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INTERVIEW/010: Bagger fressen Erde auf - Widerstand braucht langen Atem (SB)


Gespräch mit René Schuster am 28. Oktober 2011 in Cottbus


In der Lausitz baut der Konzern Vattenfall den fossilen Energieträger Braunkohle ab, um damit seine Kraftwerke zu versorgen. Da Kohlekraftwerke große Mengen an Treibhausgasen emittieren, sind die ökologischen Folgen katastrophal. Zugleich wird die gesamte Region durch den Tagebau verwüstet, der gewachsene Landschaften zerstört, nährstoffarme Kippen aufwirft und saure Seen zurückläßt. Zahlreiche Ortschaften müssen den vordringenden Baggern weichen, landwirtschaftliche Existenzgrundlagen werden vernichtet, die Bewohner zwangsumgesiedelt. Das Bundesland Brandenburg fördert die sogenannte Brückentechnologie Braunkohle, um elektrischen Strom zu exportieren. Gegen diesen Schulterschluß von Politik und Konzerninteressen formiert sich wachsender Widerstand der Menschen in dieser Region, die sich nicht länger vertreiben und ihrer Erwerbsmöglichkeiten berauben lassen wollen.

Vattenfall, das bereits Tagebau bei Welzow betreibt, hat 2007 einen Antrag auf Erschließung des Teilfelds II gestellt. Derzeit läuft ein sogenanntes Planverfahren als erste Vorstufe weiteren Landraubs, dem 810 Einwohner aus der Ortschaft Proschim, dem Welzower Wohnbezirk V und dem Bahnsdorfer Ortsteil Lindenfeld weichen müßten. Sollte das Vorhaben realisiert werden, wäre die Stadt Welzow von drei Seiten vom Braunkohletagebau umschlossen, und das Dorf Lieske läge nur noch auf einer bahndammartigen Landbrücke zwischen der Seenkette aus dem Alttagebau auf der einen Seite und dem neuen Aufriß der Landschaft auf der anderen.

René Schuster, am Tisch sitzend - Foto: © 2011 by Schattenblick

René Schuster
Foto: © 2011 by Schattenblick

Dipl.-Ing. René Schuster leitet den Facharbeitskreis Braunkohle der GRÜNEN LIGA Brandenburg und ist Mitglied des Braunkohlenausschusses. Er ist seit Jahren im Umweltschutz engagiert und gilt als einer der führenden Experten in Fragen des Braunkohletagebaus und dessen Zerstörung ökologischer und sozialer Strukturen. Im Rahmen einer Reportage über die Proschimer Bürgerinitiative gegen den geplanten Braunkohletagebau Welzow-Süd II hatte der Schattenblick Gelegenheit, in Cottbus mit René Schuster zu sprechen.


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Schattenblick: Sie sind in der Umweltgruppe Cottbus aktiv. Welchen Standpunkt nimmt Ihre Organisation zum Braunkohletagebau ein?

René Schuster: Wir gehörten zu den ersten Umweltverbänden, die das Thema neuer Tagebau aufgegriffen haben, als es 2007 aktuell wurde. Damals hatte ja die Bildzeitung im März 2007 enthüllt, daß Brandenburg prüft, neuen Tagebau aufzuschließen. Um eine Gegenkampagne ins Leben zu rufen, haben wir uns zunächst darauf konzentriert, die betroffenen Dörfer zu informieren und miteinander zu vernetzen. Wir sind dann mit Vortragsabenden über die Dörfer gezogen. Damals standen ja sehr viele Kohlefelder zur Auswahl, und so haben wir versucht, überall präsent zu sein, was uns auch weitgehend gelungen ist. Inhaltlich ist klar, daß wir diesen neuen Tagebau ablehnen. Wir sehen, daß wir aus der Kohle einen Ausstieg in der Lausitz nicht innerhalb der nächsten fünf komplett aussteigen könnten. Das wäre für die Energieversorgung sehr abrupt und für die davon abhängigen Arbeitsplätze natürlich nicht verträglich. Wir gehen jedoch davon aus, daß man mit der Kohle der bisher genehmigten Felder einen schrittweisen Ausstieg über mehrere Jahrzehnte bestreiten kann, indem man die ältesten Kraftwerksblöcke zuerst abschaltet und dann stufenweise die gesamte Technologie herunterfährt. Auf diese Weise kann man auf jeden Fall in Brandenburg bis zum Jahr 2040 ohne neue Tagebaue Kohle verstromen. Man muß nur jetzt mit dem Ausstieg anfangen.

SB: Nach diesem Konzept bliebe das Kohlekraftwerk Schwarze Pumpe bis 2040 in Betrieb, während zuerst das Kraftwerk Jänschwalde und danach Boxberg abgeschaltet würde?

RS: Die alten 500-Megawattblöcke, die noch zu DDR-Zeiten gebaut wurden, müßten um das Jahr 2020 vom Netz, damit die Kohle noch einige Zeit für die neueren Blöcke reicht. Sechs dieser alten Blöcke stehen in Jänschwalde und zwei in Boxberg. Allerdings steht in Boxberg auch noch ein neuerer Block.

SB: Wieviele Mitglieder hat die Umweltgruppe Cottbus?

RS: Die Gruppe ist als Verein nicht besonders groß, wir haben etwa 25 Mitglieder sowie einige Fördermitglieder. Wir sind keine anonyme Organisation, sondern wachsen langsam. (lacht)

SB: Sie sind der GRÜNEN LIGA angeschlossen. Setzt sich diese nochmals gesondert gegen den Braunkohletagebau ein oder ist sie als Netzwerk selbst gar nicht aktiv?

RS: Doch das ist sie, aber innerhalb der GRÜNEN LIGA haben wir diese Aufgabe übernommen. Ich gehöre dem Bundesvorstand der GRÜNEN LIGA an, doch die Braunkohlearbeit selbst läuft meistens über die Umweltgruppe, das hat sich so eingespielt. Wenn es erforderlich ist, diese Arbeit über den Landes- oder Bundesverband laufen zu lassen, dann funktioniert das auch.

SB: Welche Methoden setzen Sie zur Durchsetzung Ihrer Forderungen ein? Es gibt ja Aktionsformen passiven oder gewaltfreien Widerstands wie er in der Anti-Atombewegung praktiziert wird, wenn sich Demonstranten beispielsweise an Gleise anketten oder den Eingang zu Kraftwerken durch Sitzblockaden versperren. Sind das Aktionsformen, die Sie auch betreiben?

RS: Ich will nicht ausschließen, daß wir so etwas künftig machen, doch bisher ist das nicht unsere Arbeitsweise. Wir haben alle Hände voll mit Recherchen und Informationsarbeit zu tun. Beispielsweise verschicken wir den Kohlerundbrief regelmäßig per E-Mail. Auf diesem Weg verteilen wir die aktuellsten Informationen zum Thema an deutlich über 1.000 Interessenten. Wir betreiben auch die Internetseite Lausitzer-Braunkohle.de und vernetzen zudem die Betroffenen der einzelnen Tagebaue. In der Lausitz verhält es sich oft so, daß über den Tagebau Jänschwalde auf der Lokalseite Guben, über den Tagebau Nochten auf der Lokalseite Weißwasser, was dann schon drüben in Sachsen liegt, getrennt berichtet wird. Diese Orte überhaupt zusammenzuführen ist gar nicht so einfach. Mit Hilfe der Internetseite wollen wir die Möglichkeit bereitstellen, daß sich alle Betroffenen gegenseitig Informationen zukommen lassen können. Wir machen zudem politische Lobbyarbeit, wenn man es einmal so nennen will. So haben wir im vergangenen Jahr unter anderem zahlreiche Hintergrundpapiere zu dem von Vattenfall geplanten CCS-Demonstrationskraftwerk - geplant hatte, kann man fast schon sagen, wenngleich das Projekt noch nicht offiziell begraben ist. Wir haben ein ausführliches Hintergrundpapier erstellt und dazu eine sehr erfolgreiche Pressekonferenz in Potsdam organisiert. Natürlich gibt es auch hier und da die klassische Protestaktion, bei der Bürger mit einem Transparent stehen. Das ist jedoch nicht unser Schwerpunkt, zumal wir meinen, daß die Lausitzer für eine möglichst sachliche Argumentation empfänglicher sind. Solche Protestaktionen müssen natürlich manchmal sein, um ein Bild in der Öffentlichkeit hervorzurufen. Wenn die Welzower Bürger mit ihren Transparenten vor dem Braunkohlenausschuß demonstrieren, dann haben wir meistens als Cottbuser Gruppe die Anmeldung bei den Ordnungsbehörden übernommen, damit alles glatt geht.

SB: Sie sind ja auch Mitglied des Brandenburgischen Braunkohlenausschusses. Worum handelt es sich dabei und aus welchen Personen setzt sich der Ausschuß zusammen?

RS: Der Braunkohlenausschuß ist ein Planungsgremium, der aus den Vertretern von Landkreisen, kreisfreien Städten, aber auch Kammern und Verbänden besteht, also für die Region Lausitz und damit den Teil Brandenburgs zuständig ist, der von der Braunkohlenplanung auf die eine oder andere Weise berührt wird. Dieser Braunkohlenausschuß hatte in den 90er Jahren noch eine wichtige Funktion als Träger der Braunkohlenplanung und damals die inhaltlichen Entscheidungen getroffen. Das hat sich jedoch im Zuge einer Verfassungsklage als nicht verfassungskonform erwiesen und wurde dann durch ein Gerichtsurteil gekippt. Daraufhin wurde das Gesetz neu formuliert, was zur Folge hatte, daß der Braunkohlenausschuß seit 2001 nur noch ein beratendes Gremium ist. Er hat dennoch eine relativ wichtige Funktion, da er zu einer Art politischen Bühne geworden ist, auf der man den Vorteil hat, daß die Behörden und der Bergbaubetrieb zur Auskunft verpflichtet sind und man die richtigen Fragen auch vor der Öffentlichkeit stellen kann. Die Entscheidung in dem Braunkohleplanverfahren liegt indessen seit 2001 bei der Landesregierung, und das Verfahren endet mit einem Kabinettsbeschluß.

SB: Der Braunkohlenausschuß hat also nicht die Kompetenz, den Tagebau zu verhindern. Wenn der Ausschuß sich gegen den Tagebau entscheiden würde, könnte er dann lediglich eine dementsprechende Empfehlung abgeben, aber dieses Votum nicht durchsetzen?

RS: Die Landesregierung muß sich überhaupt nicht an seine Stellungnahme halten.

SB: Sie sind ja ein erklärter Gegner des Braunkohlentagebaus. Wie kam es zu Ihrer Berufung in den Ausschuß? Nach welchem Verfahren werden dessen Mitglieder bestimmt?

RS: Kammern und Verbände können ihre Vertreter delegieren, und so gehören unter anderem zwei Vertreter der Naturschutzverbände dem Braunkohlenausschuß an.

SB: Wie werden diese Vertreter von den jeweiligen Verbänden nominiert?

RS: Die Naturschutzverbände einigen sich auf Landesebene auf zwei Vertreter, und das sind natürlich diejenigen, die sich vor Ort am meisten zu dem Thema engagieren. Es würde keinen Sinn machen, daß jemand aus Potsdam gefahren kommt und ansonsten nicht vor Ort ist. Deswegen sind beide Vertreter auch Lausitzer.

SB: Gibt es neben Ihnen noch weitere Gegner des Braunkohlentagebaus im Ausschuß?

RS: Es gibt einen zweiten Vertreter der Umweltverbände. Wir hatten seit der letzten Kommunalwahl im Jahr 2008, nach der der Braunkohlenausschuß durch die gewählten Kreistage neu besetzt wurde, noch keine Abstimmung, in der es grundsätzlich darum ging, ob wir für oder gegen den Tagebau sind. Deswegen könnte ich jetzt nicht mit Sicherheit sagen, wie eine solche Abstimmung ausgehen würde. Fest steht, daß sich im Vergleich zur Situation vor zehn Jahren die Kräfteverhältnisse ins Tagebaukritische verschoben haben. Damals gab es eine ganz klare Verteilung, so ein grüne Bank von vier bis sechs Stimmen auf der einen und der Rest auf der anderen Seite, diese Zeiten sind vorbei.

SB: Woran mag das liegen?

RS: Es gibt einen Umdenkprozeß in der Lausitz, für den ich drei Gründe anführen kann, ohne damit weitere auszuschließen. Zum ersten war vor zehn Jahren, als wir über Horno und Lacoma diskutiert haben, das Argument, daß die erneuerbaren Energien auch Arbeitsplätze schaffen werden, noch sehr theoretisch. Das war damals wirklich so - kann sein, kann auch nicht sein. Damals war das den Leuten nicht so klar, doch heute kann man die Arbeitsplätze vorzeigen. Inzwischen sichern die Erneuerbaren viel mehr Arbeitsplätze in ganz Deutschland als die Kohlewirtschaft. Das ist der eine Grund. Zudem sind heute von der Diskussion um neue Tagebaue Tausende von Menschen betroffen, die von einer Entscheidung über Horno nicht betroffen waren. Der ganze Raum Guben ist zusätzlich sensibilisiert, der ganze Raum Spremberg. Das wirkt sich natürlich aus. Der dritte Grund ist natürlich die Klimaproblematik, die in der Zwischenzeit massiv an Bedeutung gewonnen hat. Ich kann mich noch gut an die Zeit um 2000/2001 erinnern, als wir über Braunkohlenpläne debattiert und dabei das Thema Klimaschutz angesprochen haben. Damals haben uns die anderen Ausschußmitglieder angeguckt, als kämen wir von einem fremden Planeten. Seither sind nur wenige Jahre vergangen, und inzwischen will Vattenfall selber der beste Klimaschützer von allen sein. Die Landesregierung sowieso, das war plötzlich ganz merkwürdig. Und da Braunkohle der klimaschädlichste Energieträger ist, hat das natürlich in der Diskussion zu wachsender Kritik geführt.

SB: Zumal Vattenfall bald für die CO2-Zertifikate geradestehen muß.

RS: Ja, ab 2013, bis jetzt ist es immer noch Vorgeplänkel.

SB: Muß der Braunkohlenausschuß bei seinen Empfehlungen Einstimmigkeit herbeiführen und gibt es jemanden, der im Zweifelsfall die letzte Entscheidung hat?

RS: Das muß nicht einstimmig sein, eine Stellungnahme kann auch mehrheitlich verabschiedet werden.

SB: Der Energiekonzern Vattenfall wirbt für das Teilfeld II unter anderem mit dem Argument der Sicherung von Arbeitsplätzen. Trifft das Ihrer Meinung nach zu?

RS: Ich kenne bisher nur die pauschale Behauptung, daß ganz viele Arbeitsplätze gesichert werden, doch eine konkrete Zahl gibt es nicht. Wir haben dieses Phänomen, daß bei der Braunkohlenwirtschaft immer mit den Arbeitsplatzzahlen der Gegenwart oder jüngeren Vergangenheit argumentiert wird. Die Prognos-Studie, die Vattenfall in Auftrag gegeben hat, zählte aus, wieviele Beschäftigte es zum 31.12.2004 gab. Dann hat man zu diesen Beschäftigten nochmal auf jeden Beschäftigten 1,3 als indirekt induziert aufgeschlagen, die nicht etwa gezählt, sondern mit einem Rechenmodell ermittelt wurden. Die Zahl, die dabei herauskam, wird jetzt ständig in der Diskussion um neue Tagebaue verwendet. Es gibt noch kein einziges Gutachten, das untersucht hätte, wieviele Arbeitsplätze neue Tagebaue denn eigentlich nach dem Jahr 2020 sichern würden. Ich gehe fest davon aus, daß es deutlich weniger wären.

SB: Nach unserem ersten, subjektiven Eindruck beim Besuch des Teilfelds I in Welzow wird zumindest an der Stelle kein großer Personalaufwand betrieben.

RS: Um die Zahlen nach oben zu rechnen, bedient man sich aller erdenklichen Tricks. Ich nenne zwei Beispiele: Ich bin mir sicher, daß Vattenfall immer auch diejenigen Leute mitzählt, die bereits in der Altersteilzeit sind und nicht mehr arbeiten, aber offiziell noch als Angestellte des Unternehmens gelten. Natürlich fällt die Zahl dann höher aus, aber irgendwann ist deren Altersteilzeit zu Ende. Außerdem hat man die Gipsindustrie mitgezählt. Bei der Rauchgasentschwefelung entsteht Gips, deswegen gibt es neben dem Kraftwerk eine Gipsfabrik. Man sagt einfach, die hängt ja von der Kohleverstromung ab, also zählen wir sie einfach mit. Allerdings hat man es seit Bestehen der Gipsfabrik noch nie geschafft, den ganzen Gips zu verarbeiten, und deshalb ein riesiges Zwischenlager angelegt. Die Gipswirtschaft könnte also nach Schließung eines Kraftwerks noch viele Jahre weiterarbeiten, in denen dieses Zwischenlager erstmal verbraucht würde. So etwas wird jedoch einfach ausgeblendet. Alles, womit man die Zahl der angeblich Beschäftigten nach oben treiben kann, wird angewendet. Ein unabhängiges Gutachten zu dem Thema habe ich noch nicht gesehen.

SB: Gibt es Zahlen, wieviele Arbeitsplätze durch den Tagebau in anderen Sektoren verloren gehen?

RS: Bisher auch nicht, nein.

SB: Muß man nicht auf jeden Fall davon ausgehen, daß zahlreiche vorhandene Arbeitsplätze wegfallen?

RS: Das würde ich so sehen, wir haben aber noch keine eigene Untersuchung dazu gemacht.

SB: Gibt es schon eine wie auch immer gestaltete Position des Braunkohlenausschusses zu dem Teilgebiet II?

RS: Der Braunkohlenausschuß hat sich im Juni dazu positionieren müssen, ob die Auslegung anfangen soll. Dem hat er mehrheitlich zugestimmt. Wir hatten große Bedenken, haben uns aber darauf eingelassen, weil wir der Meinung sind, daß dieser Planentwurf so nicht rechtmäßig ist, weil er die Anforderungen an den Braunkohlenplan gar nicht erfüllt und deswegen formell gar nicht in die Auslegung könnte. Wir haben uns aber dazu bereiterklärt, daß das der Stellungnahme des Braunkohlenausschusses als Anlage beigefügt wurde, weil wir an dieser Stelle nicht die Notwendigkeit einer Kampfabstimmung gesehen haben. Mit dieser beratenden Funktion verhält es sich so, daß die Landesregierung am Ende sowieso anhand des rechtlichen Risikos entscheidet, ob sie diese Auslegung für vertretbar hält oder nicht, und sich im Zweifelsfall auch über ein Votum des Braunkohlenausschusses hinwegsetzt. Deswegen war es uns wichtig, das Argument vorzubringen. Auf eine Kampfabstimmung haben wir dann keinen Wert mehr gelegt.

SB: Welche Argumente sprechen gegen die Rechtmäßigkeit dieses Planentwurfs?

RS: Als erstes, daß angeblich eine strategische Umweltprüfung durchgeführt wurde, bei der man jedoch die wesentlichen Umweltfolgen gar nicht berücksichtigte. So wurde beispielsweise der CO2-Ausstoß aus der Kohle, die da gewonnen werden soll, komplett ausgeblendet. Da er nicht zum Abbau gehört, zählt er auch nicht zu den Umweltfolgen, so die Argumentation. Dabei sollte die strategische Umweltprüfung gerade diese Kurzsichtigkeit ausschließen. Ein zweites Problem ist die geplante Umsiedlung Proschims ohne Angabe des Ortes, wohin die Menschen gehen sollen. Laut dem Brandenburgischen Braunkohlen-Planungsgesetz muß ein Braunkohlenplan auch den Wiederansiedlungsstandort enthalten, und das ist bei diesem Entwurf nicht der Fall. Wenn ich dazu als betroffener Bürger eine Stellungnahme abgeben sollte, wird mir gar nicht klar gesagt, was passieren würde, wenn ich wegkäme.

Das ist in der Lausitz neu, daß sich ein Braunkohlenplan zu diesem Thema ausschweigt. Bisher wurden stets vier, fünf, sechs Varianten angegeben, von denen man bis zum verbindlichen Beschluß eine aussuchte. Das wurde im aktuellen Fall einfach unterlassen, weil man nicht zugeben will, daß die Stadt Welzow einen massiven Einwohnerverlust erleiden wird. Statt dessen tut man so, als würden alle Betroffenen innerhalb der Stadt umziehen. Würde man jetzt schon ehrlich über den Umsiedlungsstandort Proschims reden, müßte man zugeben, daß Welzow massive Probleme bekommt, und das will man nicht.

SB: Die Proschimer Ortsvorsteherin, Frau Rösch, hatte uns empfohlen, Sie danach zu fragen, ob im Braunkohleausschuß auch Leute von Vattenfall sitzen und mitreden. Trifft das zu?

RS: Inzwischen nicht mehr, das war in den 90er Jahren durchaus der Fall. Inzwischen werden Bergbaurentner, sage ich mal, von den Kreistagen gerne in den Braunkohlenausschuß delegiert. Die sind zu dem Zeitpunkt nicht mehr abhängig von Vattenfall, aber das ändert ja in ihrem Denken nichts. Es hat in den 90er Jahren solche Fälle gegeben, daß Leute trotz Beschäftigung bei einem Bergbaubetrieb, Kraftwerksbetreiber oder Tochterfirmen im Ausschuß abgestimmt haben. Ich wüßte beim jetzigen Ausschuß niemanden, auf den das zutrifft.

SB: Kann dieser Ausschuß aus Ihrer Perspektive überhaupt eine unabhängige Funktion haben?

RS: Bisher war das nach meiner Erfahrung nicht der Fall, was nicht ausschließt, daß es grundsätzlich so sein könnte. Sollte sich das Umdenken in der Lausitz so weiterentwickeln und die Kreistage nicht mehr reflexartig ihren größten Braunkohlebefürworter entsenden, sondern kritisch darüber nachdenken, dann könnte so ein Ausschuß durchaus unabhängig sein. Aber bisher wurde auch bei der Wahl des Vorstandes, der den Ausschuß nach außen und nach innen vertritt, penibel darauf geachtet, daß darin Freunde des Bergbaus den Ton angeben.

SB: Wie äußert sich das? Können Sie die fehlende Unabhängigkeit des Ausschusses belegen?

RS: Ich denke, der Braunkohlenausschuß ist so viel Diskussion in der Öffentlichkeit gar nicht wert, der entscheidet ja nun wirklich nichts. Wir müssen vielmehr über die Landesregierung und ihr Verhalten diskutieren. Wir könnten auch über den Unterausschuß des Kreistages reden, der hat genauso viel Einfluß wie der Braunkohlenausschuß, der auch nur irgendeine Empfehlung abgibt.

SB: Wie verlaufen denn die Fronten zwischen Gegnern und Befürwortern in der Landesregierung?

RS: Das ist bisher noch nicht so klar zu erkennen. Ich denke, die lassen das noch eine Weile auf sich zukommen, weil das Planverfahren eine Phase darstellt, in der die Landesregierung noch nicht am Kabinettstisch drüber abstimmen mußte. Tendenziell ist die Linkspartei relativ tagebaukritisch, sagen wir mal mit Ausnahme des Wirtschaftsministers.

SB: Ist nicht die Umweltministerin Anita Tack gegen den
Braunkohletagebau?

RS: Ich weiß nicht, was sie sagen würde, wenn man sie jetzt fragen würde. Sie ist aber auf jeden Fall kritischer eingestellt als Ralf Christoffers, das konnte man schon wahrnehmen. Bei der SPD wird bislang eine Art Fraktionszwang in der Energiepolitik ausgeübt, und wer in dieser Partei was werden will, der muß für Braunkohle sein. Aber ich bin mir nicht sicher, wie lange das noch hält. (lacht)

SB: Wie hatten ja schon die CCS-Technologie angesprochen, die vermeintlich vom Tisch ist. Nun hat das Kabinett das Problem an den Vermittlungsausschuß weitergegeben, so daß nicht auszuschließen ist, daß sie am Ende doch noch durchkommt. Wie schätzen Sie das ein?

RS: Sollte es doch noch ein Gesetz geben, wäre dabei nicht wieder alles offen. Man spricht sogar schon hinter vorgehaltener Hand über ein mögliches Verbotsgesetz, weil die Bundesregierung die EU-Richtlinie irgendwie umsetzen, denn sie muß irgendeine Form von Gesetz erlassen. Notfalls eben auch ein Verbotsgesetz, Hauptsache, die EU-Kommission kann sich nicht beschweren. Wenn es aber kein Verbotsgesetz wird, dann bleibt mit Sicherheit die Länderklausel erhalten. Brandenburg hat sich schon öffentlich festgelegt. Sollte die Länderklausel kommen, wird in Brandenburg kein CCS zur Anwendung gebracht. Daher kann jetzt kaum noch etwas passieren, das dazu führt, daß Vattenfall dieses Projekt in Brandenburg doch noch umsetzt.

SB: Brandenburg deswegen nicht, weil sie die einzigen wären. Andernfalls wäre die Landesregierung unter Umständen doch dafür?

RS: Ja, das ist natürlich ihre Art, sich langsam aus der Affäre zu ziehen, nachdem sie sich 2007 noch ständig dafür auf die Schulter geklopft haben, daß es demnächst CCS-Kraftwerke geben wird. Damals hätte niemand gedacht, daß man dazu andere Bundesländer braucht. Eigentlich müßte man die Äußerungen von Ministerpräsident Platzeck und dem damaligen Wirtschaftsminister Junghans so interpretieren, daß sie sich freuen, wenn sie die einzigen sind, weil es doch so fortschrittlich ist. Sie haben jedoch kalte Füße gekriegt, weil sie überhaupt nicht mit dem Widerstand der Bevölkerung gerechnet haben, und jetzt ist die Ausrede, sich zurückzuziehen: Wenn andere nicht wollen, machen wir es auch nicht.

SB: Wie schätzen Sie die Forderung Vattenfalls nach einer Handlungsgrundlage in Gestalt des CCS-Gesetzes ein, auch vor dem Hintergrund der Aussage des Vattenfall-Chefs Öystein Löseth im schwedischen Rundfunk, daß man einzelne Kohlekraftwerke notfalls einmotten werde?

RS: Vattenfall macht solche Entscheidungen meines Erachtens ausschließlich von betriebswirtschaftlichen Größen abhängig. Bei der Frage, ob sie ein neues Kohlekraftwerk auch ohne CCS bauen würden, sind sie an eine umweltpolitische Unternehmensdirektive ihres schwedischen Eigners gebunden, die sie zu einer relativ ökologischen Unternehmensführung verpflichtet. Sie wissen genau, daß dem die Errichtung eines weiteren Kohlekraftwerks eindeutig widersprechen würde. Das hat wirklich eine umweltpolitische Dimension. Ob sie jetzt ein bestehendes Kohlekraftwerk zügiger einmotten als bisher geplant, hängt hingegen eher von betriebswirtschaftlichen Erwägungen ab. Wenn ein Werk durch den Emissionshandel oder durch geringe Auslastung wegen hoher Windstromeinspeisung unter eine bestimmte Rentabilität rutscht und sich schlichtweg nicht mehr genug damit verdienen läßt, dann schalten sie die Kraftwerke schneller ab, als man denken kann.

SB: Dann würde ja Teilfeld II gar nicht mehr benötigt?

RS: Ja klar, das hat Vattenfall nun wirklich offengelassen. Ob sie tatsächlich Kraftwerke einmotten, weiß niemand, da dies auch davon abhängt, wie sich die CO2-Preise ab 2013 entwickeln. Festgelegt haben sie sich darauf, daß sie kein neues Kraftwerk ohne CCS bauen werden. Das ist für uns schon mal eine sehr wichtige Weichenstellung, zu der Erkenntnis müßte die Landesregierung erst noch kommen. Ich hoffe, das tut sie in den nächsten Wochen. Wie lange die bestehenden Kraftwerke betrieben werden, ist eine Detailfrage, die man, wenn man will, für jeden Block einzeln diskutieren könnte. Ich gehe natürlich davon aus, daß wir um 2020 mit den 500-Megawatt-Blöcken rausmüssen aus dem Netz. Es kann aber aus Profitgründen auch passieren, daß Vattenfall damit schon eher anfängt. Das kann ich nicht ausschließen, und das führt natürlich dann erst recht dazu, daß das Teilfeld II nicht gebraucht wird.

SB: Die Stadtverordneten von Welzow haben kürzlich einem sogenannten Akzeptanzpaket des Bergbaukonzerns Vattenfall zugestimmt. Wie stehen Sie zu solchen Maßnahmen?

RS: Das ist eine Frage, die Sie den Stadtverordneten stellen müßten. Ich war bei der besagte Sitzung als Gast anwesend und habe jedenfalls bemerkt, daß Leute aus der Fraktion "Stadtumbau Welzow" schon sehr kritisch nachgerechnet hatten, wieviel hinter diesen angeblichen neun Millionen wirklich steckt: Was davon tatsächlich gebraucht wird, was beim Bürger ankommt und wo Ausgaben versteckt sind, zu denen Vattenfall sowieso schon verpflichtet war. Das kann ich Ihnen leider nicht im Detail auseinandersetzen, deswegen wäre es gut, dort nochmal zu fragen. Da wird von seiten Vattenfalls natürlich ein bißchen gemogelt, damit es nach viel klingt. Aus unserer Sicht als Umweltverband ist ein zentrales Problem bei dieser Vorgehensweise, daß Vattenfall versucht, die Entschädigungen für das bestehende Teilfeld I mit den Verhandlungen über das Teilfeld II zu vermischen nach dem Motto: Wenn ihr uns das Teilfeld II gebt, gibt es vielleicht noch ein bißchen mehr. Das ist eine ganz klare Bestechungs- oder Erpressungsstrategie, die da gefahren wird. Bestimmte Forderungen, die die Bürger im Zusammenhang mit Teilfeld I aufgemacht haben, bringt Vattenfall in Zusammenhang mit Teilfeld II. Das kommt mir irgendwie sehr provinziell vor, wie eine primitive Art von Erpressung, die wohl in einer Großstadt wie Hamburg so nicht funktionieren würde.

SB: Ist das irgendwo nachzulesen?

RS: Das steht im Bürgerantrag. Im Umsiedlungsangebot von Vattenfall heißt es: Über diese Forderung sind wir bereit im Zusammenhang mit Teilfeld II zu reden. Das steht wörtlich drin. Wenn man in der Forderung nachschlägt, sieht man, daß sie sich ausschließlich auf Teilfeld I bezogen hatte. Von daher ist diese Strategie schriftlich belegt, ja.

SB: Sie haben früher schon gegen den Braunkohleabbau in Lacoma gekämpft und tun das jetzt erneut.

RS: Das ist nicht erneut, ich habe einfach nicht aufgehört. Das ist der Unterschied zu vielen anderen, die jetzt ihr Dorf verloren haben, die ziehen sich danach zurück. Lacoma war kein Dorf wie alle anderen, sondern es war eine Zwischennutzung von gemeinnützigen Vereinen, wo viele Leute extra deshalb gekommen sind, weil sie sich dort gegen den Tagebau einsetzen wollten. Deswegen ist es auch nicht so verwunderlich, daß ich danach nicht aufgehört habe. Es hat auch damit zu tun, daß ich mich da schon eingearbeitet hatte.

SB: Sie haben da gelebt?

RS: Ich habe da von 1994 bis 2005 gewohnt. Das Dorf wurde am Ende abgerissen, anderthalb Jahre bevor Vattenfall den Planfeststellungsbeschluß bekommen hat, auch das Teichgebiet zu zerstören. Der Konzern hat seine Position als Grundeigentümer mißbraucht, um die Leute rauszuklagen und die Häuser abzureißen, bevor er überhaupt alle Genehmigungen in der Tasche hatte, dort abzubaggern.

SB: Hat die Vernetzung, von der Sie vorhin gesprochen haben, tatsächlich zur Folge, daß ein Protest nicht mehr an die persönliche Betroffenheit gebunden ist, sondern weiterreicht? Oder ist es so, daß jedes Dorf am Ende des Tages doch für sich alleine kämpft und hofft, daß es die anderen trifft?

RS: Nein, ich denke schon, daß der Protest sich gebündelt hat und nicht nur von den Betroffenen kommt. Das muß man aber insofern differenzieren, daß natürlich der Protest, wenn er energiepolitisch ist, also wenn man vor der politischen Entscheidung steht, auf jeden Fall sehr breit und nicht an die Betroffenheit gebunden ist. Wenn natürlich eine Dorfgemeinschaft in die Enge getrieben und ihr gesagt wird, alle politischen Entscheidungen seien zu ihren Ungunsten gefallen, dann kommt diese Dorfgemeinschaft in den Zwiespalt zu sagen, jetzt müssen wir aber verhandeln. Über die Umsiedlung können die Nicht-Betroffenen nicht wirklich mitverhandeln. Dann entsteht irgendwann dieser Unterschied. Das ist aber nicht in der Phase der politischen Entscheidung der Fall, zumindest ist es nicht berechtigt. Manche Leute denken aus Gewohnheit noch so, weil ihnen ja auch eingeredet wird, daß die Entscheidung längst gefallen sei. Man versucht, diesen Effekt hervorzurufen, bevor die Entscheidung gefallen ist. Aber das funktioniert zur Zeit nicht mehr wirklich, da die Widerstandsbewegung wächst. Das werden wir gleich Montag erleben, wenn sich das Bündnis "Heimat und Zukunft Brandenburg" in der Kirche in Atterwasch gründet. Da sind sehr viele nicht direkt Betroffene beteiligt, und initiiert wurde es vom Bauernbund Brandenburg, ohne daß dieser in den von Umsiedlung bedrohten Dörfern Mitgliedsbetriebe hätte - einfach aus Überzeugung, kann man sagen.

SB: Sie sagen, daß die Dörfer und die Dorfgemeinschaften in die Enge getrieben werden. Wie äußert sich das?

RS: Man hat hier beim Braunkohlewiderstand einen Konflikt, den man beim Atomwiderstand überhaupt nicht kennt. Wenn ich im Wendland wohne und mich gegen ein Atomendlager engagiere, dann kann ich das mein Leben lang tun, egal ob ich viel oder wenig Erfolg damit habe. Ich kann auch mal ein Jahr aussetzen und dann später wieder mitmachen. In einem umsiedlungsbedrohten Dorf geht das nicht. Man kriegt von diesem Thema keinen Abstand, man wird davon nicht in Ruhe gelassen, das ist das eine. Und es betrifft die eigene Lebensplanung, weil man irgendwann sagen muß, wie lange man kämpft und unter welchen Umständen man anfangen würde, über eine Umsiedlung zu verhandeln. Denn ich muß ja irgendwo wohnen, auch wenn ich keinen Erfolg habe mit dem Widerstand. Das ist der Unterschied, deswegen haben es die Betroffenen hier, weil ihre eigene Lebensplanung an der Intensität ihres Widerstands hängt, deutlich schwerer.

Da ist es für eine Dorfgemeinschaft ganz schwer zusammenzubleiben. Die Hornoer haben das vorbildlich gemacht in dem Sinne, daß sie zusammengeblieben sind. Sie sind zum Schluß umgesiedelt, aber immer noch als Gemeinschaft. Das ist eine enorme Leistung gewesen, das wird ganz oft auf der Kippe gewesen sein, daß diese Gemeinschaft zerbricht, denn ein ganzes Dorf voller Leute, 300, 400, das sind unterschiedliche Menschen, die sind unterschiedlich bereit, Risiken einzugehen, unterschiedlich aktiv im Widerstand, und die zusammenzuhalten, ist nicht einfach. Und ein Bergbaubetrieb nutzt natürlich alle Möglichkeiten der psychologischen Kriegsführung, um solche Leute auseinanderzutreiben, sie zu demotivieren.

SB: Hat man in dieser Zerrissenheit überhaupt eine Chance, Widerstand erfolgreich zu Ende zu führen? Wenn man Plan B im Kopf hat, kann man dann Plan A konsequent verfolgen?

RS: Wenn man sich im klaren ist, wann welche Entscheidung fällt, und man gegenseitig vereinbart, bis zu welchem Punkt man auf jeden Fall Widerstand leistet, kann man es schaffen. Man muß als Dorfgemeinschaft wissen, daß es sich bis zum Abschluß des Braunkohlenplanverfahrens um einen politischen Kampf handelt, da noch keinerlei Entscheidung gefallen ist. Der Braunkohlenplan ist ja nur ein erster Schritt, dem eine Reihe weiterer folgt. Wenn man sich einig ist, daß man bis dahin auf jeden Fall Widerstand leistet, dann kann man das gemeinsam schaffen. Und falls man diesen Kampf verliert, muß man sich wieder zusammensetzen und beraten, bis zu welchem Schritt man weiterkämpft oder ob man aufgibt. Wenn man so herangeht, hat man gute Chancen. Denn es ist ja nicht das Ziel des Widerstands, irgendwann vor Gericht gegen seine Enteignung zu klagen. Ziel des Widerstandes ist es, den Braunkohlenplan schon in der Phase der politischen Entscheidung aufzuhalten.

SB: Haben Sie in diesem Widerstandskampf Erfolge verbucht?

RS: Ich würde sagen ja. Natürlich sind die nicht immer aktenkundig. Ich weiß nicht, ob nicht die Landesregierung im Jahr 2007 auch ein Tagebau-Forst-Hauptfeld geplant hätte, wenn wir dort nicht Bürgerinitiativen initiiert und massiven Widerstand geleistet hätten. Das ist natürlich nirgends nachzulesen, daß es auch hätte anders kommen können. Alles, was mit CCS passiert ist in den letzten zwei Jahren, ist eine kolossale Niederlage für die ganze Braunkohlelobby in Brandenburg. Das ist nun wieder aktenkundig, peinlicher geht es kaum. Die haben einfach die Rechnung ohne den Bürger gemacht und sind damit auf die Schnauze gefallen.

SB: Sie haben gesagt, es geht nicht darum, den Kampf vor Gericht zu gewinnen. Was muß denn eigentlich passieren, um diesen politischen Prozeß irgendwann zu stoppen? Das Braunkohlenplanverfahren muß abgelehnt werden, was ja nicht sehr wahrscheinlich ist.

RS: Oh, das würde ich nicht sagen. Wir befinden uns jetzt in einer Phase, in der selbst Vattenfall sagt, wir bauen das Kraftwerk in Jänschwalde nicht mehr. Da muß sich die Landesregierung in den nächsten Wochen und Monaten noch einmal neue Gedanken über ihre Energiestrategie machen. Und sie wird möglicherweise auch zu Erkenntnissen kommen, die sie sich bisher nicht vorstellen konnte. Ich halte da nichts für ausgeschlossen.

SB: René Schuster, wir bedanken uns für dieses ausführliche Gespräch.


Anmerkung:

Wir empfehlen in diesem Zusammenhang die Lektüre unseres Berichts über den geplanten Aufschluß des Teilfelds II
(http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umrb0012.html)
wie auch des Gesprächs mit Mitgliedern der Bürgerinitiative in Proschim
(http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0009.html)

Porträt René Schuster - Foto: © 2011 by Schattenblick

Zu Gast im Eine-Welt-Laden Cottbus
Foto: © 2011 by Schattenblick

15. November 2011