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ATOM/041: Stafrecht gegen Bürgersinn - Atomtransportgegner vor Gericht ... (nirgendwo)


nirgendwo - Presseinformation vom 19. August 2015

Hamburg: Atomtransporte im Visier von Aktivist_innen - Protest im Visier der Gerichte


Mehrmals pro Woche fahren Atomtransporte durch Hamburg - per Schiff, LKW und Zug. Im vergangenen Jahr kam es zu zahlreichen Protest- und Blockadeaktionen dagegen, die nun staatlicherseits mit Repression beantwortet werden. Aktivist_innen kündigen für September weitere Proteste an.


Im August 2014 inspizierten Aktivist_innen unangekündigt das Gelände der Firma C.Steinweg, die regelmäßig Uran umschlägt. Das Uranerzkonzentrat aus den Abbauländern wird bei C.Steinweg von Schiffen auf die Schiene verladen, um dann über Bremen, Osnabrück, Münster und Köln nach Frankreich in die Konversion transportiert zu werden. Auf dem Gelände befanden sich 51 Urancontainer, darunter Container mit abgelaufener Zertifizierung, von denen der Senat behauptet hatte, sie seien längst abtransportiert. "Die Inspektion hat gezeigt, wie schlampig hier mit der radioaktiven Fracht umgegangen wird", so eine Beteiligte. Gegen die Aktivist_innen und eine Pressevertreterin wurden Verfahren wegen Hausfriedensbruch eingeleitet, die Prozesse werden voraussichtlich in den nächsten Wochen vor dem Amtsgericht Harburg beginnen. Die Firma C.Steinweg hat Strafantrag gestellt. Eine Unterstützungskampagne wurde gestartet, bei der Menschen aufgefordert werden, Protestschreiben an C.Steinweg zu schicken.

Wenige Tage nach der Inspektion, ebenfalls im August 2014, wurde ein Zug mit Uran direkt am Veddeler Damm im Hafengebiet durch eine Ankettaktion für mehrere Stunden gestoppt. Drei Personen hatten sich vor und hinter dem Zug mit Metallrohren an die Schienen gekettet. Ihnen und ihren Begleitpersonen wird nun Nötigung und Störung öffentlicher Betriebe vorgeworfen, erste Beteiligte erhielten Anklageschriften. "Es scheint als wolle das Gericht gegen uns alle einzeln verhandeln, statt die Verfahren zusammenzulegen", so Hanna, eine der damaligen Unterstützungspersonen. "Wahrscheinlich soll uns dieses Vorgehen einschüchtern, aber wenn das Gericht sich oft und viel mit den Gefahren der Transporte auseinandersetzen will, können sie das bekommen. Wir werden uns jedenfalls offensiv verteidigen."

Im November 2014 kam es erneut zu einer Aktion gegen die Transporte. Eine Sitzblockade und eine Kletteraktion versperrten dem Uranzug, der bei C-Steinweg starten sollte, die Durchfahrt. Gegen die kletternden Aktivist_innen wurden Verfahren wegen Nötigung eingeleitet. "Wenn die Hamburger Justiz meint, uns damit von weiteren Protesten abhalten zu können, so hat sie sich getäuscht", so Cécile, eine der Kletter_innen. "Wir werden uns auch weiterhin gegen die Atomtransporte wehren, denn ohne diese Transporte wäre der Betrieb der AKW unmöglich und genau das ist unser Ziel. Auch deswegen werden wir uns an den für September angekündigten Aktionstagen gegen Urantransporte beteiligen".

Im ersten Verfahren gegen einen der Inspektor_innen des C-Steinweg Geländes ist der erste Prozesstermin für den 30. September angesetzt. Die Aktivist_innen rechnen damit, dass es nun sehr zeitnah auch gegen die übrigen Beschuldigten zu Verhandlungsterminen kommen kann. "Wir bauen auf die Solidarität vieler Atomkraftgegner_innen, um es der staatlichen Repression möglichst schwer zu machen", so einer der Betroffenen. "Nur gemeinsam kann der Repression Paroli geboten werden."


Weitere Informationen zu

- Atomtransporten durch Hamburg:
http://www.atomtransporte-hamburg-stoppen.de/

- den Prozessen und der Soli-Aktion:
http://nirgendwo.info/hamburg/

- den Aktionstagen gegen Urantransporte ab dem 12.9. an Tag X durch Hamburg:
http://www.urantransport.de/aktionstage.html

Terminhinweis: 13.9.: Schienenspaziergang in Wilhelmsburg an der Urantransporte-Gleisstrecke (Start: 15.00 Uhr vor der Umweltbehörde)

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Übersicht: Repression gegen Anti-Atom-Aktive - Von Einstellungen und Anklageschriften

Trotz angeblichen Atomausstiegs fahren zahlreiche Atomtransporte durch die BRD. Dagegen gibt es an unterschiedlichsten Orten seit Jahren Widerstand. Immer wieder landen Menschen deswegen vor Gericht, Verfahren werden eingestellt, Menschen verurteilt oder freigesprochen, Urteile aufgehoben, neue Verfahren eröffnet. Bei der Vielzahl an Verfahren ist es oft schwer, den Überblick zu behalten, daher haben wir im folgenden den aktuellen Stand der diversen uns bekannten Verfahren rund um Widerstand gegen Atomtransporte kurz zusammengefasst.

Lingen

Im niedersächsischen Lingen steht die einzige Brennelementefabrik der BRD. Dort produziert Areva v.a. für den europäischen Markt aus angereichertem Uran Brennstäbe für AKW.

Im Herbst 2012 blockierten rund 10 Aktivist_innen die einzige Zufahrt zur Anlage mit einer Sitzblockade und einer Kletteraktion. Nach knapp drei Jahren wurden die Verfahren jetzt im August 2015 endgültig eingestellt.

Weitere Informationen:
http://nirgendwo.info/lingen/

Im Sommer 2013 blockierten abermals Aktivist_innen die Zufahrt zur Anlage. Die eingeleiteten Bußgeldverfahren wurden eingestellt, es ist jedoch noch immer ein Verfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte offen, da der vor dem Amtsgericht Lingen im Januar ergangene Freispruch in einem Sprungrevisionsverfahren aufgehoben wurde und der Fall daher nun wieder beim Amtsgericht liegt.

Weitere Informationen:
http://nirgendwo.info/lingen/

Gronau

In Gronau im Münsterland betreibt Urenco Deutschlands einzige Urananreicherungsanlage. Dort kommt es immer wieder zu Blockaden der Zufahrten und des Gleisanschlusses.

Im Sommer 2012 stoppten Aktivist_innen mit einer Kletteraktion und einer Ankettaktion einen Zugtransport mit abgereichertem Uran zwischen Gronau und Münster. Sie wurden in erster Instanz verurteilt und jetzt läuft vor dem Landgericht Münster die Berufungsverhandlung. Nächster Termin ist am Freitag, 21.8. (9.00 Uhr).

Weitere Informationen:
http://nirgendwo.info/steinfurt/

Im Januar 2014 kam es wegen einer Blockade einer der Zufahrten zur Urananreicherungsanlage (2013) zu einem Prozess in Gronau. Das Verfahren wurde zwar eingestellt, einem Zuschauer wird jedoch vorgeworfen, im Rahmen der Verhandlung bei einer angeordneten Saalräumung gegen Polizeimaßnahmen Widerstand geleistet zu haben. Er wurde in erster Instanz verurteilt und hat Rechtsmittel eingelegt.

Weitere Informationen:
http://nirgendwo.info/gronau/

Hamburg

Der Hamburger Hafen ist zentraler Umschlagsort für Atomtransporte aller Art. Per Schiff, Zug und LKW werden mehrmals wöchentlich verschiedenste radioaktive Stoffe durch das Stadtgebiet transportiert.

Im August 2014 inspizierten Aktivist_innen unangekündigt das Gelände der Umschlagsfirma C.Steinweg, bei der regelmäßig Uran von Schiffen auf Züge verladen wird. Sie deckten dabei unter anderem Schlampereien und Lügen des Hamburger Senats bzgl. der Transporte auf. Vorgeworfen wird ihnen nun Hausfriedensbruch, ein erster angesetzter Verhandlungstermin im August 2015 fiel wegen Krankheit aus, ein neuer Termin ist angesetzt für den 30. September, weitere stehen noch nicht.

Weitere Informationen:
http://nirgendwo.info/hamburg/

Ebenfalls im August 2014, wenige Tage nach der Inspektion, konnte ein Urantransport seine Weiterfahrt nicht fortsetzen, weil er durch eine Ankettaktion im Hamburger Hafengebiet aufgehalten wurde. Sowohl den drei angeketteten Personen als auch deren Begleitpersonen drohen nun Verfahren wegen Störung öffentlicher Betriebe und Nötigung. Eine Beteiligte erhielt im Juli 2015 eine Anklageschrift, eine weitere im August

Weitere Informationen:
http://nirgendwo.info/hamburg/

Im November 2014 wurde erneut ein Urantransport im Hafengebiet gestoppt. Eine Sitzblockade und eine Kletteraktion hinderten den Zug an der Weiterfahrt. Gegen die kletternden Aktivist_innen wurden Strafverfahren wegen Nötigung eingeleitet, einer erhielt bereits eine Anklageschrift.

Weitere Informationen:
http://nirgendwo.info/hamburg/

Lubmin

Am Standort Lubmin lagert hochradioaktiver Abfall im dortigen "Zwischenlager". Gegen die Transporte dorthin kam es in der Vergangenheit regelmäßig zu Protesten.

2010 musste ein Transport hochradioaktiven Materials (abgebrannte Brennelemente) seine Fahrt für mehrere Stunden unterbrechen, weil sich zwei Personen an einem Betonblock im Gleisbett festgekettet hatten. Sie wurden in der Berufungsinstanz vor dem Landgericht Stralsund zu je 60 Tagessätzen Geldstrafe verurteilt. Sie legten dagegen Revision ein, diese ist noch nicht entschieden.

Weitere Informationen:
http://blockmin.blogsport.eu/

Auch 2011 wurden abgebrannte Brennelemente nach Lubmin transportiert, wieder kam es zu Protesten und einer Ankettaktion. Der für Juni 2015 angesetzte Berufungstermin wurde kurzfristig abgesagt, da das Gericht auf die Entscheidung im Revisionsverfahren um den Betonblockprozess warten möchte.

Weitere Informationen:
http://lubminnixda.blogsport.de/

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Quelle:
nirgendwo
Solidarische Unterstützung für repressionsbetroffene Anti-Atom-Aktive
E-Mail: atomtransporte@nirgendwo.info
Internet: http://nirgendwo.info


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. August 2015

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