indes beispielhaft, welche ungeahnten, weitreichenden Folgen der Klimawandel auf die menschliche Gesellschaft haben kann.

Vor kurzem wurde im Journal Nature Climate Change (doi:10.1038/nclimate3322) eine Studie veröffentlicht, derzufolge bis Ende dieses Jahrhundert rund 74 Prozent der Weltbevölkerung einer "tödlichen" Hitzewelle an mindestens 20 Tagen im Jahr ausgesetzt sein könnten, sollten die Treibhausgasemissionen bis dahin wie gewohnt zunehmen. Aber selbst wenn die Emissionen bis dahin drastisch reduziert würden, läge der Anteil der von tödlichen Hitzewellen betroffenen Menschen noch immer bei 48 Prozent. [3]

Bereits wenn die Außentemperatur der Körpertemperatur des Menschen entspricht, also bei ungefähr 37 Grad Celsius liegt, kann der normale Mechanismus zum Abtransport der Hitze nicht mehr aufrechterhalten werden. Der Körper heizt sich auf. Auf der Erde werden in diesem Jahrhundert gänzlich neue Klimazonen entstehen, in denen kein Mensch mehr leben kann, so die Prognose der Klimaforschung.

Wenngleich es zu einfach wäre, den Krieg in Syrien und die anhaltenden Flüchtlingsströme als Vorbote dieser Entwicklung anzusehen und die Migration allein auf die extreme Hitzewelle in den Nuller Jahren zurückzuführen - schließlich kollidieren in diesem Land von außen herangetragene, geopolitische Interessen, die höchstwahrscheinlich auch bei einem milderen Klima aneinandergeraten wären [4] -, ist es umgekehrt zu einfach, würde man den Faktor Dürre als Konfliktverstärker vernachlässigen.

Nach Ansicht der Wissenschaft bewegt sich der Planet Erde auf die nächste Eiszeit zu, die in rund 40.000 Jahren zu erwarten sei. Doch habe der Mensch mit seinen Treibhausgasemissionen bereits jetzt dafür gesorgt, daß die nächste Eiszeit ausbleibt, heißt es. Dieser These liegt die Erkenntnis zugrunde, daß die letzten sogenannten Kaltzeiten in einem mehr oder weniger regelmäßigen Abstand von 40.000 Jahren auftraten. Jedoch gab es vor dieser Zeit eine Phase, in der die Erde im Abstand von 100.000 Jahren über größere Flächen vereist war. Was zu dem Wechsel auf die kürzere Frequenz führte, wird untersucht, konnte aber bislang nicht vollständig erklärt werden.

Das ist ein Hinweis darauf, daß die Annahme einer Regelmäßigkeit in den Natursystemen einen hohen Anteil an Spekulation birgt. So wäre angesichts sowohl der gegenwärtigen Häufung von Extremwettereignissen als auch der erdgeschichtlich rasanten Klimaveränderung in der unteren und oberen Atmosphäre, den Ozeanen, der Arktis und Westantarktis sowie verschiedener Landflächen zu fragen, ob nicht zusätzlich zum Klimafaktor Mensch (mit seinen exzessiven Treibhausgasemissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger) eventuell noch bislang kaum verstandene Prozesse zur Wirkung gelangen, die darüber hinaus das ganze System nochmals beschleunigen.

Jedenfalls fällt auf, daß die Worst-case-Szenarien der alle fünf bis sechs Jahre veröffentlichten Sachstandsberichte zum globalen Klima des Weltklimarats IPCC, in den jeweils nächst folgenden Berichten in Richtung neue Normalität gerückt sind. Hieran angelehnt wäre zu fragen, ob die prognostizierten "tödlichen Hitzewellen" für dreiviertel der Menschheit erst im Jahr 2100 eintreten oder nicht noch früher.


Fußnoten:

[1] https://www.voanews.com/a/world-temperatures/3908281.html

[2] https://www.livescience.com/59549-phoenix-heat-wave-planes-takeoff.html

[3] http://www.nature.com/nclimate/journal/vaop/ncurrent/full/nclimate3322.html

[4] Näheres zum Thema Klimawandel und Syrienkonflikt unter:
BERICHT/111: Klima, Flucht und Politik - ein Glied in der Kette ... (SB)
http://schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umrb0111.html

21. Juni 2017


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