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INTERVIEW/129: Nachdenklich, nachweislich, nachhaltig - Armut spart leichter, Dr. Ashok Khosla im Gespräch (SB)


Unterwegs in Sachen Nachhaltigkeit - Aktuelle Herausforderungen einer besonderen Mission

Symposium zum 75. Geburtstag von Ernst Ulrich von Weizsäcker am 25. Juni 2014 im Auditorium Maximum der Humboldt Universität zu Berlin

Dr. Ashok Khosla über Nachhaltigkeit und traditionelle Toleranz in Indien, Zeichen des Klimawandels, die neue indische Regierung und dazu, warum Inder den beim Thema Ressourceneffizienz häufig kritisierten Reboundeffekt nicht fürchten



Eigentlich wären sie so etwas wie "Zwillinge im Geiste", betonte Dr. Ashok Khosla in seiner Laudatio die Gemeinsamkeiten mit dem gleichaltrigen Ernst Ulrich von Weizsäcker, der, statt im Kreise der Familie, seinen 75. Geburtstag am 25. Juni 2014 mit alten Freunden, Gleichgesinnten, Wegbegleitern und Mitarbeitern in einer gemeinsam vom Wuppertaler Institut und dem VDW (Vereinigung deutscher Wissenschaftler) ausgerichteten, kombinierten Symposium-Geburtstagsfeier beging. [1] Sie seien vom Alter her nur wenige Monate voneinander getrennt, durften beide gute Schulen besuchen, ihre akademische Ausbildung hätten sie beide in einem naturwissenschaftlichen Fach begonnen, beide auch Ausflüge in die Politik unternommen und seien nun gemeinsam auf dem Vorsitz des Internationalen Ressourcenrates beim UN Umweltprogramm (IRP-UNEP) gelandet. Ungesagt blieb, daß sich der Referent, ebenso wie der Jubilar, immer eine eigene, teilweise unbequeme Meinung vorbehalten hat, und auch im bereits fortgeschrittenen Alter kein Blatt vor den Mund nimmt, um sie zurückzuhalten.

Dr. Ashok Khosla, der damit auch die zweite Runde des Symposiums "Unterwegs in Sachen Nachhaltigkeit - Aktuelle Herausforderungen einer besonderen Mission" einlüutete, in der es um die globale Lage, die Wirksamkeit bisheriger internationaler Zielsetzungen und die zukünftigen Chancen ging, ist selbst einer der weltweit führenden Experten auf dem Gebiet der Umwelt und der nachhaltigen Entwicklung. Er war Gründungsdirektor des Büros für Umweltplanung und Koordination der indischen Regierung, der ersten derartigen Behörde in einem Entwicklungsland. Nach einer langen Zeit als Direktor des Umweltschutzprogramms der Vereinten Nationen verließ er die UNEP 1982, um "Development Alternatives" [2] zu gründen, eine nichtstaatliche Organisation mit Sitz in Delhi zur Förderung von wirtschaftlich rentablen, umweltfreundlichen Technologien. Dr. Khosla war Vorstandsmitglied zahlreicher globaler Umweltorganisationen - einschließlich der Weltnaturschutzunion (World Conservation Union, heute IUCN [3]) und des International Institute for Sustainable Development (IISD) [4] - und beriet unter anderem die Weltbank, das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen und die indische Regierung. Darüber hinaus war er von 2007 bis 2012 Präsident des Club of Rome. Für sein Engagement für die Umwelt und gegen soziale Ungerechtigkeit wurde er schon mit vielen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Sasakawa Umweltpreis, der Herzog von Edinburgh Medaille des WWF 2011 und dem diesjährigen Zayed Preis.

Im Anschluß an das Symposium ergab sich für den Schattenblick die Gelegenheit für ein paar Fragen über unterschiedliche Auffassungen der gemeinsamen Mission, wie auch für den Umweltexperten die Möglichkeit, die besondere Situation Indiens sowie eine besondere Anekdote etwas näher zu erläutern.

Dr. Ashok Khosla in traditioneller Kleidung auf dem Podium im Kinosaal der Humboldt Universität Berlin. - Foto: © 2014 by Schattenblick

Eingebaute Ungerechtigkeiten machen die indische Gesellschaft in sozialer Hinsicht alles andere als nachhaltig.
Foto: © 2014 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Gibt es vielleicht eine spezielle, indische Auslegung des Begriffs "Nachhaltigkeit"? Würden Sie sagen, daß man in Indien etwas anderes darunter versteht als beispielsweise in Deutschland?

Dr. Ashok Khosla (AK): Indien blickt auf eine fünftausend Jahre alte zivilisatorische Tradition zurück, in der das Leben in Harmonie mit der Natur immer schon eine große Rolle spielte, in der es möglich ist, den Werten andersdenkender Gemeinschaften mit Achtung zu begegnen und anderes mehr. Natürlich gibt es daneben auch eine diesem völlig entgegengesetzt agierende Tradition, wie sie das Kastensystem verkörpert. Genaugenommen gibt es zwei Seiten: Von allem, was man über Indien sagen kann, gibt es auch immer eine vollkommen entgegengesetzte Version, die ebenso wahr ist.

Das heißt, ich könnte jetzt antworten: 'Ja natürlich legt man in Indien großen Wert auf Nachhaltigkeit'. Doch es gibt auch starke Argumente dafür, daß in der indischen Zivilisation nicht jeder gleich behandelt wird, daß die indische Gesellschaft eine ganze Reihe eingebauter Ungerechtigkeiten aufweist, und das ist in sozialer Hinsicht schon nicht mehr "nachhaltig". Doch zumindest kann man heute sagen, daß die moderne Mittelschicht in Indien inzwischen begriffen hat, daß sich unser Land den zerstörerischen Umgang mit Ressourcen wie auch die vorherrschende Ungleichheit in unserer Gesellschaft nicht weiter erlauben kann. Das heißt allerdings nicht, daß das auch alle Reichen eingesehen haben. Aber einige wenige von ihnen schon, und früher oder später werden sie sich alle darein fügen müssen. Die Armen haben ohnehin nicht viel zu sagen. Also von diesen beiden Seiten ist diesbezüglich keine konkrete Äußerung zu erwarten. Aber die Mittelschicht hat zweifelsfrei eine Schlüsselfunktion und sie ist überwiegend davon überzeugt, daß es ohne Nachhaltigkeit in Zukunft nicht weitergehen kann.

SB: Vor einigen Jahren wurde berichtet, daß der Klimawandel die Dauer und Intensität des Monsuns stark verändern könnte. Die Niederschlagsmengen könnten sich abschwächen und der Monsun könnte insgesamt erst später eintreten als gewohnt. Was könnte das im Zusammenhang mit dem Nachhaltigkeitskonzept bedeuten?

AK: Wenn diese These wirklich stimmt - und das können wir noch nicht genau sagen, denn dafür ist es noch zu früh -, dann könnte man manche Entwicklung dahingehend deuten. Der Monsun scheint sich wirklich zu verändern. Dieses Jahr ist er beispielsweise etwas spät dran, also könnte man sagen, das hat mit dieser Fluktuation zu tun, die man erwartet. Aber vielleicht ist es auch ein Teil des natürlichen Musters, das können wir noch nicht mit Bestimmtheit sagen. Wenn sich die Niederschlagsmenge des Monsuns jedoch wesentlich ändert, dann hat das sofort eine Auswirkung auf die Nahrungsmittelproduktion. Denn wir bekommen dadurch mehr Überschwemmungen und auch größere Dürren. Darüber hinaus werden die Gletscher stärker abschmelzen und das wird einen Einfluß auf die jahreszeitlich wechselnden Wasserströmungen im Meer haben.

Daher würde ich sagen, daß bei einer gravierenden Änderung in den Zirkulationsmustern des Monsuns besonders der Rückgang der Niederschlagsmenge für uns dramatische Folgen haben könnte. Aber natürlich auch, wenn es zu zusätzlichen, starken Regenfällen oder zu Überschwemmungen kommen sollte. Nun wäre es allerdings auch zu einfach, den momentanen Zustand für den besten zu halten und jede Art von Änderung zu fürchten. Eine geringfügige Änderung des Monsunregens könnte die Dinge durchaus auch zum Besseren wenden. Aber alles, was in die eine oder andere Richtung über diese leichten Veränderungen hinaus geht, wird in einer großen Katastrophe enden. Natürlich gibt es auch Gebiete auf der Erde, die wirklich eine ganze Menge mehr Regen gut gebrauchen könnten, beispielsweise in den Wüstengebieten Afrikas, in den vielen, unberührten Regionen, in denen Wasserknappheit herrscht, usw. Es würde also nicht unbedingt jeder unter dem Klimawandel leiden. Allerdings hätten die Inder wirklich den Schwarzen Peter gezogen und wären in einer sehr schlimmen Lage, die fein ausgesteuerte Anpassungmaßnahmen erfordern würde. So müßte sehr viel in Hinsicht neuer, den Verhältnissen angepaßter Agrarpflanzen getan werden, auch die Industrie müßte vertrauensbildende Maßnahmen ergreifen und so weiter und so fort.

Dr. Ashok Khosla - Foto: © 2014 by Schattenblick

Alles, was über leichte Veränderungen hinausgeht, könnte in einer Katastrophe enden.
Foto: © 2014 by Schattenblick

SB: Zwischen deutschen Wissenschaftlern und Wissenschaftlern mit einem englischsprachigen Hintergrund scheint oft eine recht große Kluft zu bestehen. Wie gut ist der wissenschaftliche Austausch zwischen indischen Nachhaltigkeitsexperten und ihren deutschen Kollegen?

AK: Heutzutage hört man an indischen Universitäten kaum etwas von deutschsprachigen Wissenschaftlern, es sei denn, sie hätten ihre Arbeiten in englischer Sprache veröffentlicht. Deutschland und Indien pflegen eine sehr gute und langjährige Beziehung miteinander. So waren es Forstwissenschaftler und Forstexperten aus Deutschland, die unsere jetzige Forstwirtschaft in Indien überhaupt möglich gemacht haben. Der größte Teil unseres kolonialen Erbes ist zwar britisch, aber einige Entwicklungen wie die ökologische, nachhaltige Forstwirtschaft sind wesentlich stärker von den Deutschen geprägt. Daß die deutschen Veröffentlichungen auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit heute kaum gelesen werden, liegt abgesehen von den Sprachschwierigkeiten aber auch daran, daß über Nachhaltigkeit generell nicht besonders viel veröffentlicht wird. Das Thema hat nur einen ganz kleinen Anteil in der wissenschaftlichen Literatur, abgesehen davon, was die Presse und die Medien veröffentlichen. Das ist auch etwas, was sich meiner Ansicht nach ändern muß. Momentan wird das Thema etwas vernachlässigt.

SB: Ist Ihre persönliche Einstellung zu Privatbesitz unter den indischen Wissenschaftlern vorherrschend oder haben sich Ihre Ideen dazu inzwischen in Wissenschaftskreisen etabliert?

AK: Ich glaube, Wissenschaftler, von Sozialwissenschaftlern einmal abgesehen, machen sich über dieses Thema nur wenige Gedanken, es sei denn, es ginge um geistiges Eigentum. Aber darauf zielte Ihre Frage nicht ab, oder? Dessen ungeachtet halte ich die Privatisierung von natürlichen Ressourcen generell für äußerst gefährlich. Wenn man erst beginnt, Ökosystemdienstleistungen in Geld zu berechnen und man u.a. der Bereitstellung von frischem Wasser in der Natur oder dem Wald an sich gewisse materielle Werte zuordnet, kommen sofort die Formalisten angelaufen und meinen, dann müsse das auch privatisiert werden. Denn wenn etwas einen Preis hat, dann wollen es Menschen auch besitzen. Im anderen Fall besteht die Gefahr, daß Gemeingut möglicherweise zerstört wird, weil es kostenlos zur Verfügung steht. Deshalb muß man damit sehr vorsichtig umgehen.

Doch vergessen wir einmal die Wissenschaftler. Es gibt sowohl in der Zivilgesellschaft wie auch unter Akademikern durchaus die vorherrschende Einstellung, daß Privatisierung von Allgemeingut an sich eine sehr gefährliche Angelegenheit ist. Nur die Politiker und Wirtschaftsleute sind überzeugt davon. Sie lieben es geradezu, denn für sie ist es gleichbedeutend mit Geld.

SB: Erwarten Sie von der neuen indischen Regierung unter Premierminister Narendra Modi [5] eine Änderung im Hinblick auf die Klima- und Nachhaltigkeitspolitik?

AK: Nun ja, Premierminister Modi war vorher "Chief Minister" in einem indischen Bundesstaat und dort hatte er sich wegen seines Engagements für den Klimawandel bereits einen Namen gemacht. Ich glaube nicht, daß er weitergehend über Umweltfragen nachdenkt und er macht sich auch sicher keine Sorgen über die Armut oder Fragen der Ungerechtigkeit in diesem Land, obwohl er eigentlich selbst aus recht armen Verhältnissen kommt und man sich wünschen würde, daß er für diese Themen ein offenes Ohr hätte, doch im Moment wissen wir davon nichts. Mir ist allerdings bekannt, daß er sich persönlich für die Nutzung von Sonnenenergie stark gemacht hat und seither als jemand gilt, der sich für die Probleme des Klimawandels einsetzt.

SB: Sie haben einmal gesagt, daß die Trickle-down Theorie [6] in Indien nicht funktionieren würde. Welche Konsequenzen hat das?

AK: Oh, das heißt für mich einfach, daß die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden.

SB: Welche Schlußfolgerungen sollte man aus Ihrer Sicht, vor dem Hintergrund Ihrer Erfahrung, daraus ziehen?

AK: Die Erfahrung, daß diese Theorie nicht funktioniert, sollte in der Gesellschaft dazu führen, daß sämtliche politischen Maßnahmen, alle Aktivitäten und Entwicklungsprogramme in ihrer Zielsetzung daraufhin abgestimmt werden, daß für die Armen ein besseres Leben herauskommt. Aber das tun wir nicht. Die Pläne unserer Regierungen, auch meiner indischen Regierung, einschließlich Modi, gehen vor allem dahin, ausländische Direktinvestitionen ins Land zu holen, den Index des Aktienmarkts anzuheben usw. Und das hat alles nichts mit den Armen zu tun. Was nützen solche Investitionen einer armen Frau auf dem Land? Was merkt sie von FDI [7]? Während also behauptet wird, daß die Förderung von Investitionen in die Reichen sich auch auf die Ärmeren im Land auswirken wird - was einfach nicht wahr ist -, besteht die einzige Wirkung dieser Wirtschaftspolitik darin, daß einige wenige Leute noch reicher werden. Damit hat die Politik ein Problem. Wenn Trickle-down funktionieren würde, könnte man das ja wenigstens noch rechtfertigen. Da es so aber überhaupt nicht funktioniert, fehlt jede Legitimation für diese Politik.

SB: Sie haben Ihre Festansprache zum Geburtstag von Ernst Ulrich von Weizsäcker mit den Worten eingeleitet, nur ein Zwilling könnte den anderen Zwilling verstehen ...

AK: Nein, ich sagte, ein Zwilling kann den anderen weit besser verstehen als jeder andere, denn er hat eine größere Chance zu wissen, was den anderen bewegt.

SB: Bedeutet das auch, daß Sie alle Ansichten von Ernst Ulrich von Weizsäcker teilen, oder gibt es auch unterschiedliche Meinungen?

AK: Viele von ihnen, ich würde sagen, die meisten. Allerdings ist er wesentlich technologischer orientiert, während meine Arbeit mehr auf die Änderung des Verhaltens abzielt und auf die Wahl der Technologie. Also im Hinblick auf die Frage, wie man Technologie verwenden kann, um das Leben von Menschen zu verbessern, ohne die Natur zu zerstören, nutze ich natürlich auch eine ganze Menge Technologie. In meiner Organisation, Development Alternatives, DA, [2] geht es eigentlich andauernd um neue technische Entwicklungen. Doch ich würde sagen, daß Ernst daran glaubt, daß eine Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch möglich ist, das heißt, eine ressourceneffiziente, technologische Steigerung der Produktivität möglich ist, während ich denke, daß hierfür zunächst ein gesellschaftlicher Umdenkungsprozeß stattfinden muß. Nun, das glaubt er auch, aber die Bedeutung, die wir dem zumessen, ist doch sehr unterschiedlich.

SB: Nun hat er uns gestern [1] erzählt, daß seine Überlegungen, die Ressourceneffizienz zu steigern, wie er es in dem Buch "Faktor Fünf" darstellt, bereits in Chinas aufstrebender Wirtschaft verwirklicht würde. Gilt das gleiche auch für Indien?

AK: Es geschieht gewiß nicht von allein. Aber das gehört mit zu den Ideen, die ich mit meiner Organisation vertrete und in Indien voranzutreiben versuche. Wir sind meiner Meinung nach bisher noch erfolgreich genug darin gewesen, die Menschen darin zu bestärken, über diese Möglichkeiten nachzudenken. Einige in unserer Regierung haben das Thema Ressourceneffizienz inzwischen auf ihre Agenda gesetzt, aber noch nicht mit höchster Priorität. Sobald wir den erforderlichen Umdenkungsprozeß in Gang gebracht haben, werden sich diese Ideen sehr leicht umsetzen lassen. Doch momentan befinden wir uns noch auf dem untersten Niveau. Aber wir versuchen, das Interesse dafür zu steigern.

Dr. Ashok Khosla - Foto: © 2014 by Schattenblick

Vor allem anderen muß sich das Denken ändern, erst dann ist ein anderer Umgang mit Ressourcen möglich.
Foto: © 2014 by Schattenblick

SB: Ein weiterer Punkt, über den wir gestern sprachen, war der sogenannte Reboundeffekt, die Ursache des Scheiterns der Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch, mit dem Sie sicher vertraut sind.

AK: Ja, Effizienzsteigerung oder Kostenrückgang sorgt für den gesteigerten Gebrauch ...

SB: In diesem Zusammenhang erzählte uns Prof. Weizsäcker eine Anekdote [1] über einen indischen Bekannten - wobei wie er betonte, nicht Sie damit gemeint zu haben -, der, nachdem er schließlich das Prinzip begriffen hatte, gesagt haben soll: "Well, in India we call it growth." [In Indien nennen wir das Wachstum.]

AK: Ich würde es nicht "Wachstum", sondern "Entwicklung" nennen. Denn das stimmt. Wenn wir pro Person mehr Energie verbrauchen, weil sie preiswerter zu haben ist, dann geschieht das nur, weil die Menschen hierzulande diese Energie einfach auch brauchen. Das ist natürlich etwas anderes, wenn man in Deutschland oder Amerika ohnehin Energie übernutzt. Wenn man ohnehin 10 Tonnen Kohle pro Person verbraucht, also mehr als nötig wäre, dann macht es gar keinen Sinn, diese Menge noch zu steigern. Aber wenn nicht ausreichend Energie zur Verfügung steht, wenn man sich unterhalb der Schwelle bewegt, die ein anständiges Leben ermöglicht, dann braucht man natürlich auch mehr. Deshalb nennen wir das Entwicklung. So habe ich ihm das auch gesagt.

SB: Vielen Dank, Dr. Khosla für das Gespräch.


Anmerkungen:

[1] Unter dem kategorischen Titel "Nachdenklich, nachweislich, nachhaltig" sind unter Infopool → Umwelt → Report bereits ein Bericht über das Symposium und ein Interview mit Ernst Ulrich von Weizsäcker erschienen.

BERICHT/083: Nachdenklich, nachweislich, nachhaltig - Rückschau voran (SB)
Impressionen von einer Geburtstagsparty der anderen Art
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umrb0083.html

INTERVIEW/122: Nachdenklich, nachweislich, nachhaltig - Gekocht und nachgewürzt ... Ernst Ulrich von Weizsäcker im Gespräch (SB)
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umri0122.html

INTERVIEW/124: Nachdenklich, nachweislich, nachhaltig - Satt und Hand vom Ackerland ... Benedikt Härlin im Gespräch (SB)
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umri0124.html

[2] Organisation, die Ashok Khosla ins Leben gerufen hat und für die er heute immer noch an forderster Front tätig ist, DA - Development Alternatives, die seit 30 Jahren ökologische Lösungen entwickelt, die Armen und Randständige in Indien eine Lebensgrundlage bieten sollen (z.B. umweltfreundlich arbeitende Kleinunternehmen).
http://www.devalt.org/dr-Ashok-khosla.aspx

[3] Die IUCN International Union for Conservation of Nature and Natural Resources, übersetzt "internationale Union für die Bewahrung der Natur und natürlicher Ressourcen", ist eine internationale Nichtregierungsorganisation. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, die menschlichen Gesellschaften für den Natur- und Artenschutz zu sensibilisieren und so zu beeinflussen, daß eine nachhaltige und schonende Nutzung der Ressourcen sichergestellt ist.

[4] Das International Institute for Sustainable Development (IISD, auf deutsch etwa: Internationales Institut für nachhaltige Entwicklung) ist ein kanadisches, auf profitfreier Basis arbeitendes Forschungsinstitut, das sich mit dem Problemfeld der nachhaltigen Entwicklung befaßt. Es versucht, Erkenntnisse aus Umwelt- und Entwicklungsforschung zusammenzutragen und beide Felder verbindende, integrierte Konzepte zu entwickeln.

[5] Narendra Damodardas Modi, geb. 17. September 1950 in Vadnagar, Gujarat, ist ein indischer Politiker der Bharatiya Janata Party (BJP) und amtierender Premierminister Indiens. Zuvor war er von 2001 bis 2014 Chief Minister (Regierungschef) des Bundesstaates Gujarat.
Khosla spielt darauf an, daß Modi das dritte von sechs Kindern eines Lebensmittelhändlers sowie Teestandbesitzers war und als Jugendlicher selbst einen Teestand mit seinem Bruder in Ahmedabad betrieb.

http://www.merkur-online.de/aktuelles/politik/narendra-modi-prophezeit-indien-nach-wahlsieg-gute-tage-zr-3560647.html

[6] Trickle-down-Theorie oder angebotsorienterte Wirtschaftspolitik - Trickle-down heißt "sickern". Abwertend wird sie auch die Pferdeäpfel-Theorie bezeichnet. Gemeint ist damit die These, daß das Wirtschaftswachstum und allgemeiner Wohlstand der Reichen nach und nach in die unteren Schichten der Gesellschaft durchsickern würde, (Trickle-down-Effekt). Laut Ashla Khoshla funktioniert das nicht.

[7] FDI - Foreign Direct Investment ist eine Form der Auslandsinvestition. Kapitalexport durch Wirtschaftssubjekte eines Landes in ein anderes Land mit dem Ziel, dort Immobilien zu erwerben, Betriebsstätten oder Tochterunternehmen zu errichten, ausländische Unternehmen zu erwerben oder sich an ihnen mit einem Anteil zu beteiligen, der einen entscheidenden Einfluß auf die Unternehmenspolitik gewährleistet.

7. Juli 2014