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RESSOURCEN/232: Meeresboden - ein fauler Kompromiß ... (SB)



Vor zwei Jahren haben die Cookinseln ihre gesamte Ausschließliche Wirtschaftszone zu einem der größten Meeresschutzgebiete der Welt erklärt. Das war von Jacqueline Evans initiiert worden, die dafür vor wenigen Tagen mit dem renommierten Goldman Environmental Prize ausgezeichnet wurde. Zugleich wirbt das aus 15 Inseln bestehende Land inmitten des Pazifiks um Investoren für den Meeresbodenbergbau, der ebenfalls in seiner Ausschließlichen Wirtschaftszone stattfinden soll. Da der Abbau von Manganknollen, die hier reichlich vorkommen, ein eklatanter Widerspruch zum Meeresschutz ist, sollen die Bergbauaktivitäten nur in ausgewiesenen Blöcken stattfinden und nicht eher beginnen, als bis die notwendigen Umweltauflagen erfüllt sind und die lokale Bevölkerung zugestimmt hat.

Die Umweltfolgen des Meeresbodenbergbaus werden zwar gegenwärtig noch intensiv erforscht, aber schon jetzt ist klar, daß beispielsweise das Einsammeln oder Einsaugen von Manganknollen vom Meeresboden teils Jahrzehnte anhaltende Störungen in den marinen Ökosystemen verursachen kann. Das hat unter anderem das Projekt DISCOL (1988-93) gezeigt, im Rahmen dessen im Südostpazifik Manganknollen vom Tiefseeboden eingesammelt wurden. Abgesehen von der direkten Vernichtung von Lebensformen, haben sich einige Arten erst nach sieben Jahren "erholt", andere gar nicht. Daß damals Eingriffe in das marine Ökosystem vorgenommen wurden, ist bis heute an der Zusammensetzung der Biodiversität abzulesen.

Zudem sind die Manganknollen ihrerseits beispielsweise von Schwämmen besiedelt. Ein Abbau wäre somit auf jeden Fall ein zerstörerischer Eingriff, und es stellte sich dann die Frage, die stets die gleiche ist: Zu welchem Preis stimmen ein Staat oder eine Bevölkerung solch einem destruktiven Vorhaben zu?

Fünf Jahre lang hatten sich Jacqueline Evans und andere für die Einrichtung eines Meeresschutzgebiets engagiert. Schließlich, am 13. Juli 2017, stimmte das Parlament der Cookinseln dem Vorschlag zu. Das Marae Moana genannte Meeresschutzgebiet umfaßt eine Fläche von rund 1,9 Mio. Quadratkilometern. Hier darf durchaus weiter Fischfang und Meeresbodenbergbau betrieben werden, sofern dabei Nachhaltigkeitskriterien eingehalten werden. Darüber hinaus wird jedoch um jede der 15 Inseln der Cookinseln herum eine Zone im Abstand von jeweils 50 Seemeilen gezogen, in der weder industrieller Fischfang noch Bergbau betrieben werden darf.

Das Meeresschutzgebiet umfaßt flache Atolle, eine Vulkaninsel, eine Sandinsel und höhere Kalksteininseln. In den Gewässern leben über 130 Korallen- und mehr als 600 Fischarten. Auch Wale, Delphine, Haie und Meeresschildkröten finden sich hier.

Die Fläche, auf der "erntereife" Manganknollen in einer Menge von mehr als 5 Kilogramm pro Quadratmeter vorkommen, beträgt 750.000 Quadratkilometer. Die Manganknollen, die in einer Wassertiefe von 3500 bis 5000 Meter vorkommen und deren abbauwürdiges Gesamtvolumen auf über zehn Mio. Tonnen geschätzt wird, haben einen vergleichsweise hohen Anteil von Kobalt, berichtete der Leiter der National Minerals Seabed Authority (NMSA), Paul Lynch, 2013 bei einem Workshop in Kiel. Bei seinem Vortrag betonte Lynch die Bedeutung eines Regelwerks, damit der Meeresbodenbergbau auch unter Einhaltung von Umweltkriterien betrieben werden kann. [2]

Falls das jemals gelingt, stellt sich die Frage, welche Kompromisse dabei gemacht wurden. Abgesehen von den Studien, die zur Zeit eine Reihe von Staaten im sogenannten Manganknollengürtel des äquatorialen Ostpazifiks zwischen Hawaii und Mexiko, in der sogenannten Clarion-Clipperton-Zone durchführen, kann man sagen, daß die verheerenden Zerstörungen am Meeresboden durch die Ernte von Manganknollen denen der Schleppnetzfischerei ähneln. Dabei wird die Oberfläche des Meeresbodens abrasiert, und es entstehen Sedimentfahnen, die aufgrund der Strömungen teils viele Kilometer davongetragen werden und dabei weitere marine Ökosysteme schädigen.

Kobalt ist ein wichtiger Rohstoff für die Elektromobilität und Digitalisierung. Auch andere Elemente wie Titan, Nickel und Yttrium sind begehrt. Weil die Cookinseln neben Tourismus kaum über nennenswerte Wirtschaftszweige verfügen, über die Devisen ins Land kommen, besteht ein erheblicher Reiz, man könnte auch von Druck sprechen, sich die "Naturschätze" am Tiefseeboden verfügbar zu machen. Die Entscheidung der Cookinseln, ihre Ausschließliche Wirtschaftszone zum Meeresschutzgebiet zu erklären, tat niemandem weh.


Fußnoten:

[1] https://www.goldmanprize.org/blog/introducing-the-2019-goldman-environmental-prize-winners/

[2] http://schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umrb0050.html

6. Mai 2019


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