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RECHT/046: Wasserkraft - Was ist eine "wesentliche ökologische Verbesserung?" (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 980 vom 04. Okt. 2011 30. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Wasserkraft: Was ist eine "wesentliche ökologische
Verbesserung?"


Auf einen grünen Zweig kommt der Betreiber einer Wasserkraftanlage in den meisten Fällen nur dann, wenn er nach dem Erneuerbaren Energien-Gesetz (EEG) von 2004 bzw. von 2009 eine erhöhte Einspeisevergütung für den produzierten Wasserkaftstrom einstreichen kann. In den Genuss einer erhöhten Einspeisevergütung kommen Betreiber von Wasserkraftanlagen dann, wenn sie sich nach dem EEG 2009 von einem Umweltgutachter bestätigen lassen, dass sie in eine "wesentliche ökologische Verbesserung" beim Betrieb ihres Wasserkraftwerkes investiert haben. Wenn ein Betreiber eine entsprechende Bescheinigung eines Umweltgutachters seinem Netzbetreiber vorlegen kann, muss der Netzbetreiber die erhöhte Einspeisevergütung an den Wasserkraftbetreiber anstandslos überweisen. Inzwischen sind aber nicht wenige Netzbetreiber ob der ihnen übergebenen Bescheinigungen misstrauisch geworden. Denn offenbar gibt es einen Umweltgutachter, der entsprechende Bescheinigungen sozusagen aus vorgestanzten Textbausteinen am Fließband produziert (siehe RUNDBR. 974/3). So hat beispielsweise ein sächsischer Netzbetreiber innerhalb weniger Tage zahlreiche fast identische Bescheinigungen für die unterschiedlichsten Wasserkraftanlagen in seinem Netzbereich erhalten. Alle diese Bescheinigungen waren vom gleichen Umweltgutachter R. unterschrieben. Dem Netzbetreiber kam die Sache spanisch vor. Eine besonders fragwürdige Bescheinigung legte der Netzbetreiber der EEG-Clearingstelle vor, die in Streitfällen bei der Auslegung des Erneuerbaren Energien-Gesetzes angerufen werden kann. Die EEG-Clearingstelle sollte entscheiden, ob das Gutachten ein qualitatives Mindestniveau aufweise und die erhöhte Einspeisevergütung zu Recht beantragt worden wäre. In ihrem Votum 2010-18 vom 12. Sept. 2011 hat die EEG-Clearingstelle entschieden, dass das Umweltgutachten weder in sich schlüssig und widerspruchsfrei noch objektiv nachvollziehbar gewesen wäre. Das verwundert umso mehr, weil der Gutachter auf Geheiß der aufsichtsführenden "Deutschen Akkreditierungsgesellschaft für die Zulassung von Umweltgutachtern" (DAU) bereits vor dem Verfahren der EEG-Clearingstelle dazu vergattert worden war, sein Gutachten nachzubessern. Aber selbst die nachgebesserte Bescheinigung fand vor der EEG-Clearingstelle keine Gnade. Insbesondere bemängelte die Clearingstelle, dass es dem Gutachten (der "Bescheinigung") jeder vertieften Erörterung fehle, "inwiefern die Modernisierungsmaßnahmen an den Bewirtschaftungszielen der EG-Wasserrahmenrichtlinie ausgerichtet worden" sei. Ferner werde in der Bescheinigung nicht deutlich, welche Bedeutung die Bewirtschaftungsziele "für den verfahrensgegenständlichen Gewässerabschnitt" hätten. Zudem fehle es an "einer objektiv schlüssigen Darlegung, anhand welcher Maßstäbe der Umweltgutachter die Prognose trifft", dass es durch die angebliche Modernisierung der Anlage "zu einer wesentlichen Verbesserung des ökologischen Zustandes" in dem betreffenden Gewässerabschnitt komme. In ihrem Votum kam die Clearingstelle zum Fazit, dass auf der Basis dieser Bescheinigung der Wasserkraftbetreiber "keinen Anspruch auf Zahlung der erhöhten Vergütung" habe. Zwar sei die Anlage modernisiert worden: Es sei aber nicht der Nachweis erbracht worden, "dass hierdurch der ökologische Zustand wesentlich verbessert wurde".


Die Mindestinhalte eines Wasserkraftgutachtens

Wenn die Bescheinigung einer Umweltgutachterin oder eines Umweltgutachters dazu taugen soll, dass der Wasserkraftbetreiber die erhöhte Einspeisevergütung aus dem Erneuerbaren Energiengesetz (EEG) für 20 Jahre einstreichen kann, dann könne nach dem Votum der EEG-Clearingstelle die Bescheinigung nur dann Anerkennung erfahren, wenn das Gutachten zumindest
"- eine Beschreibung des Ist-Zustandes (Anlage; Gewässer gemäß Kriterien der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), insbesondere des ökologischen Zustands und Potentials; für den Gewässerabschnitt einschlägige Bewirtschaftungsziele) vor der Modernisierungsmaßnahme enthält,
- die durchgeführte(n) Modernisierungsmaßnahme(n) darstellt und
- die fachlichen Maßstäbe benennt, anhand derer die Umweltgutachterin bzw. der Umweltgutachter zu der Einschätzung kommt, dass nach der Modernisierung unter Berücksichtigung der jeweils einschlägigen Bewirtschaftungsziele und der Regelbeispiele in § 23 Abs. 5 Satz 2 EEG2009 der gute ökologische Zustand erreicht oder der ökologische Zustand gegenüber dem vorherigen wesentlich verbessert worden ist."


Wasserkraftverstromung: Wenn Netz- und Wasserkraftbetreiber sich streiten

In ihrem zuvor genannten Votum hebt die EEG-Clearingstelle hervor, dass der Netzbetreiber nicht befugt wäre, die Bescheinigung eines Umweltgutachters inhaltlich und fachlich anzugreifen. Auch wenn dem Netzbetreiber eine Bescheinigung noch so fadenscheinig vorkommen mag, dürfe der Netzbetreiber dem Wasserkraftbetreiber die erhöhte Einspeisevergütung nicht verweigern. Sofern Netzbetreiber Zweifel an der objektiven Nachvollziehbarkeit, Widerspruchsfreiheit oder Schlüssigkeit einer Bescheinigung haben, schlägt die Clearingstelle folgenden Ausweg vor: Der Anlagenbetreiber sollte "im Einvernehmen mit dem Netzbetreiber die Nachbesserung durch eine ergänzende Bescheinigung" eines (anderen) Umweltgutachters anstreben. Dass der Anlagenbetreiber daran kein gesteigertes Interesse haben wird, hat wohl auch der EEG-Clearingstelle gedämmert. Denn an anderer Stelle wird in dem Votum vorgeschlagen, dass sich der Netzbetreiber "im Zweifel" um ein "Gegengutachten" eines anderen Umweltgutachters bemühen solle. [Das geforderte "Einvernehmen" dürfte in diesen Streitfällen wohl nur schwerlich zu erreichen sein. Zudem bleibt die Frage, wer denn letztlich darüber entscheidet, welches Gutachten »das Richtige« ist.] Weitergehend stellt die Clearingstelle in ihrem Votum fest, dass es einem Netzbetreiber unbenommen bleibe, "bei Zweifeln an der Zuverlässigkeit, Unabhängigkeit oder Fachkunde einer Umweltgutachterin oder eines Umweltgutachters ein Anlassaufsichtsverfahren bei der DAU anzuregen".


Wasserkraftverstromung: Was ist eine Modernisierung?

In dem konkreten Streitfall, der der EEG-Clearingstelle vorgelegt worden war, ging es auch um die Frage, ob eine Modernisierung zwingend eine bauliche Maßnahme - beispielsweise den Bau einer Fischtreppe - beinhalten müsse. Der Umweltgutachter hatte in seiner Bescheinigung nämlich auch organisatorische Maßnahmen als Modernisierung tituliert: Der Betreiber der Wasserkraftanlage hatte für sein Personal eine "Bedienvorschrift" für den Grundablass im Wehr des Wasserkraftwerkes erlassen. Der Grundablass sollte nach dieser Bedienvorschrift nur fischschonend geöffnet werden. Insbesondere sollte vermieden werden, dass aufgewirbelter Schlamm aus dem Oberwasser der Wehranlage zu einer Sauerstoffzehrung unterhalb der Wehranlage führt. Strittig war, ob diese "Bedienvorschrift" als Modernisierung zur Erreichung einer erhöhten Einspeisevergütung ausreichend sei. Denn bislang hatten zumindest einige Juristen die Auffassung vertreten, dass bauliche Verbesserungen ultimativ erforderlich seien, um die erhöhte Einspeisevergütung abkassieren zu können. Denn die erhöhte Einspeisevergütung solle mit dem Aufwand für eine ökologisch ausgerichtete Modernisierung einer Wasserkraftanlage in einem vernünftigen Verhältnis stehen. Eine rein organisatorische Maßnahme - wie beispielsweise eine Bedienvorschrift - sei zu wenig, um mit der erhöhten Einspeisevergütung belohnt zu werden.

Die EEG-Clearingstelle sah dies großzügiger - und stellte in ihrem Votum fest: "Als Modernisierungsmaßnahmen kommen nicht nur bauliche oder technische Maßnahmen in Betracht, sondern auch betrieblich-organisatorische." Weder aus dem Wortlaut noch aus Sinn und Zweck des EEG lasse sich entnehmen, dass eine Modernisierung zwingend durch bauliche Veränderungen erfolgen müsse. Vielmehr spreche die Auslegung des EEG dafür, "auch betrieblich-organisatorische Maßnahmen genügen zu lassen". In dem Votum wird dazu ausgeführt: "Insbesondere die Feststoffbewirtschaftung, der Mindestwasserabfluss und die Stauraumbewirtschaftung sind nicht notwendigerweise durch bauliche Maßnahmen zu verbessern. Vielmehr können auch veränderte Betriebsabläufe zu einer wesentlichen Verbesserung dieser Kriterien und damit zu einer wesentlichen Verbesserung des ökologischen Zustands beitragen." Ferner heißt es in dem Votum: "Die Clearingstelle EEG verkennt nicht, dass betrieblich-organisatorische Maßnahmen im Einzelfall schwieriger darzulegen und zu beweisen sind. Darlegungsfragen entscheiden jedoch nicht darüber, was als Modernisierungsmaßnahme in Betracht kommt. Es obliegt in jedem Fall der Anlagenbetreiberin bzw. dem Anlagenbetreiber, plausibel darzulegen und ggf. zu beweisen, ob und wie die geltend gemachte betrieblich- organisatorische Maßnahme tatsächlich umgesetzt wird. Im vorliegenden Fall hat die Anspruchstellerin zur Überzeugung der Clearingstelle EEG in der mündlichen Erörterung hinreichend plausibel dargelegt, dass dem von ihr beauftragten Betriebsführer die veränderte Bedienvorschrift des Grundablasses verbindlich vorgegeben worden ist."

Das 34seitige Votum 2010/18 vom 21.09.11 kann von Wasserkraftfreunden und -gegnern kostenlos von der Homepage der Clearingstelle abgerufen werden:
http://www.clearingstelle-eeg.de/votv/2010/18


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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 980/2011
Herausgeber:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Dezember 2011