Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → TICKER


WALD/343: Hambacher Forst - eine sozialökologisch geregelte Zukunft ... (Netzwerk Ökosozialismus)


Netzwerk Ökosozialismus - 30. September 2018

Stellungnahme zum Kampf um den Hambacher Forst


In der Öffentlichkeit bisher ignorierte Analysen zeigen, dass auch langfristig erneuerbare Energien den Verbrauch, wie er momentan ist, möglicherweise nicht decken können. Eine Ressourcenstrategie, die auf fossile Reserven für den Fall von Energiemangel bei ansonsten zukünftig hauptsächlich erneuerbar produzierter Energie setzt, wie sie die RWE vorgibt, setzt jedoch das völlig falsche Signal für die aktuelle Situation, in der es um entscheidende energiepolitische Weichenstellungen nicht nur für Kohle geht. Energiereserven könnten in akuten Mangelsituationen irgendwann mal immer noch beschafft werden, besser mit Gas als mit Kohle, besser als Import von ohnehin laufenden Kraftwerken als durch zerstörerische Erweiterung neuer Extraktionsgebiete, dazu muss nicht prophylaktisch ohne Not ein Jahrtausende alter Wald zerstört werden, der als CO2-Speicher hier und heute eine wertvolle Funktion hat. Soll auf Kohle und andere fossile Energien in absehbarer Zeit vollständig verzichtet werden, gibt es gar keine andere Möglichkeit als die enorm hohen Verbrauchsstandards an Energie deutlich zu reduzieren, mit anderen Worten: auf bestimmte Bereiche energieintensiven materiellen Wohlstands zu verzichten, z.B. auf exzessive Mobilität durch Autos und Flugzeuge, auf hochtechnisierte und industrialisierte Landwirtschaft, auf extrem schnelllebigen Konsum vor allem von obsoleszenten Elektrogeräten, auf aufwändig hochdesignte Verpackungen, auf Markenvielfalt, auf Luxusgüter. Ökosozialisten und auch andere Verfechter einer Postwachstums-Gesellschaft haben dazu etliche Vorschläge vorgelegt. Die Notwendigkeit zu entsprechenden Suffizienzstrategien ist in der politisch-ethischen Güterabwägung der eindeutig akzeptablere Weg als die weitere CO2-Belastung mit allen hinlänglich bekannten katastrophalen Folgewirkungen wie Unwetter, Dürren, Überschwemmungen, Wüstenbildung, Artensterben, Übersäuerung der Ozeane, Wassermangel, entsprechenden sozialen Folgewirkungen wie Fluchtbewegungen, Hunger, Landvertreibungen usw.

Das entscheidende tiefere Problem ist aber, dass unser gegenwärtiges auf Kapitalverwertung, Profitmaximierung und Generierung von immer aufwändigeren Tauschwerten ausgerichtetes Wirtschaftssystem notwendige Suffizienz gar nicht ertragen kann. Das angeblich effiziente marktwirtschaftliche System, in welchem der Ideologie nach das Kapital immer wirkungsvoll alloziert wird, in welchem die Nachfrage scheinbar den Bedürfnissen entspringt und die Produktion steuert, dieses System lebt in Wirklichkeit von Umständlichkeit, langwieriger planlos-anarchischer Zufälligkeit und Redundanz, von absichtlicher und auch unabsichtlicher Verschwendung: Markenvielfalt, Obsoleszenz, Verpackungswahnsinn und sinnlose Werbung sind hier nur die bekannten oberflächlichsten Verschwendungsphänomene.

Der Vorstoß RWEs ist ein Rückzugsgefecht, eine Verteidigung nach vorn, da verzweifelt versucht wird, den absehbaren Strukturwandel, in welchem RWE als Produzent der Erneuerbaren nur Profiteinbußen hinnehmen müsste, durch die noch laufenden Kohleförderungs-Vereinbarungen vorerst zu kompensieren. Was hier Sinn machen würde, wären endlich Überlegungen zu einer gut durchdachten Vergesellschaftung der großen Energiekonzerne, in welcher Kapitalallokation, Produktionsziele und -strategien, Verteilug von Arbeit, Geld und vor allem Gebrauchsgütern unter dem Vorzeichen einer gemeinwohl-orientierten solidarischen Nachhaltigkeit sorgfältig geplant würden. Nur die Entlastung der Konzernbetreiber vom Druck einer profitgetriebenen Unternehmens-Sanierungslogik durch Einbettung möglicher Konzernaufgaben in eine energiepolitische Gesamtperspektive könnte die Faktoren umweltschonende Energieverorgung, geplante allmähliche Suffizienz, Verteilungsfragen von Wohlstand und Arbeit auf versöhnlichem Wege lösen. Dann müssten Menschen, die sich progressiv der radikalen Suffizienz eines real-utopischen Lebens in Baumhäusern verschrieben haben, auch nicht mit Waffengewalt verjagt werden, nur weil Konzerne aus schierer Überlebensangst too big to fail sind. Nicht das Mehr oder Weniger an Kohle, erneuerbaren Energien, an erhaltenem oder verzichtbarem Wohlstand ist das Problem, sondern das eindeutige Zuviel an großindustrieller Kapitallogik. Das zeigt sich an den Kämpfen um den Hambacher Forst und wir Ökosozialisten nehmen ziemlich parteiisch daran teil.

*

Quelle:
Presseerklärung des Netzwerks Ökosozialismus vom 30.09.2018
Internet: www.oekosozialismus.net


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Oktober 2018

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang