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INITIATIVE/114: Interview - Berliner Volksbegehren "Unser Wasser" zulässig (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 153 - Dezember 2009 / Januar 2010
Die Berliner Umweltzeitung

IM RABENBLICK
Volksbegehren "Unser Wasser" zulässig

Verfassungsgerichtshof entscheidet einstimmig - Interview mit Thomas Rudek vom "Berliner Wassertisch"


Vor zehn Jahren sind die Berliner Wasserbetriebe über eine Holding AG teilprivatisiert worden, die größte Teilprivatisierung eines Wasserversorgers in der EU. Die Bilanz: Personalabbau, Investitionsabsenkungen, die Schließung von drei Wasserwerken, der Verlust von etwa 30 Quadratkilometern Trinkwasserschutzgebieten und im internationalen Städtevergleich mit die höchsten Wasserpreise. Jede Privatisierung und Teilprivatisierung wird flankiert von "Geheimverträgen", in denen die privaten Investoren ihre Interessen absichern. Die Bürgerinitiative "Berliner Wassertisch" hat gemeinsam mit der GRÜNEN LIGA Berlin und anderen Organisationen ein Volksbegehren zur vorbehaltlosen Offenlegung der Verträge gestartet. Nachdem die erste Stufe mit fast 40.000 Stimmen gewonnen wurde, wollte der Senat das Volksbegehren nicht zulassen, weil es gegen "höheres Recht" und gegen die "Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse" verstößt. Der Wassertisch hat daraufhin Einspruch vor dem Berliner Verfassungsgerichtshof eingelegt und gewonnen. Wie geht es jetzt weiter?

Dazu befragte DER RABE RALF Thomas Rudek vom Berliner Wassertisch, den Sprecher des Volksbegehrens.

DRR: Der Verfassungsgerichtshof hat entschieden, dass das Volksbegehren zugelassen werden muss. Der Senat hält dennoch an seiner Meinung fest, dass das Volksbegehren und der damit verbundene Gesetzentwurf gegen höherrangiges Recht verstoßen. Wie ist diese Haltung zu verstehen?

TR: Der Senat ist als Vertragspartner eindeutig befangen und hat in seiner Rolle als "Komplize" kein Interesse, dass rechtswidrige Verträge offen gelegt werden. Darum ignoriert er die Gestaltungsspielräume, die alle neun Verfassungsrichter in ihrem einstimmigen Urteil eröffnet haben. Denn in dem Urteil wird unmissverständlich herausgestellt, dass das Land Berlin die Gesetzgebungskompetenz hat und nicht - wie zuvor unterstellt - die Gesetzgebungskompetenz beim Bund liegt.

DRR: Jetzt haben die Abgeordneten vier Monate Zeit, sich zum Gesetz zu positionieren. Gibt es bereits Reaktionen aus dem Parlament?

TR: Es gab im Abgeordnetenhaus bereits eine aktuelle Stunde und eine Sitzung des Innenausschusses. Die Fraktionen werden sich positionieren und wir würden uns freuen, wenn alle Leser/-innen des RABEN RALF sich an ihre Abgeordneten wenden, um Druck auszuüben. Wichtig ist, dass unserer wichtigsten Forderung nach einer vorbehaltlosen Offenlegung von Verträgen und Nebenabsprachen für alle Menschen entsprochen wird. Eine Offenlegung nur für Parlamentarier oder eine Offenlegung mit geschwärzten Passagen wäre eine Mogelpackung und für uns nicht akzeptabel.

DRR: Wie ist Eure Einschätzung? Wird das Abgeordnetenhaus sich in Eure Richtung bewegen?

TR: Wir sind mit einigen Parlamentariern in Gespräch. Am 9. Dezember gibt es ab 18 Uhr im Raum 376 des Abgeordnetenhauses mit Vertretern aller Fraktionen und dem Datenschutzbeauftragten Dr. Dix und Prof. Keßler von der Verbraucherzentrale Berlin ein öffentliches Gespräch, zu dem wir herzlich einladen (siehe Kasten)(*).

DRR: Wenn das Gesetz vom Parlament nicht in seinen wesentlichen Punkten übernommen wird, wie geht es dann weiter?

TR: Dann werden wir voraussichtlich Anfang März 2010 mit der zweiten Stufe des Volksbegehrens beginnen und müssen in vier Monaten 170.000 Unterschriften sammeln.

DRR: Ist das zu schaffen?

TR: Wenn alle mitmachen, und ihre persönlichen sozialen Netzwerke einbeziehen, ganz bestimmt. Wichtig sind natürlich die Medien. Wenn wir in der rbb-Abendschau genauso viel Sendezeit erhalten wie das Volksbegehren zum Erhalt des Flughafens-Tempelhof, dann sind wir sehr zuversichtlich.

DRR: Zurzeit scheint das Thema "Rekommunalisierung" in aller Munde. Der Finanzsenator Nussbaum überlegt sogar, der Deutschen Bahn die S- Bahn abzukaufen. Gibt es bei Euch auch Überlegungen, wie eine Rekommunalisierung der Wasserbetriebe finanziert werden kann?

TR: Wir setzen uns für eine kostengünstige Rekommunalisierung ein. Darum müssen die rechtswidrigen Verträge offen gelegt werden, damit den Konzernen RWE und Veolia nicht noch mehr Geld in den Rachen geworfen wird. Zur Finanzierung existieren mehrere Szenarien: Von einer Enteignung der Konzerne über Regressforderungen infolge rechtswidriger Verträge bis hin zu einem Rekommunalisierungsfonds, finanziert aus Mitteln der Europäischen Zentralbank. Diese stellt zurzeit den Großbanken als den Verursachern der Finanzkrise billiges Geld für einen historisch niedrigen Leitzins von 1 Prozent zur Verfügung. Zu genau diesen Konditionen sollten auch Kommunen Geld erhalten, die Privatisierungen rückgängig machen wollen. Es geht vieles, wenn nur der politische Wille vorhanden ist!

DRR: Eine interessante Idee. Wie können Euch unsere Leser/-innen unterstützen?

TR: Wie gesagt: Druck auf die Abgeordneten machen, Briefe beziehungsweise E-Mails schreiben, anrufen und fordern, dass unser Gesetzvorschlag vom Parlament verabschiedet wird. Auch die Parlamente der Bezirke sind wichtig.

Ansonsten sind wir auf Spenden dringend angewiesen. Wir haben bei der GRÜNEN LIGA Berlin ein gemeinnütziges Spendenkonto eingerichtet (siehe Kasten)(*). Neben Geld-Spenden sind Zeit-Spenden genauso wichtig, vielleicht sogar wichtiger. Wer uns beim Unterschriften-Sammeln unterstützen will, indem er uns seine Freizeit spendet, dem sind wir sehr dankbar, auch wenn es nur wenige Stunden in der Woche sein sollten. Wer mehr Zeit erübrigen kann und auch gute Kontakte in seinem Kiez hat, der kann auch eine Art Kiezpatenschaft übernehmen. Bei der GRÜNEN LIGA Berlin liegen Listen aus, in denen sich potenzielle Unterstützer eintragen können. Man kann auch einfach unseren Sammel-Organisator Michel anrufen (siehe Kasten)(*).

DRR: Wir danken für das Gespräch.
TR: Der Wassertisch bedankt sich beim RABEN RALF.


Kontakt:

Thomas Rudek
Sprecher des Volksbegehrens
"Unser Wasser"
Tel. 030/261 33 89
ThRudek@gmx.de
www.berliner-wassertisch.net

Michel Tschuschke
Tel. 030/7845941
Unser-wasser@gmx.de

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Aktion zur Urteilsverkündung am 6. Oktober

(*) Anmerkung der SB-Redaktion:
siehe gedruckte Fassung oder PDF über www.raberalf.grueneliga-berlin.de


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Quelle:
DER RABE RALF - 20. Jahrgang, Nr. 153, Dezember 2009/Januar 2010, S. 3
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de

Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: 10 Euro/halbes Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Januar 2010