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INITIATIVE/125: Berlin - Geheime Wasserverträge offen gelegt und reingelegt? (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 159 - Dezember 2010/Januar 2011
Die Berliner Umweltzeitung

Vom Volksbegehren zum Volksentscheid
Geheime Wasserverträge - offen gelegt und reingelegt?

Von Thomas Rudek


Es ist kaum vorstellbar: Über 320.000 Berliner/-innen haben dem Volksbegehren-Gesetz ihre Stimme gegeben! Von den abgegebenen Stimmen waren über 280.000 Unterschriften gültig. Das ist ein neuer, doppelter Rekord, denn dieses überwältigende Ergebnis konnte mit wenig Geld verwirklicht werden. Wir hatten einen Spenden-Etat von knapp 20.000 Euro zur Verfügung. Das ist ein klarer Beweis, dass es nicht auf das große Geld und teure Werbe- und Imagekampagnen ankommt, sondern dass die angesprochenen Menschen mitmachen und auch ihre sozialen Kontakte eingebracht haben. Dafür bedanken wir uns ganz herzlich bei allen, vor allem bei den Leser/-innen des RABEN RALF sowie der Raben-Redaktion, denn der RABE RALF und die GRÜNE LIGA Berlin haben das Wasser-Volksbegehren von Anfang an begleitet und aktiv unterstützt. Transparenz im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge liegt nicht nur vielen am Herzen, sondern ist auch eine wesentliche Voraussetzung, damit unsere Demokratie nicht noch mehr unter die Räder der Lobbyisten und "Privatisierungsexperten" gerät.

Nun besteht die direkte Demokratie aus einem mehrstufilgen Verfahren und das erfolgreiche Volksbegehren ist quasi nur der Auftakt für die eigentliche Herausforderung: Den Volksentscheid, für den 610.000 Stimmen erforderlich sind!

Mit dem Volksentscheid verhält es sich genauso wie bei einer Wahl. Alle wahlberechtigten Menschen in Berlin werden angeschrieben und erhalten die Wahlunterlagen. Der Wasser-Volksentscheid wird am Sonntag, dem 13. Februar 2011, stattfinden. Dann stimmen die Bürger/-innen über ein konkretes, rechtsverbindliches Gesetz ab: In unserem Fall über das Gesetz zur vollständigen Offenlegung von Geheimverträgen, Beschlüssen und Nebenabreden bei den teilprivatisierten Berliner Wasserbetrieben!


Ist der Volksentscheid notwendig?

Auf das erfolgreiche Wasser-Volksbegehren reagierte die Politik mit der Flucht nach vorn: Zuerst wurden 200 Seiten des Vertrages der "taz" zugespielt. Nachdem von der Landeswahlleiterin das amtliche Endergebnis bekannt gegeben wurde, verkündete der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), dass der Konsortialvertrag mit 700 Seiten jetzt im Internet veröffentlicht wird und "die materielle Forderung des Volksbegehrens ... damit erfüllt" sei. Wenn das wirklich stimmt, dann stellt sich die Frage, warum Wowereit nicht den Gesetzestext des Volksbegehrens übernimmt, sondern sich hartnäckig weigert!

Es geht zum einen um die Unwirksamkeitsklausel im Gesetzesvorschlag des Volksbegehrens: Diese besagt, dass Verträge, Beschlüsse und Nebenabreden, die nicht veröffentlicht worden sind, unwirksam werden! Das Prinzip ist einfach: Wenn die Nicht-Veröffentlichung keine negativen Folgen hätte, dann würden sich weder die Verwaltung noch die privaten "Vertragspartner" zur Veröffentlichung verpflichtet fühlen. Die Unwirksamkeitsklausel ist quasi eine "Strafe" für das Nichtbefolgen des Gesetzes beziehungsweise der Offenlegungspflicht. In diesem Zusammenhang ist der Hinweis wichtig, dass auch im neuen Informationsfreiheitsgesetz eine "Strafe" nicht vorgesehen ist, falls die Verwaltung ihrer Offenlegungspflicht nicht nachkommt!

Es ist aufschlussreich, dass Wowereit sich an dieser Unwirksamkeitsklausel stört, denn: Wenn doch jetzt angeblich alles offen gelegt ist, dann würde die Unwirksamkeitsklausel nicht zur Anwendung kommen.

Auch darf der Hinweis nicht fehlen, dass der Gesetzestext des Volksbegehrens sich nicht nur auf die Veröffentlichung von Verträgen beschränkt, sondern auch die Veröffentlichung von "Beschlüssen und Nebenabreden" fordert. Was wie eine juristische Spitzfindigkeit aussieht, ist auf eine Anregung eines Mitarbeiters aus der Verwaltung zurückzuführen: Als wir unseren Gesetzestext entwickelt haben, stellten wir diesen über mehrere Verteiler zur Diskussion und erhielten die Rückmeldung, dass wir unsere Offenlegungsforderung nicht nur auf Verträge beschränken, sondern um Beschlüsse und Nebenabreden erweitern sollten.

Wir nahmen diesen "Insider-Hinweis" dankend auf und erweiterten unseren Gesetzestext entsprechend. Und nun achtet die politische Spitze peinlich genau darauf, immer von der Offenlegung des Konsortialvertrages mit seinen Änderungsvereinbarungen und Anhängen zu sprechen. Von Beschlüssen und Nebenabreden ist in den offiziellen Verlautbarungen nichts zu hören.

Auch auf einer anderen Baustelle der Informationsgesellschaft geht es nicht voran: Einige werden sich erinnern, dass die Abgeordnete Heidi Kosche (Bündnis 90/Die Grünen) ihr Recht auf Einsicht aller Akten, die zur Teilprivatisierung geführt haben, vor dem Berliner Verfassungsgericht einklagen musste und den Prozess gewann. Trotz ihres Erfolgs vor Gericht erfolgt die Aktenherausgabe nur sehr zögerlich. Auch dieses Spielen auf Zeit lässt vermuten, dass noch immer vieles im Dunkeln liegt.


Politischer Druck ist weiter erforderlich!

Ganz gleich, wie viele Dokumente nach einem erfolgreichen Volksentscheid ans Tageslicht gelangen, die bereits offen gelegten Vertragsdokumente (über 700 Seiten) müssen jetzt sorgfältig geprüft werden. Da zahlreiche Rechtsgebiete, angefangen vom Kommunalrecht über das Zivil-, Straf-, Kartell-, Verfassungs- und Europarecht, wie andere Rechtsgebiete berührt sind, bedarf es einer breit angelegten Fachdiskussion, um mehrere juristische Hebel für die Anfechtung der Gewinngarantien und anderer Vertragsbestandteile zu finden. Von einer einzelnen Person kann die Prüfung nicht vorgenommen werden werden, dazu bedarf es der Unterstützung mehrerer fachkundiger Personen.

Die Volljuristin und Gutachterin Sabine Finkenthei, die den Wassertisch seit seiner Gründung unterstützt, hat sich dankenswerterweise bereit erklärt, als Ansprechpartnerin die notwendigen Koordinierungen zu übernehmen. Wer mit Juristen und anderen Experten bekannt und befreundet ist und im Gespräch herausfindet, dass eine prinzipielle Bereitschaft zur ehrenamtlichen Mitarbeit vorhanden ist, dem wären wir für die Vermittlung zu Frau Finkenthei sehr dankbar (S.Finkenthei[at]gmx.de, Tel.: 030/2613389).

Parallel zu diesem zeitaufwendigen Prüfverfahren geht es vor allem darum, den politischen Druck aufrecht zu halten und das eigentliche Ziel nicht aus den Augen zu verlieren: Die kostengünstige, bürgernahe, verbraucherorientierte Rekommunalisierung der teilprivatisierten Berliner Wasserbetriebe. Die Politik selbst liefert den erforderlichen Brennstoff, um das Feuer anzufachen. Bereits kurz nach der taz-Veröffentlichung überschlugen sich die Meldungen. Am größten war das Erstaunen, dass die neoliberalen Experten auch bereits die Summen kannten, die eine Rekommunalisierung kosten soll: Zwischen zwei und drei Milliarden Euro müsste Berlin berappen, wenn es seine 49,9 Prozent der Anteile an den Wasserbetrieben zurück haben will. Nur zur Erinnerung: 1999 zahlten RWE und Veolia 1,68 Milliarden Euro - übrigens durch Bankkredite fremdfinanziert.

Inzwischen haben die Konzerne deutlich mehr als 1,3 Milliarden Euro an privaten Gewinnen aus den Taschen der Berliner/-innen gepumpt. Das ist keine kostengünstige, bürgernahe Rekommunalisierung, sondern ein profitables Geschäftsmodell, das nicht nur über die Köpfe der Verbraucher hinweg gesetzt werden soll, sondern es handelt sich um rechtlich umstrittene, private Gewinngarantien, die unsere Volksvertreter uns in Rechnung stellen wollen.


Rekommunalisierung bürgernah!

So wie es aussieht, müssen wir als Bürger/-innen auch die bürgernahe Rekommunalisierung in die eigenen Hände nehmen und dafür sorgen, dass zukünftig weder öffentliche noch private Gewinne in die Wassertarife einfließen, sondern nur die real anfallenden Kosten eingestellt werden dürfen. Um zu verhindern, dass die Politik mit den Konzernen die Bedingungen einer investorenfreundlichen Rekommunalisierung unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausheckt, sollte wiederum auf dem Weg der direkten Demokratie ein Rekommunalisierungs-Beteiligungs-Gesetz auf den Weg gebracht werden.

Der Fehler einer teuren, investorenfreundlichen Rekommunalisierung, die für die Potsdamer Bürger noch höhere Wasserpreise als in Berlin zur Folge hatte, darf sich in der Hauptstadt nicht wiederholen.

Jetzt gilt es, den Volksentscheid am 13. Februar 2011 zu gewinnen: 610.000 Stimmen sind notwendig! Ob das zu schaffen ist, hängt von uns allen ab. Das bekannte Motto "Nimm 2" stimmt zuversichtlich: Wenn jeder der 280.000 Berliner/-innen, die das Wasser-Volksbegehren unterschrieben haben, zwei weitere Menschen für den Gang zur Abstimmung über den Volksentscheid motiviert, dann ist der Volksentscheid bereits gewonnen. Das sollte doch zu schaffen sein, oder?

Thomas Rudek - Sprecher des Volksbegehrens für die GRÜNE LIGA und den Berliner Wassertisch.

Kontakt:
ThRudek[at]gmx.de
Tel.: 030/2613389 (AB)
Weitere Infos:
www.berliner-wassertisch.net
www.grueneliga-berlin.de


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Christian Ströbele (MdB, Bündnis90/Die Grünen) unterstützt den Wassertisch


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Quelle:
DER RABE RALF - 21. Jahrgang, Nr. 159 - Dezember 2010/Januar 2011
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47, Fax: 030/44 33 91-33
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Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de

Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: 10 Euro/halbes Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Januar 2011