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RECHT/061: Kohlekraftwerk. Quecksilber im Main - Wie viel darf noch rein? (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 1120, vom 14. Nov. 2017, 37. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Kohlekraftwerk - Quecksilber im Main: Wie viel darf noch rein?


Ist es für die wasserrechtliche Erlaubnis eines Kohlekraftwerkes ausreichend, wenn ein neuer Kraftwerksblock weniger Quecksilber einleitet als die alten Blöcke, die mit Inbetriebnahme des neuen Blocks abgeschaltet werden? Oder muss im Genehmigungsverfahren auch der Ist-Zustand der Quecksilberbelastung im "Vorfluter" mit berücksichtigt werden. Kommt es also darauf an, ob auch eine reduzierte Quecksilbereinleitung die Erreichung des guten chemischen Zustandes im Fluss weiterhin verunmöglicht? Auf Geheiß des Bundesverwaltungsgerichtes muss sich jetzt der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Hessen erneut mit dieser Frage beschäftigen. Ursprünglicher Anlass war eine Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen die wasserrechtliche Erlaubnis zur Einleitung von Abwasser aus der Rauchgaswäsche eines neuen Blockes im Kohlekraftwerk Staudinger am Main kurz unterhalb der hessisch-bayerischen Landesgrenze. Die DUH-Klage gegen die wasserrechtliche Erlaubnis aus dem Jahr 2012 war vom VGH im Jahr 2015 abgewiesen worden. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat dieses Urteil jetzt kassiert.

In seiner Pressemitt. vom 02.11.17 rekapituliert das BVerwG zunächst den Standpunkt des VGH: "Menge und Schädlichkeit des Abwassers, insbesondere im Hinblick auf die Quecksilberbelastung, seien in den Erlaubnissen so gering gehalten worden, wie dies nach dem Stand der Technik möglich und nach den einschlägigen Vorschriften erforderlich sei. Durch Nebenbestimmungen werde hinreichend sichergestellt, dass es weder zu einer Verschlechterung des Gewässerzustandes komme noch eine Verbesserung verhindert werde."

In dem von der DUH angestrengten Revisionsverfahren sei das BVerwG jedoch zur Ansicht gelangt, dass "bei der Prüfung, ob durch die erlaubte Gewässerbenutzung die anzustrebende Verbesserung des Gewässerzustandes gefährdet wird, (...) aber nicht allein auf die Reduzierung der Einleitungen abgestellt werden" könne. "Es muss vielmehr von der tatsächlichen Schadstoffbelastung ausgegangen werden, zu der es weiterer Feststellungen durch den Verwaltungsgerichtshof bedarf."

"Entscheidend ist die Zukunft des Mains, nicht dessen Vergangenheit"

Mit dieser Aussage hat die DUH den zuvor genannten Urteilsspruch des BVerwG zusammengefasst -um dann noch hinzuzufügen: "Frühere Gifteinleitungen sind kein Maßstab dafür, was erlaubt ist und was nicht." Angesichts der hohen Vorbelastung des Neckars hätten die Behörden prüfen müssen, ob auch mit einer geringeren Quecksilbereinleitung aus dem Kraftwerk die Erreichung des "guten chemischen Zustandes" verunmöglicht würde. Die Grundbelastung des Mains mit Quecksilber würde mit dem Abwasser aus der Rauchgaswäsche von Block 5 erhöht. Zur Erreichung des "guten chemischen Zustandes" dürften "nach Ansicht der DUH (...) überhaupt kein Quecksilber in den Main eingetragen werden, was zur Konsequenz hätte, dass das Kraftwerk nicht weiter betrieben werden darf" - und weiter:
"Sollte die DUH dort im Ergebnis Recht bekommen, hätte dies Auswirkungen auf alle Kohlekraftwerke in Deutschland, da die Quecksilberbelastung in allen Gewässern zu hoch ist und von nahezu allen Kohlekraftwerken Quecksilber eingebracht wird. "Das Urteil des BVerwG ist ein positives Signal, dass es mit der Kohleverstromung so nicht weitergehen kann."

Zusätzliche Informationen zur Auslegung des
BVerwG-Urteils durch die DUH gibt es bei
Cornelia Nicklas, Leiterin Recht
030 24 00 867-18
nicklas@duh.de

Details zu den Urteilen des VGH und der BVerwG
können in folgenden Texten nachgelesen werden:
BVerwG 7 C 25.15 - Urteil vom 02.11. 17
Vorinstanz:
VGH Kassel, 9 C 1018/12.T - Urteil v. 14.07.15


Wie halten es die Wasserbehörden mit dem Quecksilber?

In unseren Stellungnahmen zur Bewirtschaftungsplanung 2015 bis 2021 hatten wir immer wieder den vorauseilenden Gehorsam der Wasserwirtschaftsverwaltung gegenüber den Ansprüchen der Kohlekraftwerks-Betreiber gerügt. Bei der ubiquitären Grundbelastung von Biota (organischem Material biogener Herkunft) mit Quecksilber in unseren Flüssen seien die Rauchgaswäsche von Kohlekraftwerken sowie die Quecksilberemissionen über den Abluftpfad die entscheidenden Stellschrauben, um den Eintrag von Quecksilber signifikant zu reduzieren. In den Wasserbehörden hatte jedoch bis jetzt niemand den Mumm, sich den EONs und den RWEs in den Weg zu stellen. Nach § 12 (2) haben die Wasserrechtsbehörden ein Bewirtschaftungsermessen. Keine Behörde getraut sich aber, davon Gebrauch zu machen, wenn es um Quecksilbereinleitungen geht. Insofern ist das BVerwG-Urteil auch eine Blamage für den Kleinmut der Wasserrechtsbehörden. -n.g.-

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1120
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Dezember 2017

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