Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → REDAKTION


RESSOURCEN/240: Erdöl - schlimmer als vermutet ... (SB)



Für den technologischen "Fortschritt", der mit dem Aufkommen der industriellen Erdölförderung ermöglicht wurde, muß ein sehr hoher Preis entrichtet werden: Durch das Verbrennen von Erdöl verändert sich das Erdklima; Ozeane, Strände, landwirtschaftliche Flächen und die gesamte Nahrungskette sind mit Plastikpartikeln kontaminiert; Förderung und Transport von Erdöl verseuchen die Umwelt. Jetzt wird berichtet, daß das Ausmaß der bislang größten Erdölkatastrophe der USA, die Havarie der Förderplattform Deepwater Horizon im Jahr 2010 in der Karibik, um ein Drittel größer ausgefallen ist, als bislang aufgrund von Satellitenaufnahmen vermutet worden war.

Auch wenn die Ölverseuchung nicht mehr zu erkennen ist, bleibt sie weiterhin vorhanden und toxisch, heißt es in einer aktuellen Studie unter Leitung der University of Miami (UM) Rosenstiel School of Marine and Atmospheric Science. Die Erkenntnisse haben auch Bedeutung für die Einschätzung zukünftiger Ölverseuchungen auf Umwelt und Gesundheit, schreiben die Forscherinnen und Forscher am 12. Februar 2020 im Journal "Science Advances". [1]

Am 20. April 2010 war die Bohrplattform Deepwater Horizon explodiert, wobei elf Personen ums Leben kamen. Zwei Tage darauf sank die Konstruktion. Die Verbindungen zum Macondo genannten Bohrloch waren abgerissen, 87 Tage lang trat Rohöl aus dem Meeresboden aus. Offiziellen Zahlen zufolge flossen 210 Millionen Gallonen (ca. 795 Mio. Liter) ins Meer. Der Ölteppich dehnte sich auf einer Fläche von 149.000 km² aus. Kontaminiert wurden Küstenabschnitte von Texas, Louisiana, West- und sogar Ostflorida.

Die Betreiberfirma BP bemühte sich emsig darum, das Ausmaß der Kontamination kleiner erscheinen zu lassen, als es war, und kippte Unmengen von Dispersionsmitteln wie Corexit auf die Ölteppiche. Das hatte den Zweck, das Öl in kleine Teile zu zerlegen und zum Absinken zu bringen, ganz nach dem Motto: Aus den Augen aus dem Sinn. Corexit allerdings ist ebenfalls giftig, und Zerkleinerung von Erdöl bedeutet noch lange nicht dessen Beseitigung. [2]

Auf diesen Kontext sind der Forschungsleiter Igal Berenshtein von der UM Rosenstiel School und sein Team nicht eingegangen. Sie haben jedoch an anderer Stelle genauer hingeschaut. Denn auf Satellitenbildern und Luftaufnahmen war von vornherein nur die oberflächliche Ölverseuchung zu erkennen und darüber hinaus auch nur ab einer bestimmten Konzentration. Deshalb wurden für diese Studie andere Fernerkundungsdaten sowie Wasser- und Sedimentproben hinzugezogen, so daß sich ein ganz anderes Bild als jenes ergibt, das bislang über den Untergang der Deepwater Horizon bekannt war.

Unsere Studie fügt dem, was bisher lediglich als oberflächlicher Ölschlamm betrachtet wurde, eine dritte Dimension hinzu, sagte Claire Paris, Professorin für Ozeanwissenschaften der UM Rosenstiel School, in einer Presseerklärung ihrer Institution. Diese zusätzliche Dimension liefere ein klareres und realistischeres Abbild der Ölkontamination. [3]

Anhand des Ausmaßes des Ölteppichs im Golf von Mexiko haben die Behörden beispielsweise Verbotszonen für die Fischerei eingerichtet. Nimmt man die neue Studie zur Grundlage, so wird die reale Gefahr deutlich, daß jene Zonen viel zu gering dimensioniert waren. Womöglich sind Fische in den Handel gekommen, die noch toxische Substanzen enthielten. Generell wurde die marine Umwelt in einem größeren Ausmaß geschädigt als bekannt.

Zudem hat sich die Öffentlichkeit an den Angaben der Behörden, die wiederum die unzureichenden Satellitenaufnahmen zur Entscheidungsgrundlage verwendeten, orientiert und wäre möglicherweise noch beunruhigter gewesen, wenn sie gewußt hätte, wie riesig die Ölverseuchung tatsächlich war.

Es gibt zahlreiche schlechte Gründe, weswegen in der US-Gesellschaft das Leugnen der menschengemachten globalen Erwärmung vergleichsweise verbreitet ist und sich sogar eine klimadogmatische Regierung wie die des amtierenden Präsidenten Donald Trump halten kann. Einer davon hat mit dem Herunterspielen der Umwelt- und Gesundheitsschäden, auch hinsichtlich der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko, durch die Erdölwirtschaft und ihre Lobbyisten in der Regierung zu tun.


Fußnoten:

[1] https://advances.sciencemag.org/content/advances/6/7/eaaw8863.full.pdf

[2] Siehe dazu die Schattenblickserie zu "unbeantworteten Fragen" der Ölpest im Golf von Mexiko:
http://schattenblick.de/infopool/natur/chemie/chula267.html
http://schattenblick.de/infopool/natur/chemie/chula268.html
http://schattenblick.de/infopool/natur/chemie/chula269.html

[3] https://news.miami.edu/rsmas/stories/2020/02/new-study-shows-deepwater-horizon-oil-spill-larger-than-previously-thought.html

17. Februar 2020


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang