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RESSOURCEN/095: Chance vertan - USA bestehen auf Agrospritziel (SB)


US-Umweltschutzbehörde lehnt Antrag auf Halbierung der stufenweisen Erhöhung des Agrospritanteils ab


Nichts scheint die US-Regierung von ihrer Absicht, den Anteil an Agrosprit bei der Treibstoffproduktion in den nächsten Jahren weiter zu erhöhen, abbringen zu können. Anfang August hat die US-Umweltschutzbehörde EPA (Environment Proctection Agency) einen Antrag des Bundesstaats Texas auf Reduzierung der geplanten Agrospritquote abgelehnt [1]. Damit wurde eine Chance vertan, eine Entwicklung zu stoppen, die zur Verarmung zahlloser Menschen und Verelendung der Lebensverhältnisse innerhalb und außerhalb der USA beiträgt.

Rund ein Drittel der Maisernte der Vereinigten Staaten wurde in diesem Jahr zu Ethanol verarbeitet, das dem Treibstoff beigemischt wurde. Der Agrospritboom vor allem in den USA, aber auch in der Europäischen Union, trug nach Ansicht der Weltbank bis zu 75 Prozent zum Anstieg der weltweiten Lebensmittelpreise seit dem Jahr 2002 bei. Nach Einschätzung von UN-Organisationen wurden durch diese Entwicklung mindestens 100 Mio. Menschen zusätzlich zu den bislang vermutlich 854 Mio. Erdenbewohnern dem Hunger ausgesetzt.

Abgesehen von der Verarmungsfolge aufgrund der Entscheidungen in der US-Regierung (und in der EU) verschlechtert der Agrospritboom die Lebensverhältnisse insbesondere der ärmeren Menschen. Denn die Verbrennung von Ethanol aus Mais in Fahrzeugen ist umweltschädlicher als die Verbrennung von fossilen Treibstoffen. Zum einen erhöht sich der Wasserverbrauch, zum anderen die Menge an Kohlendioxidemissionen. Vereinfacht gesagt: Die Verfeuerung von Mais über den Umweg der Ethanolproduktion heizt den Klimawandel an. Die Folgen des Klimawandels bekommen jedoch an erster Stelle die ärmeren Länder und innerhalb dieser - ebenso wie innerhalb der wohlhabenden Staaten - die einkommensschwächeren Menschen zu spüren. Deshalb treibt der Agrospritboom nicht nur die Verarmung, sondern auch generell die Verelendung der Lebensverhältnisse vieler Menschen, die Überschwemmungen, Dürren, dem steigenden Meeresspiegel, kräftigeren Wirbelstürmen ausgesetzt sind, an.

Als der Bundesstaat Texas am 25. April 2008 die EPA aufforderte, die Agrospritquote zu halbieren, da in Folge dieser Politik der Maispreis in den letzten drei Jahren um 300 Prozent gestiegen war, ging es ihm nicht um die Verarmung der Hunderte von Millionen Menschen auf der Welt, die von durchschnittlich einem Dollar pro Tag lebten und aufgrund der höheren Lebensmittelpreise gezwungen wurden, aufs Essen zu verzichten oder Lehm zu essen (Haiti), sondern um die wirtschaftlichen Verluste der Rinderzüchter.

In Texas werden enormen Mengen Rinder produziert. Die erhalten Mais zu fressen, und die hohen Futterkosten gehen den Ranchern ins Geld. Die Fleischerzeuger geben den Preisanstieg an die Verbraucher weiter, was sich in einer vergleichsweise hohen Inflationsrate von 6,8 Prozent in der ersten Jahreshälfte 2008 niedergeschlagen hat. Hauptantrieb dieser Entwicklung ist somit die Ethanolgewinnung aus Mais.

Nach dem im Dezember 2007 vom US-Kongreß abgesegneten Renewable Fuel Standard (RFS - Erneuerbarer Treibstoff-Standard) müssen die Raffinerien in diesem Jahr 9 Mrd. Gallonen (34 Mrd. Liter) Agrosprit in die nationale Treibstoffversorgung einspeisen. Der Wert soll im nächsten Jahr auf 11,1 Mrd. Gallonen (42 Mrd. Liter) und in den folgenden Jahren laufend weiter erhöht werden, bis er im Jahr 2022 bei 36 Mrd. Gallonen (136 Mrd. Liter) angekommen ist. Die Umweltschutzbehörde besitzt die rechtliche Handhabe, die Einführung einer Agrospritquote zu verzögern, falls ansonsten der Wirtschaft oder der Umwelt eines Bundesstaates, einer Region oder der Vereinigten Staaten "schwerer Schaden" zugefügt würde. Das sah EPA-Administrator Stephen L. Johnson als nicht gegeben an. Am 7. August 2008 erteilte er dem Antrag aus Texas eine Absage.

Auch wenn mit diesem Beschluß eine Chance vertan wurde, dem Hunger und Armut fördernden Agrospritboom einen Riegel vorzuschieben, kann die Verantwortung letztlich nicht allein der EPA zugelastet werden, der rechtlich die Hände gebunden sind. Die Regierung von US-Präsident George W. Bush insgesamt hatte mit der Erhöhung des Agrospritanteils eine strategische Entscheidung getroffen. Es ging dabei nicht zuletzt um die Aufrechterhaltung der militärischen Schlagkraft, denn Treibstoff ist selbstverständlich auch für das US-Verteidigungsministerium ein Kostenfaktor, der bei allen Operationen bedacht werden muß. Immerhin verbraucht das US-Militär daheim und in Übersee eine tägliche Treibstoffmenge, die der Schwedens entspricht.

Die von immer mehr Experten angekündigte rapide Verknappung von Erdöl als Folge des weltweiten Überschreitens der maximalen Förderung (peak oil) in den nächsten Jahren wird von Strategen als Gefahr auch für den Militärapparat der USA angesehen. Mit der umfangreichen Subventionierung der Agrospritherstellung (Ethanol und Biodiesel) durch die USA wird die vor einigen Jahren von Umweltschützern aufgebrachte Idee der Treibstoffautarkie mittels Agrosprit endgültig zu Grabe getragen. Verkürzt könnte man sagen, daß 100 Mio. Menschen weltweit nicht zuletzt deshalb in Armut geworfen wurden, damit die USA ihre Kriege führen und ihren globalhegemonialen Herrschaftsanspruch durchsetzen können.


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Anmerkungen:

[1] http://www.epa.gov/otaq/renewablefuels/420f08029.htm

15. August 2008