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RECHT/053: Mieteranspruch auf Rückabwicklung einer Epoxidharzbeschichtung? (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 1031, vom 07. Febr. 2014, 33. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Mieteranspruch auf Rückabwicklung einer Epoxidharzbeschichtung?



Das Gesundheitsamt Köln, die RHEINENERGIE als Wasserlieferant, Gerichte und Gutachter, Mieter und Wohnungsunternehmen, Verwalter und Rohrinnensanierungsunternehmen wurden über mehrere Jahre hinweg durch einen Mieter-Vermieterkonflikt in einer großen Kölner Wohnanlage in Trab gehalten. Der Streit um die Sanierung von Trinkwasserleitungen war teilweise hochemotional geführt worden, so dass die Auseinandersetzung auch in den Medien einiges Interesse gefunden hatte. Der Schlagabtausch erfolgte mit allen Finessen auf Mieterversammlungen und in Gerichtssälen und ging einigen der Beteiligten ziemlich an die Nieren. Was war passiert? Die Vermietergesellschaft hatte im Februar 2009 die maroden Leitungen für Kalt- und Warmwasser in einem größeren Wohngebäude in Köln mit Epoixdharz auskleiden lassen, um weiteren Korrosionsschäden vorzubeugen. Ein Mieter hatte u.a. wegen der gesundheitsschädlichen Wirkung von Bisphenol-A - einem Bestandteil des Epoixdharzes - auf Mietminderung geklagt. Das Amtsgericht Köln sprach daraufhin im Jahr 2011 dem Mieter wegen dem Bisphenol-A-Risiko das Recht zu einer Mietminderung von 20% zu (s. RUNDBR. 1002/4, 984/3-4 (s. auch 923/3, 944/1-3)). Zwei Kläger verlangten aber weitergehend eine Beseitigung des Epoxidharzes aus den Trinkwasserleitungen. Bemerkenswert ist der Streitfall u.a. auch deshalb, weil der Stellenwert der Zertifizierung durch die Deutsche Vereinigung des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) Verhandlungssache war (vgl. RUNDBR. 1023 zum "FRABO-Urteil".)

Epoxidharzbeschichtung: Um was wurde gestritten?

Die Kläger stützten ihre Klage vor allem darauf, dass die ihrer Ansicht nach mangelhaft durchgeführte Epoxidharzbeschichtung nicht § 17 der Trinkwasserverordnung - und damit nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik - entsprechen würde. Im Übrigen gebe es eh kein auf Epoixdharz beruhendes Sanierungsverfahren, das vom DVGW oder einem anderen Zertifizierer anerkannt worden wäre. Ferner würde für das in dem Wohngebäude durchgeführte Epoxidharz-Sanierungsverfahren eine gesundheitliche Unbedenklichkeitsbescheinigung des Gesundheitsamtes Köln fehlen. Dass Bisphenol A als "Hormongift" gesundheitsschädlich sei, sei schon dadurch belegt, "dass teilweise die Verwendung von Bisphenol A in Babyflaschen verboten worden" sei. Die Kläger verlangten deshalb von dem Wohnungsunternehmen durch die Entfernung der Epoxidharzbeschichtung die Hausinstallation und die Wohnung der Kläger wieder in einen "vetragsgemäßen Zustand" zu versetzen. Demgegenüber hatte das Wohnungsunternehmen von den Klägern in einer Widerklage zunächst verlangt, die Sanierung zu dulden. Diese Widerklage war aber zurückgezogen worden. Allerdings beharrte das Wohnungsunternehmen weiterhin auf der Erstattung von "vorprozessualen Rechtsanwaltkosten" in Höhe von 229,55 Euro für die Erstellung der Duldungsklage. Das Wohnungsunternehmen und die Firma, die die Epoixdharz-Sanierung durchgeführt hatte, vertraten die Auffassung, dass in Folge der Epoxidharz-Innenbeschichtung der Rohrleitungen weder ein Mangel an der Mietsache noch eine gesundheitliche Gefährdung vorliegen würde.

Gefahr durch Epoxidharz? Die Mieter sind beweispflichtig!

Das Gericht hatte in dem sich lange hinziehenden Verfahren mit Beweisbeschluss vom 19.06.2009 und vom 20.06.2012 zur Klärung der Auseinandersetzung zwei Gutachten erstellen lassen. Auf der Basis dieser Gutachten kam das Gericht in seinem Urteil vom 01.03.2013 (208C99/09) zum Ergebnis, dass sowohl die Klage der Mieter als auch der Erstattungsanspruch der Wohnungsgesellschaft zurückzuweisen wären. Der Kernsatz der Urteilsbegründung: "Ein Mangel im Sinne des § 536 BGB, der allein einen solchen Anspruch gerechtfertigt hätte, ist nicht von den insoweit beweisbelasteten Klägern bewiesen worden."

Das Amtsgericht Köln hat damit den Klägern die Beweislast aufgehalst, nachzuweisen, dass das Trinkwasser nicht den Qualitätsparametern der Trinkwasserverordnung entsprochen habe. Für eine erfolgreiche Klage hätten die Kläger folgendes nachweisen müssen:
"Erforderlich gewesen wäre eine Abweichung des tatsächlichen von dem mietvertraglich geschuldeten Zustand der Mietsache, der die Gebrauchstauglichkeit aufgehoben oder erheblich eingeschränkt hätte. Dies wäre der Fall gewesen, wenn gesundheitsschädliche oder -gefährdende Wirkungen von dem verwendeten Epoxidharz (...) bzw. gemäß § 17 (1) Trinkwasserverordnung das verwendete Material in Kontakt mit Wasser Stoffe in solchen Konzentrationen abgegeben hätte, die höher als die allgemein anerkannten Regeln der Technik unvermeidbar gewesen wäre oder entgegen dem gemäß Trinkwasserverordnung vorgesehen Schutz menschlicher Gesundheit gemindert oder den Geruch und Geschmack des Wasser verändert hätten."

Zur fehlenden Zertifizierung des Epoxidharzverfahrens nach dem DVGW-Arbeitsblatt W 548 und zur fehlenden Zertifizierung der ausführenden Firma nach DVGW W 545 stellte das Gericht fest, dass die "unstreitig" fehlenden Zertifizierungen "nicht per se" zu einer Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit des Trinkwassers führen würden. Bei den DVGW-Zertifizierungsanforderung würde es sich nämlich "nur um formelle Anforderungen" handeln. Wenn eine Zertifizierung vorliege, könne man zwar davon ausgehen, dass die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten würden. Bei Nichtvorliegen der Zertifizierung könne man aber nicht im Umkehrschluss schlussfolgern, dass das Trinkwasser nicht mehr den Qualitätsanforderungen der Trinkwasserverordnung entsprechen würde. Trinkwasseranalysen in dem Kölner Gebäude hätten ergeben, dass die Bisphenol-A-Konzentrationen "deutlich" unter dem Grenzwert einer Beschichtungsleitlinie des Umweltbundesamtes gelegen hätten. Dass die EU-Kommission einen Verzicht von Bisphenol-A in Babyflaschen vorgeschlagen habe, beruhe "allein auf Vorsorgeüberlegungen". Eine "konkrete Gesundheitsgefahr" sei damit nicht gegeben.

Immobilienwirtschaft und Rohrinnenbeschichter zufrieden mit Urteil

Die Immobilienwirtschaft und der Verband der Rohrinnensanierer zeigten sich über das Urteil des Kölner Amtsgerichtes sehr zufrieden. Die Homepage des Verbandes der Immobilienverwalter Baden-Württemberg e.V. http://www.vdiv.de/de/865?PHPSESSID=woxrpryo bringt den Urteilsspruch auf folgenden Nenner:
"Stimmt das Ergebnis der Wasserprobe, liegt kein Mangel der Wohnung vor. Ob für Harz und Verfahren Zertifizierungen etwa des DVGW (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.) vorliegen, ist nicht entscheidend. Ein Zertifikat erleichtert den Beweis. Nicht zertifizierte Produkte oder Verfahren sind zulässig, wenn mit ihnen die genannten Vorschriften eingehalten werden."

Außerdem wird festgestellt, dass das Kölner Urteil den Eigentümern und Hausverwaltern "wieder Rechtssicherheit" geben würde: Das Gericht habe in seinem "sorgfältig geführten und nachvollziehbar begründeten Urteil" das Epoxidharzverfahren "für zulässig erklärt". Gleichlautend hatte der stellvertretende Vorsitzende des Verbandes der Rohrinnensanierer, Ulrich Sick, darauf hingewiesen, dass nach dem Kölner Urteil die Eigentümer und Verwalter davon ausgehen könnten, dass "die Zuverlässigkeit und Rechtmäßigkeit der Rohrinnensanierung" jetzt außer Zweifel stehen würden. Damit sei das vorangegangene Urteil des Amtsgerichts Köln (201 C 546/10 v. 20.4.11) korrigiert worden. Der Anspruch auf Mietminderung sei nur deshalb durchgekommen, weil sich das Gericht einzig auf eine fragwürdige Wikipediaaussage über die Gefährlichkeit von Bisphenol-A gestützt habe.

Weitere Auskunft zur Genugtuung der Rohrinnensanierer über das zweite Urteil des Kölner Amtsgerichtes:
Verband der Rohrinnensanierer e.V.
Ulrich Sick (stellvertretender Vorsitzender)
Dudenstraße 27, 68167 Mannheim
Telefon 07161/941564
Internet: http://vdri-ev.de/hp1/Startseite.htm


Lang anhaltender Disput über die Zulässigkeit der Epoxidharzsanierung

In Internetforen wird seit den Nuller-Jahren ein Disput über die Zulässigkeit der Rohrinnenbeschichtung mit Epoxidharz ausgetragen. So empfahl beispielsweise ein Kommentator namens "Mieterschutz" schon im Jahr 2008 auf http://www.haustechnikdialog.de/Forum/t/332/Rohrinnenbeschichtung ultimativ die Einbindung des Gesundheitsamtes. Denn die Rohrinnenbeschichtungs-Verfahren "hätten in Deutschland alle keine Zulassungen!" Deshalb sollten Mieter "sofort das Gesundheitsamt einschalten und die Mitarbeiter und Amtsarzt - das Gesundheitsamt ist lt. TrinkwV die Aufsichtsbehörde - auffordern, umgehend einzugreifen und diese Arbeiten zu unterbinden. Sie haben ein Recht auf Einhaltung der TrinkwV, diese verlangt in §§ 4 und 17 die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik. Ebenso verlangt § 12 AVBWasserV die Einhaltung der a.a.R.d.T." Sollte das Gesundheitsamt seiner Pflicht nicht nachkommen, solle man das Gericht, den Mieterbund und die Öffentlichkeit einschalten. Informativ ist in dem Zusammenhang der Wikipedia-Eintrag http://de.wikipedia.org/wiki/Rohrinnensanierung der allerdings am 03.01.14 noch nicht das aktuelle Kölner Urteil vom Jan. 2013 berücksichtigt hat.

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1031
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. März 2014