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RESSOURCEN/192: Es tropft, quillt, fließt und strömt - Leckagen in der US-Frackingindustrie (SB)


America First - America's Thirst

Alle 14 Stunden eine meldepflichtige Umweltverseuchung aufgrund des Dursts nach fossilen Energieträgern


Die Bundesrepublik Deutschland will die Förderung von Erdöl und Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten mittels der Methode des Hydraulic Fracking unter bestimmten Bedingungen zulassen. Damit wird eine unvermeidbare Kontamination der Umwelt mit fossilen Energieträgern, schwermetallhaltigem Lagerstättenwasser und beim Fracking eingesetzten Chemikalien sehenden Auges in Kauf genommen. "Sehenden Auges" deshalb, weil aus dem Fracking-Land Nummer eins, den Vereinigten Staaten von Amerika, regelmäßig über Leckagen in der Fracking-Infrastruktur berichtet wird.

Die US-Forscherin Lauren Patterson vom Duke University's Nicholas Institute for Environmental Policy Solutions und ihre Kollegen wollten es genauer wissen und haben eine Studie durchgeführt. Diese umfaßt noch nicht die gesamten USA, sondern nur vier Bundesstaaten, doch führen die Zahlen deutlich vor Augen, daß die Kontamination systemisch ist. Entgegen seiner eigenen Einschätzung und der interessengelenkten Behauptung der Erdölwirtschaft hat der Mensch die Technologie nicht im Griff.

Der Untersuchung zufolge kam es im Zeitraum zwischen 2005 und 2014 bei den 31.481 untersuchten Fracking-Installationen in den vier Bundesstaaten North Dakota, Pennsylvania, Colorado und New Mexico zu 6.648 Leckagen mit dem Austritt von Erdöl, Erdgas, chemikalien-belastetem Wasser, Fracking-Flüssigkeiten und anderen Substanzen. Das sind pro Tag fast zwei Leckagen, Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr. [1]

Noch nicht eingerechnet wurden die Leckagen aus der konventionellen Ölförderung, die beispielsweise 2010 eine Megakatastrophe mit dem Untergang der Förderplattform Deepwater Horizon und dem monatelangen Austritt gewaltiger Rohölmengen in den Golf von Mexiko ausgelöst hat, und auch nicht die Leckagen aus anderen Frackinggebieten der USA wie Kalifornien, Texas und Oklahoma. Des weiteren flossen in die Studie nur meldepflichtige Leckagen ein. Dies wird jedoch von Bundesstaat zu Bundesstaat anders gehandhabt. In North Dakota muß eine Leckage gemeldet werden, wenn rund 158 Liter (42 Gallonen) ausgetreten sind. In Colorado und New Mexico hingegen müssen erst Leckagen ab 794 Liter (210 Gallonen) gemeldet werden.

Die Bundesumweltschutzbehörde EPA, die inzwischen von Scott Pruitt geleitet wird, der jahrelang gegen die Bestimmungen der Behörde prozessiert hat, unter anderem um die Bedingungen, unter denen Fracking betrieben werden darf, zu lockern, und inzwischen mit größtem Vergnügen daran arbeiten dürfte, die USA in die frühindustrielle Umweltschutzgesetzgebung zu steuern - sie war nahezu bedeutungslos -, war in einer eigenen Studie zu einer vergleichsweise sehr viel geringeren Zahl von Leckagen gekommen. Laut der EPA haben sich zwischen 2006 und 2012 in acht US-Bundesstaaten 457 Leckagen ereignet. Die krasse Diskrepanz zu den Ergebnissen der obigen Studie kommt daher zustande, daß die EPA nur den eigentlichen Frackingvorgang, nicht aber den gesamten Zyklus der Frackingproduktion berücksichtigt hat, was eigentlich naheliegend gewesen wäre.

Es könnte sein, daß sich die EPA in Zukunft überhaupt nicht mehr für die Wasser, Boden, Luft und Menschen mit giftigen Chemikalien traktierende Frackingindustrie interessiert. Denn der neue US-Präsident Donald Trump ist ein Statthalter der fossilen Energiewirtschaft, und wenn er von "America First" spricht, dann gehört dazu, der heimischen fossilen Energiewirtschaft einen Freifahrtschein auszustellen. Es gibt in den USA bereits mehr als vier Millionen Kilometer Erdölpipelines, doch Trump genügt das nicht. Er will, daß Keystone XL und North Dakota Access Pipeline zu Ende gebaut werden.

Das Öl soll fließen und die Dollars mit ihm. Die Umweltverseuchungen finden nicht dort statt, wo die milliardenschweren Profiteure der Energiewirtschaft und ihre Lobbyisten in der Politik ihre Domizile aufgeschlagen haben, sondern beispielsweise da, wohin das Volk der Sioux verbannt wurde, in das Standing Rock Reservat. An dessen Nordgrenze wird zur Zeit eine hoch umstrittene Erdölpipeline gebaut, die die Trinkwasserversorgung der Reservatbewohner potentiell gefährdet. Das interessiert jedoch Trump und seine Regierungsmannschaft aus hochrangigen Militärs, Wall-Street-Glücksspielern und anderen Vertretern des weißen US-Establishments nicht. Sie sind gemeint, wenn der US-Präsident von "America First" spricht, nicht die Indigenen. Die Bundesrepublik Deutschland arbeitet derzeit daran, daß die Europäische Union Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) und den USA (TTIP) abschließt, die es unter anderem der nordamerikanischen Frackingindustrie ermöglichen werden, im Rahmen der hiesigen Bestimmungen Fracking zu betreiben.


Fußnote:

[1] http://www.oilgasdaily.com/reports/Study_finds_6600_spills_from_fracking_in_just_four_states_999.html

22. Februar 2017


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