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GESCHÄFTE/053: Berliner Wasserbetriebe nutzten marktbeherrschende Stellung aus (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 180 - Juni / Juli 2014
Die Berliner Umweltzeitung

Geld stinkt nicht
Berliner Wasserbetriebe nutzten marktbeherrschende Stellung über Jahre aus

Von Janine Behrens



In Berlin besitzen die Berliner Wasserbetriebe eine marktbeherrschende Monopolstellung. Über ein Jahrzehnt ist den Bürgerinnen und Bürgern der Hauptstadt das Geld für eine überteuerte Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung aus der Tasche gezogen worden.

Am Mittwoch, den 7. Mai, sorgte nun eine Pressemitteilung der Berliner Wasserbetriebe erneut für Aufsehen: "Berlins Wasserpreise sinken weiter und bleiben mindestens bis zum Jahr 2018 unter dem heutigen Niveau." Dies kündigten der Aufsichtsratsvorsitzende, Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos für die SPD), und der Chef der Berliner Wasserbetriebe, Jörg Simon, an.

Diese Entscheidung lässt sich auf ein Ende des Rechtsstreites zwischen den Berliner Wasserbetrieben und dem Bundeskartellamt zurückführen. Die Wasserbetriebe verzichten demnach auf eine Klage vor dem Bundesgerichtshof gegen den Urteilsspruch des Oberlandesgerichts Düsseldorf, welcher die Zuständigkeit des Bundeskartellamtes für die kommunale Wasserwirtschaft bestätigt und die Preissenkungsverfügung der Wettbewerbshüter gegen die Berliner Wasserbetriebe für rechtmäßig erklärt hat. Die Berliner Wasserbetriebe ziehen sich damit von der Prozessbühne zurück, um den bereits angefallenen Prozesskosten von 3,9 Millionen Euro keine weitere finanzielle Belastung folgen zu lassen.

Das Bundeskartellamt hatte sich vorbehalten, eine Preissenkungsverfügung auch für die Jahre 2009/10 zu erlassen. In einem sogenannten Vergleich hat man sich nun geeinigt: Das Bundeskartellamt verzichtet - vorerst - auf eine Verfügung für den Zeitraum 2009/10, im Gegenzug senken die Berliner Wasserbetriebe die Preise für Trinkwasser bis 2018 um 15 Prozent. Auch die Gebühren für die Abwasserentsorgung werden erstmals um 6,1 Prozent sinken (ab 2015). Allerdings wird ab 2016 eine an die allgemeine Inflation angepasste Erhöhung der Entgelte um maximal 1,1 Prozent möglich sein.

Die Preissenkung müssen die Berliner Wasserbetriebe selbst erwirtschaften. Gnädig verzichtet Finanzsenator Nußbaum auf rund 440 Millionen Euro Gewinn bis 2018. Dafür lässt er 400 Arbeitsplätze über den Jordan gehen. Gesetzlich ist nichts festgelegt worden. Was nach 2018 kommt, ist ungewiss.

Rückblick

Vor dem Blick in Zukunft sei ein Blick in die Vergangenheit erlaubt: Die schwarz-rote Politik der 90er Jahre hat in Berlin ihre Spuren hinterlassen. Unter der Regie der damaligen Finanzsenatorin Anette Fugmann-Heesing (SPD) brach eine Welle der Privatisierung öffentlicher Unternehmen an. Ob Bewag, Gasag, die Wohnungsbaugesellschaft GEHAG oder die Berliner Wasserbetriebe - die Sozialdemokratie verscherbelte halb Berlin. Insbesondere letztere (Teil-)Privatisierung von 1999, bei der in einem weltweiten Bieterwettbewerbsverfahren 49,9 Prozent der Berliner Wasserbetriebe ausgeschrieben wurden, sorgt bis heute für Empörung.

Mit jeweils 24,95 Prozent wurden die Privatkonzerne Veolia Wasser (früher: Vivendi) und RWE an den Berliner Wasserbetrieben beteiligt. Die RWE-Veolia Berlinwasser Beteiligungs GmbH (RVB), die aus den beiden privaten Anteilseignern entstand, hielt sowohl an den Berliner Wasserbetrieben - als Anstalt öffentlichen Rechts - als auch an der Holding AG 49,9 Prozent der Anteile. Ihnen ist eine garantierte Verzinsung für das betriebsnotwendige Kapital, welches 3,4 Milliarden Euro betrug, vertraglich zugesichert worden. Ein Konsortialvertrag und ein sogenanntes Shareholders' Agreement regelten die Zuständigkeiten und die Gewinnverteilung. Auch das Land Berlin war Bestandteil einer solchen Vereinbarung, erhielt jedoch aufgrund der disproportionalen Gewinnverteilung zwischen der RVB und sich selbst geringere Erlöse. Nichtsdestotrotz hat das Land Berlin über mehrere Jahre erfolgreich umverteilt: Aus den Taschen seiner Bürgerinnen und Bürger in das große schwarze Loch des Berliner Landeshaushaltes.

Aufgrund der intransparenten Preisentwicklung für Trink- und Abwasser gründete sich die Initiative Berliner Wassertisch, welche ein Volksbegehren zur Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge von 1999 erfolgreich organisierte und letztendlich auch den daraus folgenden Volksentscheid im Februar 2011 gewann. Mittlerweile hat sich das Bündnis zerstritten und in drei separate Wassertische aufgespalten.

Der seit 2011 amtierende Berliner Senat aus SPD und CDU kaufte in einem Akt der Selbstbeweihräucherung sowohl die Anteile von RWE (2012; für 618 Millionen Euro) als auch Veolia (2013; für 590 Millionen Euro) zu völlig überteuerten Summen zurück und rühmte sich mit der vollständigen Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe.

Folgerichtig wurde durch die Opposition eine Normenkontrollklage, durch die Fraktion der Piratenpartei in Kooperation mitdem Berliner Wassertisch (c/o GRÜNE LIGA Berlin) eine Organklage gegen die Teilprivatisierungsverträge von 1999 eingereicht. Man munkelt, dass die Organklage möglicherweise noch in diesem Jahr vor dem Landesverfassungsgericht verhandelt werden könnte.

Wasserqualität geht baden

Waren die hohen Wasserpreise gerechtfertigt? Berlins Trinkwasser hat beste Qualität - zumindest ist das der Ruf, der ihm vorauseilt. Ein Blick hinter die undurchsichtigen Kulissen offenbart jedoch, dass unserem Leitungswasser möglicherweise weniger rosige Zeiten bevorstehen.

Zum einen gibt es das altbekannte Problem der stetig steigenden Sulfat-Belastung in der Spree, eine lästige Hinterlassenschaft des Braunkohleabbaus in Brandenburg. Steigt der Sulfat-Messwert in der Spree weiter an, dann sieht es in einigen Jahren düster aus für unsere Gesundheit, denn eine hohe Sulfat-Belastung, die sich perspektivisch auf das Trinkwasser niederschlagen wird, ruft heftige Magen-Darm-Beschwerden hervor. Vereinzelt beziehen wir in Berlin Wasser sogar aus Trinkwasserleitungen aus Blei - für Schwangere und Kleinkinder durchaus nicht ungefährlich.

Insbesondere die Berliner Innenstadt ist mit einem weiteren lästigen Problem konfrontiert: Mischkanalisation. Als wären zuvor genannte mögliche Beschwerden nicht "beschissen" genug, so fließen jedes Jahr über drei Millionen Kubikmeter Abwasser in die Spree. Die Kanalisation läuft aufgrund starker Regenfälle etwa 20 bis 30 Mal im Jahr über. Auch Investitionen in eine umfassende Sanierung des Kanalisationssystems sind seit 2004 in viel zu geringem Umfang erfolgt. Eine neue Studie, die von der Stiftung Baugewerbe in Auftrag gegeben wurde, belegt, dass das teilweise Jahrhunderte alte Berliner Kanalsystem rund 14.000 Schäden der höchsten Kategorie aufweist. Es besteht dringender Sanierungsbedarf! Aus Löchern in den Rohren tritt nicht nur Abwasser aus und gelangt ins Grundwasser. Darüber hinaus besteht auch die Gefahr, dass die Straßen darüber absacken. 100 Millionen Euro Investitionsvolumen jährlich sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein - damit lassen sich nicht einmal die gröbsten Schäden beseitigen.

Nach wie vor steht auch die Einführung einer vierten Klärstufe nicht auf der Tagesordnung der Regierungsfraktionen und der Berliner Wasserbetriebe. Von Hormonen bis Schmerzmitteln trinken wir mit unserem delikaten Leitungswasser 2.800 Wirkstoffe aus 30.000 Arzneimitteln täglich in uns hinein.

Bilanz

Das Land Berlin feiert sich als großen Wohltäter. Immerhin verzichtet es auf 440 Millionen Euro Gewinn bis 2018 - könnte man meinen. Man könnte es aber auch sein lassen. Es stellt sich die Frage, warum ein Vergleich zwischen Bundeskartellamt und Berliner Wasserbetrieben nicht vor Anfang Mai zustande kam. Die Kosten für Gerichtsverhandlungen und Anwälte, die seit Beginn des Beschwerdeeingangs des damaligen Wirtschaftssenators Harald Wolf (DIE LINKE) im Jahr 2011 anfielen, hätten nicht Millionen an weiteren Unsummen verschlingen müssen.

Die Einigung kann darüber hinaus mitnichten als verbindliche Regelung angesehen werden. Dafür wäre eine Novellierung der gesetzlichen Preiskalkulationsvorschriften unabdingbar. Das großzügige Geschenk der Wasserpreissenkung ist also mit Vorsicht zu genießen. Schließlich weiß niemand, der eventuelle interne, geheime Dokumente nicht kennt, ob die Preise für Trink- und Abwasser nach 2018 nicht wieder drastisch ansteigen. Der Berliner Senat ist da mitunter recht launisch.

Auch demokratiepolitisch lässt die Struktur in den Berliner Wasserbetrieben nach wie vor zu wünschen übrig. Zwar ist faktisch ein Kundenbeirat angedacht. Jedoch soll dieser ausschließlich beratend agieren, und auch wer dort vertreten sein wird, ist bislang schleierhaft. Cicero, seines Zeichens berühmter römischer Philosoph vor Christi Geburt, sagte einst, keine Festung sei so stark, dass Geld sie nicht einnehmen könnte. In Berlin scheint es genau so. Denn Geld stinkt nun mal nicht. Schon gar nicht das Geld der Anderen.

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Quelle:
DER RABE RALF - 25. Jahrgang, Nr. 180 - Juni/Juli 2014, Seite 1 + 4
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juli 2014