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KLIMA/623: Keine Emissionen wirksamer als negative Emissionen (SB)


Verlockende Geschäfte mit dem Klimaschutz


Es geht nicht anders, es gibt keine Alternative, es läßt sich nicht mehr vermeiden ... diese oder mit ähnlich sachzwangsangepaßter Intention befrachtete Halbsätze sind in letzter Zeit häufiger von Klimaforschern zu vernehmen. Gemeint ist die angeblich unverzichtbare Umsetzung von Konzepten zu sogenannten negativen Emissionen. Da Energieeinsparungen und die technologische Transformation der Gesellschaft nicht wirksam genug sind, um die von anthropogenen Treibhausgasemissionen vorangetriebene globale Erwärmung zu stoppen, und den Entwicklungs- und Schwellenländern eine nachholende Entwicklung nicht versagt werden kann, müsse man der Atmosphäre aktiv das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) entziehen, lautet die Vorstellung. Die Emissionen, die hier "negiert" werden sollen, entstehen hauptsächlich bei der Verbrennung von fossilen Rohstoffen wie Braun- und Steinkohle, Erdöl und Erdgas. Deutschland ist Weltmeister bei der Verstromung von Braunkohle, noch vor China und Rußland.

Man könnte es für einen Scherz halten: Auf der einen Seite beschließt Deutschland ein um Jahrzehnte verzögertes Szenario zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung, auf der anderen Seite sollen nun die Folgen dieser Politik durch negative Emissionen kompensiert werden. Dem ganzen wird noch dadurch die Krone aufgesetzt, daß das aktive CO2-Entziehen seinerseits energieaufwendig ist, und das mitunter sogar extrem, wenn man an die Abscheidung von CO2 aus den Verbrennungsgasen von Kohlekraftwerken und die anschließende Verflüssigung und Lagerung des Treibhausgases (Carbon Capture and Storage, CCS) beispielsweise in ausgeschöpften Erdgasfeldern oder stillgelegten Bergwerksstollen denkt. Beim CCS-Verfahren wird das Gas gewissermaßen an seinen Ursprung zurückgebracht, doch zwischen Förderung und Lagerung liegen energetische Explosionen. Das heißt, um Klimaschutz zu betreiben, werden jede Menge Treibhausgase produziert. Das ist die Ratio hinter der Idee der negativen Emissionen.

Geoengineering bzw. Climate Engineering, also die gezielte Manipulation des Klimas mit technischen Mitteln, war vor drei Jahren auf der internationalen Climate Engineering Conference (CEC) in Berlin noch mehrheitlich von den Teilnehmenden abgelehnt wurde, gewinnt inzwischen jedoch mehr und mehr Zuspruch. Dabei hatte damals eine Reihe von Expertinnen und Experten gewarnt, daß, wenn die Wissenschaft Wege aufzeigt, wie man das Klima mittels technischer Lösungen manipulieren könnte, dann Politik und Gesellschaft nicht die notwendigen Schritte unternehmen werden, um die Klimaschutzziele durch Energieeinsparungen zu erreichen. Die Warnung war prophetisch, so scheint es. Die Akzeptanz von negativen Emissionen greift immer mehr um sich. Zugleich reichen die Zusagen der Unterzeichnerstaaten des Klimaschutzabkommens von Paris 2015 nur dazu, die globale Erwärmung auf drei bis vier Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Vereinbart ist aber, den Grenzwert von 2,0 Grad, möglichst sogar 1,5 Grad einzuhalten - und selbst dann würden die Klimakatastrophen weltweit noch zunehmen.

Die Folgen der absurd anmutenden Idee der negativen Emissionen - erst CO2-Abgase zu produzieren, nur um sie dann energieaufwendig wieder einzufangen - sind sogar noch harmlos verglichen mit anderen Pfeilen im Köcher der Klimaforschung. So sieht eine Idee vor, Schwefeldioxidpartikel in der Stratosphäre zu verteilen, damit sie das Sonnenlicht reflektieren. Daß dabei auch die Ozonschicht perforiert wird, ist nur eine der bereits bekannten Folgeschäden. Vor solchen unabsehbaren Ideen und Konzepten der aktiven Klimamanipulation wurde ebenfalls auf der CEC 2014 gewarnt.

Aber wenn die Naturkatastrophen häufiger und folgenschwerer werden, der Leidensdruck steigt und die Verzweiflung um sich greift, könnte nicht dann der Fall eintreten, daß sich die Politik an die Wissenschaft wendet und fragt, ob es nicht Möglichkeiten gibt, einen raschen Einfluß auf das Klima zu nehmen? Könnte es nicht zu spät sein, wenn man erst dann mit der Forschung beginnt, und wäre es nicht gut, die Optionen vorher wissenschaftlich zu überprüfen? So wird in der Klimaforschung gefragt, und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß mit dieser vermeintlich rationalen Begründung von Forschungen zum Climate Engineering zu einem guten Teil berufsständische Interessen verfolgt werden. Das Thema hat Zukunft, der Job ist gesichert.

Würde sich die Wissenschaft solchem Ansinnen der Politik konsequent verweigern und erklären, daß es keinerlei Alternative zur Energieeinsparung gibt, könnte das den Handlungsdruck beträchtlich erhöhen. Dann würde womöglich klar werden, daß dem Klimawandel mit Kulissenschieberei wie zum Beispiel dem Umstieg von Verbrennungsmotoren auf Elektromotoren im Fahrzeugverkehr nicht beizukommen ist, sondern daß die vorherrschenden Produktionsweisen, die Organisation der Arbeit und die verbreiteten Konsummuster in Frage zu stellen sind.

Es wird zwar behauptet, daß inzwischen eine Entkopplung der CO2-Emissionen vom Wirtschaftswachstum gelungen ist, doch mit solchen beschwichtigenden Aussagen wird der Öffentlichkeit Sand in die Augen gestreut. Denn selbst wenn die Entkopplung gelänge und diese Trennung stabilisiert werden könnte, genügt das nicht im mindesten, um die globale Erwärmung entscheidend auszubremsen. Keine Emissionen sind wirksamer als negative Emissionen. Diese bilden vor allem ein Geschäftsmodell derjenigen, die bereits von den CO2-Emissionen profitiert haben und sich nun als Klimaretter aufspielen, um erneut abzukassieren.

22. August 2017


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