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RESSOURCEN/189: Suchtstoff Erdöl ... erneuter Brand auf Ölplattform im Golf von Mexiko (SB)


Das Spiel mit dem Feuer ist kein Spiel

Um die globale Erwärmung abzubremsen, müßten fossile Energieträger wie Erdöl fortan im Boden bleiben


Im Golf von Mexiko, vor der Küste Louisianas, hat am Donnerstag eine Ölplattform mehrere Stunden lang gebrannt, bevor das Feuer gelöscht werden konnte. Vier Arbeiter mußten sich durch einen Sprung von der Plattform ins Meer retten; sie wurden von einem Rettungsschiff aufgenommen und sind unversehrt. [1]

Der Vorfall erinnert an den Brand der Ölförderplattform Deepwater Horizon am 20. April 2010 und ihren Untergang zwei Tage darauf. Damals waren elf Arbeiter ums Leben gekommen, und mehrere Monate lang sprudelten große Mengen Rohöl ins Meer, ebenfalls vor der Küste Louisianas. Ganze Küstenabschnitte wurden ölverseucht, viele tausend Tiere sind verendet, Menschen erkrankten aufgrund der Ausdünstungen. Die Verantwortlichen kauften nahezu die gesamten Weltvorräte an chemischen Ölbekämpfungsmitteln auf und warfen den Chemiecocktail ins Meer. Dadurch lösten sie eine zusätzliche Extrembelastung der marinen Umwelt aus. Aber der zweifelhafte Erfolg blieb nicht aus: Die Chemikalien haben das Erdöl in kleine Stücke zerlegt, so daß es zumindest nicht in dem Ausmaß, wie es ohne die "Bekämpfung" zu erwarten gewesen wäre, sichtbar als geschlossener Ölteppich an der Wasseroberfläche zu erkennen war. Es hatte sich über Myriaden kleine Öltröpfchen verteilt, die im Meer schwammen oder sich irgendwann am Grund sammelten. [2]

Der aktuelle Brand auf einer Plattform im Golf von Mexiko ist bei weitem nicht der erste Vorfall dieser Art nach der schweren Ölkatastrophe vor fast sieben Jahren. Die gefährliche Offshore-Erdölförderung wurde nicht etwa gedrosselt, sondern wird absehbar in immer tiefere, unzugänglichere Gebiete ausgedehnt. Wie ein Süchtiger nach seiner Droge dürstet die Menschheit nach Erdöl, obschon sie aufgrund der Expertise von vermutlich mehr als 95 Prozent aller Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehr genau weiß, daß mindestens 80 Prozent der weltweiten fossilen Energieträger, zu denen neben Kohle und Erdgas auch das Erdöl zählt, im Boden bleiben müssen, um die globale Klimakatastrophe einigermaßen in Grenzen halten zu können. Sie dürfen nicht gefördert werden, weil das quasi gleichbedeutend damit wäre, sie zu verbrennen, und dadurch würden Treibhausgase emittiert, welche das Weltklima weiter anheizen. Eigentlich ist das Limit, bis zu dem fossile Energieträger gefördert werden dürfen, schon erreicht.

Würde ein Asteroid auf die Erde zufliegen, der mit hoher Wahrscheinlichkeit in wenigen Jahren einschlagen und den Lebensraum vieler Menschen weitgehend zerstören wird, sollte man dann nicht alle Hebel in Bewegung setzen und versuchen, die absehbare Bedrohung rechtzeitig zu beseitigen oder zumindest Schutzmaßnahmen zu ergreifen, damit so viele Menschenleben wie irgend möglich gerettet werden? Unsinn, sagen sich die meisten Regierungen: Die Beseitigung der Gefahr würde die Anstrengungen der gesamten Menschheit erfordern, das Wachstum bremsen und die gesellschaftlichen Verhältnisse vollkommen auf den Kopf stellen. Die Folgen einer solchen Umstellung wären unkalkulierbar. Also läßt man den Asteroiden einschlagen, hofft offenbar, selber mit heiler Haut davonzukommen und in dem sich abzeichnenden gesellschaftlichen Chaos in Folge des Einschlags seine privilegierte Position bewahren zu können.

Der Asteroidentreffer ist selbstverständlich eine Analogie auf den Klimawandel. Man könnte sagen, daß die ersten Absprengsel, die dem Asteroiden vorauseilen, längst eingeschlagen sind. So wurde das ehrgeizigste Wunschziel des Klimaabkommens von Paris, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen, im Februar vergangenen Jahres bereits erreicht. Das berichtete Copernicus, das Erdbeobachtungsprogramm der EU-Kommission. [3]

Zwar ging der Wert im Laufe des Jahres wieder zurück, weil erstens mit der jährlichen Wachstumsperiode der Vegetation auf der Nordhalbkugel ein Teil des Kohlenstoffdioxids der Atmosphäre entzogen wird und zweitens das Klimaphänomen El Niño die hohen Temperaturen des vergangenen Jahres begünstigt hatte, aber der Trend der globalen Erwärmung besagt eindeutig: fossile Energieträger müssen im Boden bleiben.

Daß die Erdölförderländer weiter auf hohem Niveau das "schwarze Gold" auf den globalen Markt werfen und allenfalls ein Preisverfall, aber nicht der Klimawandel zu einer Produktionsminderung Anlaß gibt, ist bezeichnend für ein Wirtschaftssystem, das davon lebt, daß einige wenige Akteure enorme Profite einstreichen, während andere den Schaden davontragen.

Die selbst in Kreisen der unermüdlichen Mahner und Warner wie Prof. Ottmar Edenhofer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung verbreitete Vorstellung, man könne im Laufe dieses Jahrhunderts mit negativen Emissionen, das heißt mit der gezielten Herausnahme von CO2 aus der Atmosphäre (und beispielsweise der anschließenden Verpressung des Treibhausgases in ausgeschöpften Erdgasfeldern im Meeresboden), das 1,5-Grad-Klimaschutzziel oder zumindest die etwas weniger ehrgeizige Variante des 2-Grad-Ziels doch noch erreichen, dürfte sich als trügerische Hoffnung erweisen. Denn wenn der Asteroid einschlägt, schlägt er ein, was wiederum bezogen aufs Klima bedeutet: Wenn bestimmte Schwellenwerte bzw. Kipp-Punkte überschritten werden, verändert sich das Klima unvermeidlich, auch wenn später einmal der Atmosphäre CO2 entzogen wird.


Fußnoten:

[1] http://www.commondreams.org/news/2017/01/05/we-never-learn-oil-platform-caught-fire-gulf-mexico

[2] Näheres dazu in einer dreiteiligen Schattenblick-Serie, abgelegt unter NATURWISSENSCHAFTEN → CHEMIE → UMWELTLABOR, ab Indexnummer 267:
http://schattenblick.de/infopool/natur/chemie/chula267.html

[3] https://climate.copernicus.eu/news-and-media/press-room/press-releases/earth-edge-record-breaking-2016-was-close-15%C2%B0c-warming

6. Januar 2017


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