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BERICHT/084: Alte Wunden, neues Blut - Ureinwohnerfront Kanada (SB)


Indigener Widerstand gegen Öl- und Gasleitungen
Vortrag im Rahmen der W.E.B. Du Bois Lectures
im Universitätsgebäude am Hegelplatz, Berlin 24. Juni 2014



Nein heißt nein! - Oder?

"Never let the pipes in", "NO means NO" oder "No to all pipelines" - die Worte mögen verschieden sein, die Aussage, die all jene machen, die überhaupt gefragt werden, ist immer die gleiche: Keine Gas- und keine Öl-Pipelines in Kanada. 130 Indigene Völker und verbündete Aktivistinnen und Aktivisten wehren sich hier - weitgehend unbemerkt vom Rest der Welt - bereits seit Jahren gegen den Bau von Öl- und Gasleitungen, die das wohl schmutzigste Öl aus den Teersanden in Alberta sowie das durch Fracking gewonnene Schiefergas in anderen Teilen Kanadas quer durch das Land transportieren sollen. Letzteres teilweise nur zu dem Zweck, um die unentwegt heißhungrigen Heizkessel für die Wasserdampferzeugung im Flußtal von Athabasca zu füttern, mit deren Dampf die Teersande zur Freigabe ihres begehrten Begleitstoffs gezwungen werden: Bitumen.

Aus dem schwer zu extrahierenden Ölschlamm, der aufwendig aufbereitet werden muß, bezieht inzwischen ganz Kanada sein Öl, dabei gehört es ihm gar nicht. In einem auf der Webseite der Unist'ot'en [1] veröffentlichten Video stellt Freda Huson, Angehörige und Sprecherin des Unist'ot'en-Clans der Wet'suet'en Nation, aus Sicht der indigenen Bevölkerung etwaige Mißverständnisse der restlichen postkolonialistischen Welt mit klaren Worten richtig:

Harper is illegal, Canada is illegal. The Provincial and Federal governments are illegal because they don't have jurisdiction in our peoples territory. We have never signed any treaties, this land is unceded. [2]
[(Premierminister) Harper ist illegal, Kanada ist illegal. Die Landesregierungen und die Bundesregierungen sind illegal, denn sie haben keine rechtliche Verfügung über das Territorium unserer Völker. Wir haben nie Verträge unterschrieben, dieses Land ist nie abgetreten worden. - Übersetzung der SB-Redaktion]
Unprätentiöses Graffiti in roter Handschrift sagt: 'NO PIPELINES' - Foto: mit freundlicher Genehmigung von Kim Croswell (VICFAN)

Ob als spontaner Ausdruck der Empörung an die Wand geschrieben ...
Foto: mit freundlicher Genehmigung von Kim Croswell (VICFAN)

Gleicher Text, dazwischen die Zeichnung des indigenen Künstlers Gord Hill, in der sich eine tückisch blickende, die Enbridge-Pipeline verkörpernde Schlange, aus einer Industrieanlage ins Bild schlängelt. - Grafik: by Gord Hill, mit freundlicher Genehmigung von Kim Croswell (VICFAN)

... oder mit künstlerischer Sorgfalt gestaltet, der Standpunkt der indigenen Bevölkerung ist eindeutig:
Grafik: by Gord Hill, mit freundlicher Genehmigung von Kim Croswell (VICFAN)

Indigene Menschen in traditioneller Kleidung blockieren eine Brücke, um gegen den geplanten Pipelinebau zu protestieren. - Foto: mit freundlicher Genehmigung von Kim Croswell (VICFAN)

Keine Pipelines, nirgends!
Foto: mit freundlicher Genehmigung von Kim Croswell (VICFAN)

Sie hebt damit auf ein Urteil des obersten Gerichtshofs im sogenannten Fall Delgamuukw gegen Britisch Columbia im Dezember 1997 ab, in dem entschieden wurde, daß die Indianer Rechte und Ansprüche an ihrem Land, die sie vertraglich "nie abgetreten haben", eben noch besitzen. [3] Jeder, der seinerseits über Teile des fraglichen Territoriums verfügen möchte, so die Sprecherin weiter, müsse um die Zustimmung des Clans ersuchen. Das habe man seitens der Energiekonzerne bereits versucht, und die Häuptlinge hätten jedes Mal "nein" gesagt.

Und "nein" hieße "nein". Falls nun Entwicklungsingenieure versuchen würden, ihre Projekte durchzuführen, wären sie für die Stammesangehörigen "unbefugte Eindringlinge" und würden nach den Stammesgesetzen der Wet'suwet'en auch so behandelt. Das heißt beispielsweise, die mitgebrachte oder dort stationierte Ausrüstung gehört den indigenen Landbesitzern. Sehr selbstbewußt erklären die beiden Abgeordneten ihres Stammes, daß sie keine Angst vor Entscheidungen der Regierung haben, daß sie ihre Rechte kennen und auch in Anspruch nehmen würden, denn schließlich sei das von ihrem Stamm erklärte "Nein" zu allen Pipelines und zum Raubbau der fossilen Bodenschätze und Ressourcen auf ihrem Territorium nach dieser Rechtssprechung bindend.

Aus einem Naturreservoir mit üppigem Tannenwald wurde eine Mondlandschaft mit Giftseen und Schwefelbergen - Foto: 2008 von Howl Arts Collective (Flickr: tar sands, Alberta) [CC-BY-2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons

Narbe im Antlitz der Erde
Elf Millionen Liter des giftigen Abwassers sickern täglich ins Grundwasser des einstigen Wasserreservoirs.
Foto: 2008 von Howl Arts Collective (Flickr: tar sands, Alberta) [CC-BY-2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons


NEIN zu Umweltzerstörung und Ausbeutung der Erde

Angesichts der Zerstörung, die der sich in die Landschaft fressende Tagebau der Athabasca-Ölsande Albertas, einer Provinz in Kanada, bereits jetzt schon hinter sich läßt, ist der lokale Widerstand gegen eine Pipeline nur zu verständlich, die - wie die Umwelt- und Indigenen-Aktivistin Kimberly Croswell in ihrem Vortrag zu dieser Problematik am 24. Juni 2014 im Universitätsgebäude am Hegelplatz in Berlin hielt, erklärte - den Energieunternehmen so viel Profit versprechen, daß eine weitere Expansion der Abbaufelder unausweichlich die logische Folge sein wird.

Der Preis dafür, das heißt, die mittelbaren wie unmittelbaren Konsequenzen für die Umwelt, sollten all jenen, die sich mit der Förderung fossiler Energieträger im allgemeinen oder Fracking im besonderen beschäftigt haben, hinlänglich bekannt sein.

Die Luft über Alberta ist seit etwa 1967 mit Ölgeruch geschwängert. Damals hatten Geologen auf einer Fläche doppelt so groß wie Bayern den Schatz entdeckt: Mehr als 170 Milliarden Barrel abbaubares Öl soll es hier geben (ein Barrel = 159 Liter). Größere Ölreserven sind weltweit nur in Saudi-Arabien bekannt. Ein Abbau lohnte sich jedoch noch nicht. Erst seit der Jahrtausendwende hat man mit Hilfe technologischen Neuerungen mit der kostspieligen Förderung begonnen. Denn der steigende Ölpreis und die weltweit knapper werdenden Reserven weckten die Begehrlichkeiten der Energiekonzerne, deren Earth-Scrapers (gewaltige Planierraupen) sich inzwischen bis 100 Meter Tiefe in den Mutterboden fressen, der ursprünglich dem Wald als Nahrung diente.

Das Gewinnen der zehn Prozent an ölhaltigem Bitumen aus Teersanden, (der Rest sind 83 Prozent Sand, vier Prozent Wasser, drei Prozent Ton) ist ein nicht nur vom Wortlaut her ganz besonders "schmutziges Geschäft" und stellt für die Arbeiter wie auch die Bevölkerung ein beträchtliches Gesundheitsrisiko dar. Neben Schwindel, Übelkeit und anderen Befindlichkeitsstörungen enthalten die flüchtigen Bestandteile des Öls, also das, was man als Ölgeruch wahrnimmt, auch krebserregende Stoffe wie Benzole und polycyclische Verbindungen. Die Luftbelastung ist nahezu unvermeidlich, denn der natürliches Schweröl, Bitumen und flüchtige organische Substanzen enthaltene Teer oder Ölsand wird im offenen Tagebau abgebaut. Ähnlich wie beim Braunkohleabbau tragen, nachdem der Wald gerodet wurde, zunächst gewaltige Bagger den Waldboden ab, um dann ab etwa 30 Metern Tiefe die Ölsandschicht auszuheben.

Der Mensch vor dem gewaltigen Laster, der auf den Ölsandfeldern Alberts operiert, ragt in voller Montur mit Helm nur knapp über die Felge des Fahrzeugreifens. - Foto: mit freundlicher Genehmigung von Kim Croswell (VICFAN)

Alles andere als ressourceneffizient: Die größten Laster der Welt schlucken eineinhalb Barrel Diesel (eineinhalb deutsche Normbadewannen) pro Stunde!
Foto: mit freundlicher Genehmigung von Kim Croswell (VICFAN)

Unter extrem hohem Wasser- und Energieverbrauch (um einen Liter Bitumen aus dem Sand zu waschen, braucht man fünf Liter Wasser), werden die zähen, fossilen Rückstände, die unter anderem auch giftige Schwermetalle wie Quecksilber und Arsen enthalten, so verflüssigt, daß sie sich aus dem Quarzsand- und dem feinporigen, "alles festhaltenden" Tongemisch vertreiben lassen. Danach versieht man das gewonnene Bitumen laut Kim Croswell mit weiteren Chemikalienzusätzen, die den so "diluted", also verdünnten Bitumen oder kurz "Dilbit" in fließfähiger Form halten sollen. Dieses Zeug sei wohl das schmutzigste und giftigste Öl in der Welt, meinte die Referentin und vertritt damit nicht nur die Meinung der Indigenen. Bildlich stehen dafür die Hinterlassenschaften der Aufarbeitung, die ebenfalls offen lagern. Die sogenannten Tailings "ponds" also Berge- oder Klär"teiche", in denen der mit Schwermetallen und krebserregenden Kohlenwasserstoffen verseuchte Abraumschlick gelagert wird, nehmen mit 130 Quadratkilometern inzwischen eine derart gewaltige Seenfläche ein, die halb so groß wie Frankfurt am Main ist. Da von Teichen zu sprechen, ist Untertreibung. Das kanadische "Pembina Institute", das sich mit Energie- und Umweltfragen beschäftigt, schätzt, daß elf Millionen Liter des giftigen Abwassers täglich ins Grundwasser und die umliegenden Flüsse sickern.

Noch übertroffen wird die wohl einzigartige, aber offensichtliche geomorphologische Umgestaltung eines fruchtbaren Nadelwalds in eine trostlose Mondlandschaft mit Giftseen und Schwefelbergen durch das, was andernorts etwa 5000 Meter unterirdisch geschieht, sich dadurch jeder weiteren Kontrolle entzieht, aber perfiderweise genau die fossilen Energieträger liefert, die für die Erzeugung von Wasserdampf im Athabasca Gebiet benötigt werden und für dessen beschleunigte Beförderung ebenfalls schon Pipelines quer durch British Columbia und Alberta, von den Midnorthern Fields zu den Teersanden, gezogen wurden oder in Planung sind: verflüssigtes Schiefergaskonzentrat aus der nichtkonventionellen Förderung, für Insider und Gegner kurz: Frack-Gas.

Fracking ist ein relativ neu konzipiertes Verfahren, das den Förderern ermöglicht, erst vertikal und dann horizontal in vielen Strängen gleichzeitig und parallel zu bohren, und nach Einsatz einer Perforationskanone mit einer enormen Menge an Wasser sowie Chemikalien und starkem Druck in großer Erdtiefe eine Kettenreaktion auszulösen, welche das Gestein aufbricht, so daß aus den erzeugten Rissen und Wegbarkeiten von bis zu hundert Metern Länge das in Porenräumen des Gesteins eingeschlossene Gas oder Öl freigesetzt werden können. Die durchaus beabsichtigte seismische Instabilität der geologischen Formation innerhalb dieses Prozesses kann in Folge zu unkontrollierbaren und unbeherrschbaren Erdbeben im Umkreis führen, neben anderen vieldiskutierten Umweltschäden in diesem Zusammenhang: Verschmutzung von Grund- oder Trinkwasser, Eintrag von Luftschadstoffen in die Atmosphäre, Zerstörung der Landschaft, Abfackeln von überschüssigen Gasen u.v.m. [4,5] Im Vergleich zum offenen Tagebau werden durch Fracking laut Kim Croswell 250 Prozent mehr Treibhausgas und 356 Prozent mehr Stickoxide und Schwefeldioxid produziert, Umweltschadstoffe, die bereits früher wegen ihres Einflusses auf den pH-Wert des Niederschlags (sauren Regen) diskutiert wurden, jedoch seit vorgeschriebener Entschwefelungs- und Filteranlagen als bewältigtes Problem gelten.

Die Luftaufnahme zeigt, wie die expandierenden Raffinerien landschaftlichen Raum einnehmen. - Foto: von The Interior [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) oder GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html)], via Wikimedia Commons

Auch die Aufbereitung, das sogenannte 'Upgrading', frißt Landschaft
Syncrude's Mildred Lake Anlage in den Athabasca Oil Sands, Alberta, Canada
Foto: von The Interior [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) oder GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html)], via Wikimedia Commons


NEIN zu Pipelines

Kim Croswell, die sich als Mitglied der Umweltorganisation Wildcoast.ca (VICFAN - Vancouver Island Community Forest Action Network) [6] gemeinsam mit anderen Organisationen (z.B. "Idle no more") für die Rechte der indigenen Bevölkerung einsetzt, wehrt sich mit ihrer Organisation auch gegen eine weitere Umweltgefährdung durch den Bau und die Nutzung von riesigen Öl- und Gasleitungen, in denen "Frack-Gas" und "Dilbit" durch die unberührte Natur bis zur ökologisch empfindlichen Pazifikküste befördert werden sollen, von wo aus sie in die ganze Welt verschifft werden. Sie fürchtet, daß der dadurch vergrößerte Profit der Energieunternehmen durch den ökonomischen Transport auch ihre weitere Expansion auf den Teersand- und Frack-Feldern befördern würde, was eine zunehmende Verwüstung des einmal unberührten Wild- und Naturparadieses mit schneebedeckten Bergkuppen, leuchtend blauen Seen und dichten Nadelwäldern zur Folge hätte. Doch die Pipelines stellen darüber hinaus auch ein Risiko für Umweltkatastrophen dar, das erst erkannt wird, wenn es für eine Rettung schon zu spät sein wird.

Neun Pipelines sind geplant, drei davon bereits in Arbeit: nach Osten (TransCanada Energy East Pipeline), nach Süden (Keystone XL), nach Westen (Kitimat an der Pazifikküste): Northern Gateway. - Grafik: mit freundlicher Genehmigung Kim Croswell (VICFAN)

Die geplanten Pipelines
Grafik: mit freundlicher Genehmigung Kim Croswell (VICFAN)

Darauf wurde man 2010 aufmerksam, als durch ein Leck in einer Pipeline des Enbridge-Konzerns eine Million Gallonen Dilbit (3,79 Millionen Liter) in den Michigan River ausliefen. Der Vorfall machte Schlagzeilen, weil die Rettungsmannschaften die Ölpest nicht verhindern konnten und Enbridge bis heute noch der Auflage nachkommen muß, den Fluß von den abgesunkenen Teer- und Bitumen bzw. Asphaltklunkern zu reinigen. Solche Vorfälle und unbeherrschbare Giftkontaminationen der Umwelt könnten sich jederzeit wiederholen.

Ein weiteres Umweltrisiko stellt das bei der Verwirklichung der geplanten Mega-Pipelineprojekte zu erwartende, erhöhte Verkehrsaufkommen mit Öl-Supertankern vor der Pazifikküste dar. Hatte schon die Haverie der Exxon Valdez 1989 katastrophale Folgen für die gesamte Südküste von Alaska, könnten die heute bei weitem größeren Supertanker, die etwa durchschnittlich so lang sind, wie das Empire State Building hoch ist, und laut Kim Croswell ein Fassungsvermögen von 2 Millionen Barrel Öl besitzen (die Ladung der Exxon Valdez waren 1,2 Millionen Barrel Öl, 250.000 liefen aus), das Ausmaß der Verseuchung exponentiell steigern. Allein die geplante Enbridges Northern Gateway Pipeline soll 450 Supertanker im Jahr bedienen, das wären mehr als einer pro Tag. Daneben sollen aber auch 250 Tanker allein für den Gastransport durch die seemännisch höchst anspruchsvollen Fahrrinnen zum Hafen von Kitimat schippern. Die Schiffe passieren dabei den Great Bear Rainforest, eine dichte Ansammlung von Inseln und Fjorden. [7]

Karte überträgt (rote Markierung) das seinerzeit durch die von Exxon Valdez verursachte Umwelt-Katastrophe betroffene Gebiet auf Britisch Columbia. - Grafik: mit freundlicher Genehmigung von Kim Croswell (VICFAN)

'Ölkatastrophen sind keine Theorie, sondern unausweichliche Realität' (Kim Croswell)
Grafik: mit freundlicher Genehmigung von Kim Croswell (VICFAN)


Illegal? - Scheißegal!

Laut Kim Croswell habe Enbridge eine PR-Kampagne begonnen, bei der Vertreter des Konzerns durch die vom Pipelinebau betroffenen Gebiete fuhren, um die Menschen vor Ort um ihre Meinung zu fragen. Nur zwei hätten sich positiv für die Pipeline ausgesprochen, alle anderen hätten "Nein" zu dem Projekt gesagt. Indigene Menschen seien bei den Befragungen allerdings gar nicht berücksichtigt worden.

Trotz des geschlossenen Vetos der Befragten wie der Unbefragten setzen sich hier wie in vielen anderen Teilen der Welt diejenigen Industrievertreter, die ausreichende Mittel dafür besitzen, in unheiliger Allianz und Interessenbündelung mit der jeweiligen Exekutive des Landes über die Wünsche, Bedürfnisse, aber selbst über festgeschriebene, bestehende Rechte hinweg, wenn es um nicht erneuerbare, also budgetierte Bodenschätze geht. Das Gesicht der Erde ist von vielen solcher Narben entstellt. Einige davon finden sich auch in Deutschland. [8]

Doch die Förderung der Bodenschätze und der Bau von Pipelines hier wären zudem ein deutliches Abbild des in diesem Teil der Welt immer noch vorherrschenden Kolonialisierungsbestrebens. Und genau das müsse ihrer Meinung nach bekämpft werden.


"Kolonialisierungsbestrebungen im Hier und Jetzt sind die Maschine, die die sozialen, politischen und ökonomischen Entwicklungen im Nationalstaat Kanada antreibt." Kimberly Dawn Croswell

So hat die derzeitige kanadische Regierung am 17. Juni 2014 dem Bau der umstrittenen Pipeline zur Pazifikküste zugestimmt, um die Ölexporte nach Asien zu steigern. Die Northern-Gateway-Pipeline soll zukünftig täglich mehr als eine halbe Million Barrel Öl von den Ölsandfeldern der Provinz Alberta zu der Hafenstadt Kitimat transportieren. Von dort wird das Öl nach Asien befördert. Die Pipeline wird 1177 Kilometer lang, etwa 80 Millionen Liter (525 000 Barrel) pro Tag sollen sie jeden Tag durchfließen. Dazu besteht sie aus zwei Leitungen, neben dem Öltransport zum Pazifik soll Frack-Gas-Fluid in die entgegengesetzte Richtung fließen. Doch wer gibt dem Staat die rechtliche Handhabe, Unternehmen diese Landnahme zu erlauben?

Ein Beispiel dafür, daß der kanadische Staat selbst nicht davor zurückschreckt, Rechte, die er gar nicht hat, mit Staatsgewalt durchzusetzen, gab Kim Croswell in der Diskussion nach ihrem Vortrag. Am 3. Juni 2014 hätten 16 Vancouver Polizisten mit vorgehaltenen Waffen eine Razzia in einer Wohngemeinschaft indigener und anarchistischer Anti-Pipeline Aktivisten durchgeführt. Man hatte die Aktivisten mit einer Anti-Pipeline-Graffiti in Verbindung gebracht. Während der Aktion wurden Computer, Handys sowie Siebdruck-Zubehör beschlagnahmt. Alle fünf Hausbewohner, darunter der indigene Künstler, Autor und Aktivist Gord Hill, seien festgenommen, aber nur einer von ihnen sei verhört worden. Niemand wurde inhaftiert, vermutlich aber nur deshalb, weil der Verhörte sich zu einer DNA-Proben-Entnahme bereit erklärt hatte.

Die konservative Regierung betont zwar, daß die Aufsichtsbehörde dem Pipeline-Betreiber Enbridge 209 Bedingungen gestellt habe. Endbridge war damit einverstanden. Zu diesem Katalog gehören auch umfassende Konsultationen der indigenen Gemeinschaften in British Columbia und regulatorischen Zulassungen und Genehmigungen von Bundes- und Landesregierungen. Die Antwort haben die indigenen Stämme längst gegeben: "Nein"! Danach dürfte es weder Erdöl- und Gasförderung noch die begleitende Infrastruktur in Kanada geben ...

Umweltaktivistin Kimberly Dawn Croswell im Vortrag - Foto: © 2014 by Schattenblick

'Ölkatastrophen, Risse in Pipelines und Teergeruch repräsentieren die Fortsetzung der Kolonialisierung in der Gegenwart.' (Kim Croswell)
Foto: © 2014 by Schattenblick


Anmerkungen:

[1] Videos, die den indigenen Widerstand gegen die geplanten Pipelines dokumentieren
http://unistotencamp.com/
http://www.submedia.tv/action-camp/
http://www.submedia.tv/oil-gateway/

[2] Die Erklärung im Wortlaut finden Sie hier:
http://unistotencamp.com/?p=950#more-950

[3] Im Zuge und als Schlußpunkt eines Rechtsstreites fiel im Dezember 1997 die so genannte "Delgamuukw-Entscheidung": Darin anerkennt der Oberste Gerichtshof von Kanada ausdrücklich die ursprünglichen Landrechte der Indianer. "Aboriginal Title", so der englische Terminus Technicus dafür, wird durch die Delgamuukw-Entscheidung nicht erst geschaffen, vielmehr anerkennt er, daß schon vor Ankunft der Europäer das Land unter den indigenen Gruppen rechtsgültig verteilt und abgegrenzt war. Außerdem bedeutet der Entscheid, daß die Indianer Rechte und Ansprüche (an Land), die sie vertraglich nie abgetreten haben, eben noch besitzen.
Mehr:
http://www.arbeitskreis-indianer.at/Deutsch/projekte/Delgamuukw.pdf

[4] zeigt eine Karte der Fracking-Hotspots in Kanada
http://www.alternativesjournal.ca/energy-and-resources/fracking-hotspots

[5] siehe auch die umfangreiche Schattenblick-Berichterstattung zum Thema:

NATURWISSENSCHAFTEN → CHEMIE
MELDUNG/007: Frackingschäden - eine Zwischenbilanz (SB) UMWELTLABOR/275: Unbarmherzig, unbedacht - Fragen an das Fracking (SB)
UMWELTLABOR/276: Unbarmherzig, unbedacht - Folgen unausbleiblich (SB)
UMWELTLABOR/277: Unbarmherzig, unbedacht - Werbe- und PR-Chemie (SB)
UMWELTLABOR/278: Unbarmherzig, unbedacht - Frack as frack can (SB)
UMWELTLABOR/279: Kalifornien - Ressourcenfraß im Schutz der Lücken (SB)

UMWELT → REDAKTION
RESSOURCEN/141: Strahlengefahr durch Fracking? (SB)
RESSOURCEN/142: Folgen des Frackings unerforscht - Beispiel durchlässige Bohrwände (SB)
RESSOURCEN/143: Hoher Wasserverbrauch bei Förderung von Schiefergas (SB)
RESSOURCEN/145: USA - Neue Bestimmungen zum Fracking vorgeschlagen (SB)
RESSOURCEN/146: EU-Administration setzt umstrittenes Fracking auf ihre Agenda (SB)
RESSOURCEN/149: Fracking beschwört Strahlengefahr aus der Tiefe herauf (SB)
RESSOURCEN/150: Bürger von Balcombe wehren sich gegen das Fracking (SB)
RESSOURCEN/151: Fracking unverzichtbar? Britischer Premierminister konstruiert Sachzwänge (SB)
RESSOURCEN/153: Fracking - Radionuklide im Natur-Idyll Pennsylvanias (SB)
RESSOURCEN/154: Blubbernde Brunnen - Explosionsgefahr durch Fracking (SB)
RESSOURCEN/155: Konzertierte EU-Offensive für Fracking (SB)
RESSOURCEN/157: Sachzwanglogik - Fracking in der EU aufgrund Krim-Krise? (SB)
RESSOURCEN/158: Fracking und die explosive Zunahme von Erdbeben in Oklahoma (SB)

UMWELT → REPORT
BERICHT/069: Fracking nein danke - Zu viele Fragen ... (SB)
INTERVIEW/079: Fracking nein danke - Ökoökonomischer Widersinn, Uwe Thiele im Gespräch (SB)

[6] Die Aktivisten-Organisation von Kim Croswell, VICFAN finden Sie hier:
http://forestaction.wikidot.com/caravan

[7] Auf der folgenden Webseite ist die Karte, die Enbridge zum geplanten Projekt mit dem Kommentar veröffentlicht: "Wenn Sie eine Ölkatastrophe verhindern wollen, zeichnen Sie Ihre eigene Karte:
http://blog.nwf.org/2012/08/need-to-avoid-oil-spill-danger-draw-your-own-fake-map/enbridgemaplies/
Dargestellt sind die Wasserstraße nach Kitimat, als eine der heimtückischsten Schiffsrouten der Welt, vor- und nach der Retusche durch Enbridges Marketing Abteilung.

[8] Berichte und Interviews über den Fortschritt des Braunkohletagebaus finden Sie unter den kategorischen Titeln "Bagger fressen Erde auf" und "Kohle, Gifte, Emissionen" ebenfalls im Schattenblick unter: Umwelt → Report


Ein Interview mit Kim Croswell zum Thema siehe:
Umwelt → Report → Interview:
INTERVIEW/123: Alte Wunden, neues Blut - Vergeßt die Verträge ... Kim Croswell im Gespräch (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0123.html

2. Juli 2014