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WALD/052: Hambacher Forst - Trotz alledem ... (SB)


Hambacher Forst - 21. März 2013, 17.00 Uhr

Mit jeder Räumung wächst die Solidarität


Baumhaus mit zwei Waldbesetzern - Foto: © 2013 by Hubert Perschke

Auf ein Neues - Waldbesetzung im Hambacher Forst
Foto: © 2013 by Hubert Perschke

Zur Stunde dauern die polizeilichen Maßnahmen zur Beendigung des seit Montag abermals "besetzten" Waldes im Hambacher Forst noch an. Der Hambacher Forst, einst 5.500 Hektar groß, umfaßt derzeit noch rund eintausend Hektar, doch auch dieser Restwald ist in seinem Bestand gefährdet, um nicht zu sagen der Vernichtung preisgegeben, soll doch auch diese Fläche für den Hambacher Braunkohletagebau "genutzt" und damit zerstört werden. Seit vergangenem Jahr regt sich dagegen Widerstand. Der Wald, genauer gesagt ein zur Rodung vorgesehenes Teilstück nahe der Autobahnauffahrt Buir, war am 13. April vergangenen Jahres "besetzt" worden. Der den Braunkohletagebau betreibenden Eigentümer hatte zunächst nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die ihm unliebsamen Aktivistinnen und Aktivisten von der Polizei räumen zu lassen - was sich im Herbst schlagartig änderte und bekanntlich in die längste Räumung mündete, bevor dann im Dezember mit den Rodungsarbeiten begonnen werden konnte, die durch eine Klage des BUND vorerst zum Erliegen gebracht werden konnten.

Unterdessen harrten die Waldbesetzerinnen und -besetzer in den weiteren Wintermonaten auf einem an den Wald angrenzenden, im Besitz eines Kerpener Bürgers befindlichen Wiesengrundstück aus, auf dem sie mehrere Bauwagen, Zelte, einen Küchenbereich und eine Hütte errichteten. Am Montagvormittag machten sie mit einer weiteren Besetzungsaktion inmitten des Hambacher Forstes erneut von sich reden und sorgten für Schlagzeilen in der regionalen Presse.

Da dem Besitzer des Wiesengrundstückes angekündigt worden war, daß ihm, möglicherweise unter Androhung weiterer Zwangsmaßnahmen, eine Ordnungsverfügung auferlegt wird, die ihn dazu zwingen soll, das Wiesencamp räumen zu lassen, mußten dessen Bewohnerinnen und Bewohner mit einer polizeilichen Räumung rechnen, zumal die Behörde, sollte der Eigentümer sich weiterhin weigern, die Räumung ersatzweise selbst veranlassen könnten. Josef Kreutzer, Pressesprecher des Kreises Düren, hat nach Angaben der Aachener Zeitung am Dienstag auf Nachfragen der Zeitung erklärt, daß dem Wiesenbesitzer eine solche Ordnungsverfügung mit einer Frist, innerhalb derer die Räumung zu erfolgen habe, noch bis Ende dieser Woche zugehen werde. [1]

Waldbesetzer beim Errichten eines Baumhauses - Foto: © 2013 by Hubert Perschke

Emsige Aktivitäten hoch oben in den Bäumen
Foto: © 2013 by Hubert Perschke

Mit der am Montag erfolgten zweiten spektakulären Waldbesetzung suchten die Aktivistinnen und Aktivisten die Situation zu ihrem Vorteil zu wenden. Diesmal war es ein Waldstück südlich der Autobahn 4 zwischen Kerpen-Buir und Düren, auf dem rund zehn Umweltschützerinnnen und Umweltschützer alsbald damit begannen, Plattformen in den Bäumen und Holzkonstruktionen am Boden zu errichten. Um bei einer etwaigen - und inzwischen tatsächlich begonnenen - Räumung den polizeilichen Fahrzeugen die Anfahrt nicht zu erleichtern, war das betreffende Gebiet auch danach ausgewählt worden, daß es über Straßen oder breite Wege nicht zu erreichen ist. Durch einen fünfzehnminütigen Fußweg, über Trampelpfade und durchs Unterholz, gelangen Besucher vom Wiesencamp zu der neuen Waldbesetzung.

Der Grundstückseigentümer RWE Power hat im Unterschied zu seinem Vorgehen im vergangenen Jahr dieses Mal sofort klargestellt, daß er die Aktion nicht hinnehmen werde. Laut Aachener Zeitung vom Dienstag erklärte Konzernsprecherin Laura Hoeboer: "Die widerrechtliche Aktion der Umweltaktivisten werden wir nicht dulden." [1] Das Energieunternehmen behielt sich rechtliche Schritte ausdrücklich vor. Da die im Wald errichteten Aufbauten diesmal in den Zuständigkeitsbereich des Kreises Düren fallen, wie der Sprecher der Kreispolizeibehörde Düren, Willi Jörres, gegenüber der Zeitung bestätigte, müsse der Kreis prüfen, "inwieweit jetzt Straftaten vorliegen, und dann über das weitere Vorgehen auch in Absprache mit RWE Power entscheiden." [1]

Waldbesetzer klettert in den Ästen eines Baumes - Foto: © 2013 by Hubert Perschke

Kletteraktivisten müssen geschickt und schwindelfrei sein
Foto: © 2013 by Hubert Perschke

Wie die heutigen Ereignisse unmißverständlich deutlich machen, scheint die Prüfung aus Sicht der Kreisbehörde positiv ausgefallen zu sein. Um welche Straftaten, derentwillen ein polizeiliches Eingreifen am heutigen Donnerstag geboten zu sein schien, es sich konkret handeln könnte, ist derzeit nicht erkennbar. Nach Angaben des Besitzers des Wiesengrundstücks können nach § 2 Abs. 1 der Landesbauordnung Nordrhein-Westfalens auf dem Waldboden errichtete Bauten geräumt werden, so es sich um bauliche Anlagen handelt, die mit dem Erdboden verbunden sind. Die Absprache zwischen dem Kreis Düren und RWE Power, von der Polizeisprecher Jörres schon vor Tagen gesprochen hatte, mündete offenbar in das polizeiliche Vorgehen des heutigen Tages, bei dem nach Angaben des Besetzerblogs [2] von den Beamtinnen und Beamten vor Ort zunächst erklärt worden sei, daß der Polizeieinsatz gar keine Räumung sei, sondern daß lediglich RWE dabei geholfen werde, im Wald in Bodennähe aufzuräumen.

Eine solche Begründung muß in einer Region, in der der sprichwörtliche Filz zwischen Unternehmen und zuständigen Behörden ohnehin ein stehender und vielverwendeter Begriff ist, weiteren Argwohn erwecken, da schwer zu vermitteln und zu begründen ist, warum Polizeikräfte Hilfsarbeiten auf dem Grundstück und im Interesse eines Privatunternehmens verrichten sollten. Seitens der Waldbesetzerinnen und -besetzer wird stattdessen auch vermutet, daß die Öffentlichkeit, sprich die vor Ort anwesende Presse, über die Räumung, die behauptetermaßen gar keine sei, getäuscht werden solle, und zwar aus Angst, wie eine Aktivistin erklärte, "dass sich durch die Räumung ähnlich viele Menschen mit dem Widerstand gegen Braunkohle solidarisieren wie bei der letzten Räumung im Herbst." [2]

Aktivist erklimmt einen Baumstamm - Foto: © 2013 by Hubert Perschke

Foto: © 2013 by Hubert Perschke

Nach Einschätzung einer weiteren Braunkohlegegnerin lasse sich die Öffentlichkeit jedoch nicht täuschen: "Tatsächlich wird hier aber immer mehr Menschen - gerade durch ein solches Vorgehen - bewusst, was hier gespielt wird. Und genau dadurch bekommen auch immer mehr Menschen einen Blick für die Zerstörungen, die in dieser Region passieren und die Gewalt- und Herrschaftsverhältnisse dahinter." [2] Da die Polizei nicht nur mit einem Kletterteam, sondern schwerem Gerät angerückt ist, befürchten die Aktivistinnen und Aktivisten, daß nach vollendeter Räumung gleich auch die betreffenden Bäume gefällt werden könnten. Träfe diese Annahme zu, käme dies einer faktischen Rodung gleich, bei der die erneute Waldbesetzung bzw. deren Räumung zum Anlaß genommen werden würden, die Baumfällungen, die schließlich Gegenstand der Kritik und des Protestes sind, fortzusetzen.

Halbgefällter Baum in der Nähe einer Besetzerplattform - Foto: © 2013 by Hubert Perschke

Axt angelegt - Waldbesetzerbaum wird gefällt
Foto: © 2013 by Hubert Perschke

Wenngleich derzeit alles danach aussieht, daß die diesjährige Waldbesetzung im Hambacher Forst nicht erst nach vielen Monaten durch einen tagelangen Polizeieinsatz beendet, sondern daß sozusagen sofort Tabula rasa gemacht wird und es nur noch eine Frage von Stunden sein dürfte, bis die polizeilichen Kletterexperten die beiden letzten hoch oben in den Bäumen verbliebenen Waldbesetzer heruntergeholt haben werden, steht doch außer Frage, daß die Absicht der Aktivistinnen und Aktivisten, in der Bevölkerung eine "kritische Masse" zu erzeugen, sprich zu einer Solidarisierung und auch Radikalisierung der mit der Tagebau- und Waldzerstörungspolitik unzufriedenen Bürgerinnen und Bürger beizutragen, durch Räumungsmaßnahmen dieser Art nicht zu durchkreuzen ist.

Bereits am 18. März, dem Tag der Wiederbesetzung, hatten die Aktivistinnen und Aktivisten des Hambacher Forsts auf ihrem Blog zum Ausdruck gebracht, daß sie der seitens des Energieunternehmens in die Köpfe der Menschen im Rheinischen Braunkohlerevier implementierten Botschaft, Widerstand sei zwecklos, eine andere entgegenzusetzen haben. "Widerstand ist fruchtbar" sei vielen Menschen in der Region klar geworden, die sich im vergangenen Jahr der Waldbesetzung im Hambacher Forst, aber auch dem bundesweit sich organisierenden Braunkohlewiderstand angeschlossen hätten.

Drei Polizisten stehen vor drei Aktivisten, die am Boden sitzen - Foto: © 2013 by Hubert Perschke

Räumung oder bloß Aufräumarbeiten? Umstrittener Polizeieinsatz im Hambacher Forst
Foto: © 2013 by Hubert Perschke

Rückschläge wie die damalige Räumung führten nicht zu resignativen Reaktionen, sondern einzig und allein zu Bestrebungen, vorhandene Defizite einer Bewegung, die letzten Endes nicht nur die Rodungen verhindern, sondern den klimaschädlichen und umweltzerstörenden Braunkohletagebau beenden will, abzubauen. [3] Die gegenwärtige Räumung einer weiteren Waldbesetzung dürfte, wie angesichts dieser und ähnlich lautender Erklärungen der Aktivistinnen und Aktivisten zu vermuten steht, ebensowenig den ihr von der Betreiberseite zugeschriebenen Zweck, den Widerstand einzudämmen, einzuschüchtern und aufzureiben, erreichen können.


Anmerkungen:

[1] http://www.aachener-zeitung.de/lokales/dueren/neue-runde-im-kampf- gegen-die-braunkohle-1.541026

[2] http://hambacherforst.blogsport.de/2013/03/21/polizei-versucht- oeffentlichkeit-zu-taeuschen-bei-raeumung/

[3] http://hambacherforst.blogsport.de/2013/03/18/hambacher-forst- wiederbesetzt/

Weitere Informationen:
http://hambacherforst.blogsport.de/

21. März 2013